Fünf Sterne: Valentinas Liebling – zum Schwärmen gut.
Jagen Sie hinter Gewürzen her wie ein Bluthund? Ist kein Gewürzstand vor Ihnen sicher? Haben Ihre Freunde beim Thema Gewürze den Eindruck, Sie sprechen eine abgehobene Fremdsprache? Dann ist dieses Werk genau das richtige für Sie!
Als ich das Buch, nein, Werk von meinem Buchhändler überreicht bekam, hat mich der Umfang überrascht. Zuhause angekommen, wurde es vorsichtig ausgepackt und aufgeklappt. Ein erstes zielloses Durchblättern…das Buch wurde wieder zugeklappt und in den Schrank gelegt. Die Fülle der Informationen hat mich beim ersten Blick schier erschlagen. Erst ein Urlaub mit warmen Sommerabenden brachte die nötige Ruhe, um das Werk ausführlich zu genießen…
Dieses Gewürzbuch ist ganz anders. Nicht eine Jill Norman, deren Buch Kräuter & Gewürze uns neben hervorragenden Fotos vor allem einen Einblick in Kauf, Lagerung und Verwendung ermöglicht. Es ist auch kein Gernot Katzer und Jonas Fansa, die uns in ihrem Buch Picantissimo zwar die Inhaltsstoffe nahebringen, aber auch die Geschichte und die Verwendung in ihren Herkunftsländern betrachten. Es ist ebenfalls kein Buch wie Gewürze von Bettina Matthaei, das uns „allgemein verständlich“ den Geschmack und das Mundgefühl beschreibt, die die Basis für unendliche Kombinationsmöglichkeiten eröffnen. Nein, es ist etwas Neues. Ein Buch zwischen den Welten, zwischen Sach- und Fachbuch.
Aroma ist das Werk der beiden Herren Thomas A. Vilgis und Thomas A. Vierich. Ich finde, dass man besonders die „wissenschaftliche“ Hand des Thomas Vilgis spürt. Er als Professor für Theoretische Physik an der Universität Mainz und Beschäftigter im Arbeitskreis „Theorie der Polymere“ trägt meiner Meinung nach wesentlich zu diesem „Fachbuch“ bei. Die andere Hälfte des Autorengespanns, Thomas A. Vierich, war lange Zeit in Berlin als Redakteur für Essen & Literatur tätig. Aus seiner Hand stammen mehrere Romane sowie zwei Kochbücher. Was für ein Buch, dass dieses Autorengespann hervorgebracht hat.
Das Werk zeigt sich in wissenschaftlicher Gründlichkeit. Beginnend mit Erläuterungen zu Geschmackssinn und Grundgeschmack zeigt es die acht Geschmacksrichtungen auf und beschreibt uns das Funktionieren des Schmeckens. Thematisch weiter gehend mit dem Geruchssinn und den Aromen bleibt das Thema Funktion des Duftes natürlich nicht auf der Strecke.
Nach diesem Grundlagenteil wird ein tolles Farbschema beschrieben, welches sich wie ein roter Faden durch das Werk zieht. Es geht um die Zuordnung der Gewürzbestandteile in vorher erläuterten Molekülgruppen. Diese reichen von „schweflig, wachsig, grün“ bis zu „röstig-brotrindenartig“. Aber auch das Thema Würzpraxis kommt nicht zu kurz. Würzen allgemein, Abschmecken in den Grundgeschmacksrichtungen, wie z.B. süß mittels Stevia oder sauer mittels Granatapfelkernen. Aber es bleibt nicht nur bei den fünf Geschmacksrichtungen – süß, sauer, salzig, bitter und umami. Nein auch das Thema Fett findet Eingang und einen wichtigen Platz. Und Sie Feinschmecker, was fehlt noch? Natürlich. Rösten und Räuchern.
Aber was wäre ein wissenschaftliches, sorgfältig recherchiertes Gewürzbuch ohne eine historische „Abhandlung“? Die Geschichte des Würzens sowie des Gewürzhandels rund um die Welt. Es bleibt kein Wunsch offen. Aber wir haben noch gar nicht richtig angefangen…
Denn wenn man sich durch den theoretischen Teil durchgekämpft hat, geht es erst richtig los. Kräuter, Körner, Samen, Rinden, Wurzeln, Nüsse, Salze, Algen und Früchte…ich habe bestimmt etwas vergessen. Von A wie Ajowan, den Früchten eines indischen Doldenblütlers, die mich persönlich vom Geruch sehr stark an Thymian erinnern , bis zu den Zwiebeln. Jetzt kommt auch wieder das Farbschema ins Spiel. Jede der acht Farben des Schemas definiert eine der acht Molekülgruppen bzw. Aromen und zeigt konkret auf, welche dieser Gruppen in einem bestimmten Gewürz zu finden ist. Dieses Schema beschreibt die Kombinationsmöglichkeiten verschiedener Gewürze, wobei Gewürze mit gleicher Farbe harmonieren und die mit unterschiedlicher Farbe sich ergänzen. Mit diesem Farbschema sind den Kombinationsmöglichkeiten und damit der eigenen Kreativität Tür und Tor geöffnet. Ich sage nur Chili und Vanille, Lavendel mit Basilikum und Zitronengras zu Rosenblättern…aber neben den „Grundstoffen“ gibt es viel interessanten Hintergrundstoff und leckere, ausgefallene Rezepte. Was halten Sie von Rotkraut mit Macadamia oder Lavendellauch?
Viele weitere Informationen und anschauliche Grafiken geben diesem Werk die zusätzliche „Würze“ wie Erläuterungen zur Grundausstattung an Gewürzen, zu Gewürzmischungen, zur Süßkraft von Zuckerarten, zu Soßen und Pasten, zum Anbau von Kräutern im eigenen Garten sowie Fetten und Ölen. Unterstrichen mit tollen, zum Ausprobieren anregenden Fotos, macht es immer wieder riesigen Spaß in diesem Werk zu blättern. Aber darin begründet sich auch die Gefahr nicht wieder aufhören zu können.
Ja, ich muss klar sagen, für Anfänger ist es meiner Meinung nach nicht geeignet. Nicht, daß ich es keinem Anfänger zutraue, aber die Gefahr des massiven Schädelbrummens ist immens. Es vervollständigt jede Gewürzbuchsammlung und ist außergewöhnlich. Besonders den Gewürzfreaks empfehle ich wärmstens einen Blick in die Quellenangaben. Ich selber werde in Zukunft immer ein Auge auf das Programm der Stiftung Warentest haben…nach diesem Werk.
Veröffentlicht im April 2014
Ich hab’s mir jetzt auch gegönnt (und nicht länger auf ein Schnäppchen gewartet) und bin so sehr glücklich. Sonst musste ich immer meine Neugier durch Googlen und mehr oder minder zweifelhafte Internetinformationen befriedigen. Und ich würde es jedem empfehlen, der in der Lage ist, Informationen, die er gerade nicht benötigt, auszuklammern – Molekülketten z.B. 😉 Endlich Licht im Dschungel, vor allem auch der asiatischen Würzsaucen! Worin unterscheiden sich die verschiedenen Sojasaucen, Fisch-, Austern-, Teriyaki-, Ketjap- und so weiter. Hurra!!!!
Hurra! 🙂
Noch ergänzend: neben der unglaublichen Informationsfülle, die das Buch bietet, ist es auch grafisch ein wirklicher Leckerbissen.
Grüße, Christine
Dem schließe ich mich mit Begeisterung an. Tolles Buch.