Dieses Rezept für Wiener Wirtshausgulasch von Susanne Zimmel ist ein Masterpiece. Zum einen lässt die österreichische Autorin keine Frage offen, zum anderen schmeckt das Gulasch, wie die Geschmacksknospen es sehnsüchtig erhofft hatten. Göttlich! Katharina | Mehr Rezepte für Gulasch
Susanne Zimmel über die wichtigsten Grundlagen für ein köstliches Gulasch:
1. Welches Fleisch?
Wadschunken vom Rind! Und das ist eine absolut notwendige Bedingung. Das Wadenfleisch – oder nicht österreichspezifisch auch Hesse genannt, zählt offiziell zu den minderwertigen Fleischsorten. Es ist stark mit Sehnen durchwachsen und enthält besonders viel Bindegewebe.
Diese gelieren beim langen Schmoren und zergehen auf der Zunge wie Butter. Idealerweise stammt das Fleisch von der vorderen Wade, da diese besonders stark durchzogen ist. Kochen Sie Rindsgulasch aus einem anderen Stück Fleisch, haben Sie schon verloren, bevor Sie überhaupt begonnen haben.
2. Welches Paprikapulver?
Feinst vermahlener ungarischer Gewürzpaprika bester Qualität! Es werden mehrere Sorten unterschieden, je nach Schärfe. Diese wird durch den Reifegrad der Früchte bestimmt und nach der Menge der vermahlenen Samen. DELIKATESSPAPRIKA ist die mildeste Sorte, die so gut wie keine Schärfe besitzt. Es werden dafür nur die getrockneten Fruchtwände ohne Samen vermahlen. EDELSÜSSER PAPRIKA besitzt noch immer kaum Schärfe, ist von erstklassiger Qualität und tiefroter Farbe. HALBSÜSSER PAPRIKA hat bereits eine leichte Schärfe und ROSENPAPRIKA ist der typische scharfe Paprika, dessen Farbe stark ins Bräunliche geht, da der Samenanteil sehr hoch ist. Einen der ersten beiden brauchen Sie für die fruchtige Fülle und einen der beiden Letzteren für die Schärfe, denn die kommt im Gulasch immer vom Paprika, niemals vom Pfeffer oder gar von einer Chilischote.
3. Welche anderen Gewürze?
Als Gewürze sind Paprika, Kümmel und Majoran zulässig, wobei Letzterer zwar diskussionsfähig, aber toleriert ist. Ungarisches Gulasch enthält meistens keinen Majoran oder Kümmel. Das ist eine österreichische Eigenart. Verwechseln Sie Kümmel nicht mit Kreuzkümmel oder Schwarzkümmel. Beide sind als Gewürz für Gulasch nicht geeignet. Was Sie für ein Wiener Gulasch sicher auch nicht brauchen, sind Pfeffer, Lorbeer, Paradeisermark, Rotwein, Knoblauch, Chili, Zitronenschale und so allerhand mehr. Zwar würden diese Zutaten die Qualität Ihres Endprodukts sicher nicht verschlechtern. Aber in ein Wiener Wirtshausgulasch gehört das alles nicht.
4. Welches Bindemittel?
Keines! Der Gulaschsaft bindet durch die Zugabe von vielen Zwiebeln, durch die im Wadschunken enthaltenen gelierfähigen Substanzen und letztendlich auch durch das Paprikapulver. Die Grundregel für die Zwiebelmenge lautet: Fleisch und Zwiebeln im Verhältnis 1 : 1. Was auf den ersten Blick viel erscheint, relativiert sich im Laufe der Zeit. Während beim frischen Gulasch die Zwiebeln deutlich schmeckbar sind, lösen sie sich nach längerer Stehzeit förmlich auf und dicken den Saft ein. Das Binden mit Mehl, die Zugabe von Brotscheiben, geriebenen Erdäpfeln oder Sonstigem ist nicht notwendig.
