Drei Sterne: Hat Stärken, aber überzeugt nicht ganz.
Neue Gesichter, andere Geschichten, vielschichtige Lebensläufe – nach Jahren der Hegemonie männlicher Gastronomen ist die nächste Generation am Start. Sie präsentiert sich vielfältiger denn je. Die in der Schweiz lebende Köchin Zineb Hattab verkörpert die Entwicklung. „Taste of Love. Meine Rezepte – einfach und vegan“ heißt ihr erstes Kochbuch.
Darin geht es um die Zürcher Restaurants der Gastronomin – das KLE und das DAR, aber auch um Hattabs Weg dahin. Aufgewachsen in Barcelona als Tochter marokkanischer Einwanderer, studierte sie zunächst Wirtschaftsingenieurwesen.
Für ihren ersten Job als Software-Entwicklerin zog sie in die Schweiz. In dieser Zeit entdeckte sie das Kochen für sich und stellte fest, dass es glücklich macht. „Mein Hobby nahm rasch überhand und vereinnahmte meine ganze Freizeit. Da habe ich mir gedacht, ich könnte auch richtig Kochen lernen“, schreibt sie eingangs in ihrem Kochbuch.

Mut & Leidenschaft
Dann erzählt Hattab, wie sie ihren sicheren und gut bezahlten Job aufgab, um der Leidenschaft zu folgen zum Preis eines Neustarts. Sie arbeitete für die besten Köche und Restaurants, zunächst um zu lernen, und schließlich als professionelle Köchin. Sie machte Stationen im Michelin-prämierten Restaurant Nerua in Bilbao, bei Andreas Caminada im Kanton Graubünden, bei Massimo Bottura in Modena, aber auch bei Dan Barber und dem mexikanischen Koch Enrique Olivera in New York.
Darüber berichtet Hattab ausführlich und auf für ein Kochbuch ungewöhnlich vielen Seiten. Sie erzählt in aller Offenheit von ihren Gefühlen und Erfahrungen, von Zweifeln, schwierigen Anfängen und traurigen Arbeitssituationen – neben viel, viel positiver, kraftvoller Energie.
Die biografische Erzählung eröffnete mir nicht nur einen Zugang zu ihr als leidenschaftliche Köchin und supersympathische Frau, sondern auch zu dem, was mich kulinarisch im Kochbuch erwartete. Denn die Summe der Länderküchen, die ihre Biografie prägen, findet sich in ihren Gerichten wieder. Für mich eine spannende Rezeptauswahl, die stilvoll, modern und mit viel Sonnenlicht in Szene gesetzt ist.
Besonderer Mix!
Das 333 Seiten starke Kochbuch enthält marokkanische Familiengerichte wie Couscous-Salat und Tajine sowie eine nordafrikanische Harira, aber auch Tapas-Kreationen und Klassiker wie eine Paella mit Allioli. Schließlich verwendet Hattab Chilis wie Guajillo und Pasilla mit Raucharoma, wie sie in der mexikanischen Küche üblich sind. Sichuan-Chili-Öl, Miso-Brownies und sogar ein Rezept für Cinnamon Rolls spiegeln dagegen eher aktuelle Foodtrends wider.
Zum Weiterlesen:
Leseprobe beim Verlag
Zineb Hattab bei Instagram
Mehr vegane Kochbücher bei Valentinas
Dass die Rezepte von Hattab ausschließlich vegan sind, geschieht mit einer angenehmen Selbstverständlichkeit. Sendungsbewusstsein ist zwischen den Seiten wenig zu spüren, eher methodisches Wissen. Vor allem Aquafaba, das Kochwasser von Kichererbsen und Bohnen, wird man mit und nach diesem Kochbuch vielleicht nicht mehr wegwerfen. Es ist die zentrale Zutat für die Cremigkeit ihrer Allioli und Kosho-Mayo (Kosho ist eine japanische Paste aus fermentierten Zitrusfrüchten), aber auch Eiweißersatz für Cocktails. Zum Selbermachen kann man Aquafaba weiter einkochen, bis es die Konsistenz von Eiweiß hat, rät Hattab.
So hatte ich das noch nicht gelesen. Bis dahin war ich eine rundum zufriedene Kochbuchleserin. Dass sich dieser Eindruck beim Ausprobieren in der Küche von Rezept zu Rezept verflüchtigte, damit hatte ich nicht gerechnet.
Zunächst stellte ich fest, dass es gar nicht so einfach ist, Rezepte für das Kochen zu Hause zu finden. Ein Großteil sind eher modular aufgebaute Grundrezepte wie Mayos, Dressings und Toppings, die an anderer Stelle als Referenzrezepte auftauchen. Für die Bombas – gefüllte und frittierte Kartoffel-Tapas – werden zwei dieser Soßen benötigt. Zwischenfazit: Manche Rezepte sehen einfach aus, sind aber aufwendiger.

Was ist hier los?
Neben den Kapiteln für Brot, Desserts und Getränke bleiben schließlich nur noch drei Kapitel für das geplante abendliche Essen übrig. Ich wählte zunächst das Rezept für gebackenen Blumenkohl mit Chermoula auf Süßkartoffelcreme, der bei mir leider nicht so knusprig braun wurde wie auf dem Rezeptfoto. Wie man den Großteil der 350 ml sehr dünnflüssigen Chermoula auf den Blumenkohl pinseln sollte, blieb mir zudem ein technisches Rätsel. Bei mir landete sie vor allem im Backblech. War das so gemeint?
Spätestens anlässlich des Minz-Hibiskus-Eistees fragte ich mich, ob die Rezepte vielleicht von Gastronomie- auf Kochbuchmengen runtergerechnet, dann aber nicht erneut getestet worden sind? Dieses sommerliche Cooler-Rezept verlangt für einen Liter Wasser einen Teelöffel getrocknete Hibiskusblüten. Wie soll das bei den Blüten klappen und vor allem: Ist das nicht zu wenig? Die Menge auf ein Liter Wasser ergibt nur einen Hauch des Aromas und ganz sicher nicht das kräftige Rot wie auf dem Rezeptfoto. Das Ergebnis: der Geschmack vor allem minzig, etwas floral, aber nicht unbedingt mitreißend.
Beim Nachkochen für eine Rezension fragt man sich immer bei einem enttäuschenden Ergebnis, ob man nicht zufällig die „Falschen“ ausgewählt hat. Das tue ich in diesem Fall ganz besonders. Einzelfälle oder Trend? Vielleicht hätte ich die Suppen probieren sollen?
Zineb Hattab:
„Ich möchte meine Liebe zum Essen teilen. „Taste of Love“ ist eine Hommage an meine Herkunft und eine Sammlung meiner liebsten Rezepte. Einfach und vegan.“
„Taste of Love. Meine Rezepte – einfach und vegan“ der Köchin Zineb Hattab ist biografisch ein durch und durch einnehmendes Kochbuch. Die Rezeptauswahl ist aufgrund der Einflüsse verschiedener Länderküchen verführerisch spannend. Leider konnte mich aber keines der fünf nachgekochten Gerichte überzeugen. Es hakte bei mir hier oder dort. Vielleicht ist es aber vielmehr eine Publikation in der Tradition gastronomischer Kochbücher – als Anerkennung für einen herausragenden Koch oder Köchin, zur Erinnerung an schöne Abende für die Gäste – weniger zum Nachkochen.
Veröffentlicht im Mai 2023