Fünf Sterne: Valentinas Liebling – zum Schwärmen gut.
Auf den Spuren ihrer Großmutter, die in Litauen aufwuchs, erkundet Zuza Zak das Baltikum, isst Fischsuppe an der Küste und lutscht mit ihrer Tochter Kondensmilch direkt aus der Tube. Was Estland, Lettland und Litauen kulinarisch sonst noch verbindet, stellt sie in ihrem Koch- und Geschichtenbuch vor.
Bei Länderküchen fallen mir sofort Italien und Frankreich ein, auch diverse asiatische Länder schwirren mir sofort durch den Kopf. Aber beim Baltikum musste ich kurz innehalten. Welche Länder waren das noch gleich? Und auf welche Geschmäcker einigen sie sich?

Weil es vermutlich dem einen oder der anderen ähnlich geht, tut uns Food-Autorin Zuza Zak (Foto links; ihres Zeichen Polin) den Gefallen, nicht nur ihre liebsten gesammelten Gerichte aus Estland, Lettland und Litauen vorzustellen, sondern auch gleich eine „kurze Geschichte des Baltikums“ nebst kleinen Reisereportagen zwischen den kulinarischen Kapiteln mitzuliefern.
Zwischen „neuer Welle“ und baltischer Tradition
Mit Mann (der fotografierte) und Tochter ging sie auf Entdeckungstour und präsentiert eine spannende Mischung aus Einflüssen „der neuen Welle“, die sicherlich auch auf die EU-Mitgliedschaft aller drei Länder seit 2004 zurückgeht, und gleichzeitig die Rückbesinnung auf baltische Traditionen und Rezepte aus regionalen wie saisonalen Zutaten.
Zum Weiterlesen:
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Zwischen Folkloreoptik, auffälliger Typo und dunklen, warmen Farben greifen die Kapitel „Frühstück“, „Vorspeisen & Snacks“, „Suppen“, „Hauptspeisen“, „Salate & Beilagen“, „Fermentiertes & Eingemachtes“, „Desserts“ und „Getränke“ alle gängigen Mahlzeiten auf. Immer wieder dabei: Kefir, Rote Bete, sämtliche Sommerbeeren, aber natürlich auch Gurken, Kartoffeln und Dill. Und schon beim Lesen springen meine Geschmacksknospen an, wenn ich von Hanfbutter, Apfel-Sanddorn-Sauce oder Pelmeni (die auf Deutsch übersetzt „kleine Ohren“ bedeuten) mit Brennnesseln lese.

Wildpilz-Terrine, gepökelter Schinken und Heringssalat
Einige Gerichte wurden von Zak modernisiert und angenehm oft passend „vegetarisiert“. Etwa die echt aufwendig klingende Kürbis-Wildpilz-Terrine oder die Cepelinai-Kartoffelknödel mit Linsen und Liebstöckel, die sich so schmackhaft anhören, dass wohl niemand Hack oder Speck vermisst, obwohl sie darin klassisch landen. Trotzdem finden Fisch und Fleisch ausgewählt statt, etwa beim selbst gepökelten Schinken oder dem obligatorischen Heringssalat. In Versalien steht unter jedem Rezept, ob das Gericht vegetarisch, vegan oder pescetarisch ist.
Selbstverständlich findet sich im Buch auch ein starkes Suppenkapitel – von A wie Anti-Kater-Ochsenschwanz-Soljanka bis S wie Sommerliche Heidelbeersuppe. Aber am meisten gefreut habe ich mich über das Getränkespecial. Das empfinde ich immer als Kapitelkür eines Kochbuches. Niemand erwartet es, aber ich freue mich unglaublich darüber. Vor allem wenn es so spannende Kreationen wie baltischen Bellini enthält (hier ist die Beschaffung der Holzäpfel oder Chaenomeles-Früchte eine Herausforderung – siehe übernächster Absatz) oder Martini mit Rhabarber.
Zuza Zak:
„Mit den Geschichten meiner Großmutter im Ohr und meinen wertvollen Erinnerungen an die Ferien an der Ostsee hatte ich das Gefühl, dass eng mit der Vergangenheit verbundene Schätze darauf warteten, entdeckt zu werden. Ich beschloss, mich auf meine ganz eigene Bernstein-Reise zu begeben: Als Food-Autorin sollte mein »baltisches Gold« ein kulinarischer Schatz sein und nicht das golden leuchtende Harz, das an die baltischen Küsten gespült wird und die alten Zivilisationen so faszinierte.“
Was mir außerdem gut gefällt, ist die Tatsache, dass die über 90 Gerichte in der Mehrzahl überschaubar und schnell gehen, etwa das gebratene Sauerkraut, die geschüttelten Gewürzgurken oder die typische, osteuropäische herzhaft-süße Kombi wie z. B. aus Pfifferlingen und Heidelbeeren.
Obwohl es vor dem Register eine Doppelseite zu Zutaten und Bezugsquellen gibt, bin ich einfach nirgends an Birkensirup oder Chaenomeles-Früchte rangekommen. Der Import von grünem litauischen Käse, dessen Produzent*innen ich auf Instagram anschrieb, hätte leider auch unverhältnismäßig viel Porto gekostet, sodass ich die Sachen wahlweise weggelassen oder ersetzt habe.
An diesem Buch gibt es quasi nichts auszusetzen. Klar, das Baltikum ist für ein Kochbuch dankbar, weil diese jungen, unabhängigen Länder so viel Unentdecktes bereithalten. Aber Zuza Zak hat auch echte Pionierinnenarbeit geleistet, toll recherchiert und zusammengefasst. Das familiäre Herzensprojekt der „schreibenden Köchin“ mit seinen 256 Seiten lohnt sich definitiv. Einzig das Register wurde – wie so oft bei guten Büchern – mal wieder vernachlässigt. Obwohl sie verkocht werden, erscheinen weder Johannisbeeren noch Dill darin. Beim Kraut machte ich mir den Spaß und habe einmal nachgezählt. Er ist bei 16 Rezepten als Zutat gesetzt, bei einem optional. Wie Dill als Stichwort vergessen oder durchrutschen kann, ist mir ein Rätsel …
Veröffentlicht im Dezember 2022