5. Welche Flüssigkeit zum Aufgießen?
Wasser und Bier! Kein Rotwein, denn Wiener mögen keinen Wein zum Rindsgulasch, weder in diesem drin noch als Begleitung. Keine Suppe (Brühe), denn die fügt (unerwünschten) Geschmack hinzu, ebenso Fond. Kochend heißes Wasser ist im Grunde genommen alles, was Sie brauchen. Ich persönlich verwende auch noch Bier. Das ist ein alter Wirtenschmäh, den Bierhansl zum Gulasch zu geben (als Hansl werden die abgestandenen Bierreste bezeichnet, die sich beim Zapfen an der Säule ansammeln). Mangels einer Zapfsäule in meiner Küche
verwende ich ganz einfach Flaschenbier.
6. Gut Ding braucht Weile!
Eine Wiener Freundin hat mich einst in punkto Männer gelehrt: »Nur a Gulasch is’ aufg’warmt guat!« Recht hat sie gehabt. Die alte Wiener Weisheit hat schon so manche Liebenden vor Enttäuschungen bewahrt und vielen Köchen Erfolg beschert. Was bei Männern ein Fehltritt, ist beim Gulasch Gesetz. Das alles Entscheidende für die Qualität sind die lange Garzeit, Ruhephasen und das Aufwärmen. Dadurch verändern sich Geschmack und Konsistenz fundamental.
7. Warum das Gulasch im Backrohr schmoren?
Zugegeben, das ist nicht unbedingt wienerisch. Gulasch wird in der Wirtshausküche in einem großen Topf auf dem Herd gekocht. Aber das langfaserige, sehnige Fleisch des Wadschunkens braucht moderate und gleichmäßige Hitze, um sich richtig entwickeln zu können. Wird es zu heiß gekocht, gart das Fleisch zu schnell. Es verliert an Geschmack, wird strohig und am Ende der Garzeit zerfällt es in seine Bestandteile. In einer privaten Küche ist das Backrohr eine gute Wahl, um die ideale Umgebungstemperatur zu erhalten und optimale Bedingungen für den Garprozess zu schaffen.
Es gibt tausend Arten Gulasch zu kochen und tausend Orte, an denen zumindest so etwas Ähnliches wie Gulasch gekocht wird. Seinen Ursprung hat es aber in der ungarischen Küche, denn die Ungarn sind die Herren über das Paprikapulver. Und die Nähe Wiens zu Ungarn hat den Wienern nicht nur das Paprikapulver, sondern auch das Gulasch beschert. Es gehört zu den vielen Interferenzen der österreichischen und ungarischen Küche. Gedankt sei es der Donaumonarchie, deren Hauptstädte einst Wien und Budapest waren. Dazwischen ist nicht viel, nur ein schmaler Streifen Burgenland und schon sind Sie in Ungarn. So kommt es denn auch, dass selbst heute noch das Paprikapulver in den Wiener Töpfen zum Großteil aus Ungarn stammt. Ohne das richtige Paprikapulver geht nämlich beim Gulasch gar nichts, weder in Ungarn noch in Wien. Es ist des Gulaschs pochendes Herz, sein Atem, seine Seele und sein Geist. Da sind sich die Österreicher und die Ungarn einig. Aber das Wienerische Gulasch ist dann doch wieder anders als das Ungarische. Dort ist ein Gulyas mit »y« eher das, was in Wien als Gulaschsuppe serviert wird. Das klassische Wiener Gulasch mit »u« ähnelt mehr dem ungarischen Pörkölt, dick und sämig in seiner Konsistenz mit sehr vielen Zwiebeln.
ORIGINALREZEPT
von Susanne Zimmel: Wiener Wirtshausgulasch
Für 4-6 Personen
Zubereitung: 1 Std. + 2-3 Std. Schmoren + 1 Tag Rasten
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Veröffentlicht im November 2016