Fünf Sterne: Valentinas Liebling – zum Schwärmen gut.
Beim Lesen von Ottolenghis neuestem Kochbuch kommen Appetit und das Verlangen, ein bestimmtes Rezept unbedingt nachkochen zu wollen, mit beglückender Häufigkeit auf. Yotam Ottolenghi, Philosoph und Besitzer von vier Londoner Restaurants, gehört zu den nicht mehr ganz neuen Lieblingen der englischen Gastroszene, der u.a. eine wöchentliche Zeitungskolumne schreibt und Kochkurse gibt. Sein erstes, mit seinem Geschäftspartner Sami Tamimi verfasstes Kochbuch Ottolenghi: The Cookbook ist bislang nur auf Englisch erschienen, wenn der vorliegende Band sich so gut verkauft, wie er es verdienen würde, kann man hoffen, dass auch dieser auf Deutsch erscheint.
Leider sehe ich hier gewisse Hindernisse, denn Verpackung wie Titel des vorliegenden Bandes sind bemerkenswert abstoßend. Der lilafarbene, wattierte Umschlag ist derart unattraktiv, dass ich dieses Buch niemals zum Stöbern in die Hand nehmen würde, wenn mir der Name Ottolenghi nicht bereits bekannt wäre. Dies wird wohl aber nur auf einen kleinen Teil potentieller Käufer zutreffen. Und wer hat den Titel “Genussvoll vegetarisch” zu verantworten? Mir suggeriert vegetarisch in erster Linie Verzicht auf bestimmte Lebensmittel, also Entsagung statt Genuss.
Eine neue Perspektive aufs Gemüse
Wie anders dagegen der Originaltitel “Plenty”, also Reichtum, Überfluss. Hier fühle ich mich angesprochen, denn ich muss weder Fisch noch Fleisch ablehnen, um Gemüse ob ihrer geschmacklichen Vielfalt, ihres Reichtums (Plenty!) zu geniessen. Das Wort vegetarisch ist zu dogmatisch besetzt, um das erfrischend entspannte Verhältnis des Autors zu vegetabilen Genüssen wiederzuspiegeln und seine intendiert heterogene Leserschaft anzusprechen. Man kann hoffen, dass der Verlag Titel und Umschlag für die nächste Auflage überdenkt.
Schafft man es, das Buch aufzuschlagen, empfängt einen ein freundliches Layout. Innere Umschlagseiten und Titelseiten der einzelnen Kapitel zieren Strichzeichnungen, nicht jedes, aber doch viele Rezepte sind mit stimmungsvollen, appetitanregenden Fotos von Jonathan Lovekin, der insbesondere durch seine Zusammenarbeit mit Nigel Slater bekannt ist, illustriert. Auf knapp dreihundert Seiten finden sich ca. 115 Rezepte, die fünfzehn Kapitel widmen sich verschiedenen Gemüsearten, aber auch Getreide, Pasta, Früchten. Dass es hierbei Überschneidungen gibt, ist unvermeidlich, ein Blick in die Zutatenliste des Registers hilft weiter.
Rezepte von schnell bis zeitintensiv
Die einzelnen Rezepte sind übersichtlich aufgebaut, einer kurzen Einführung folgen Zutatenliste und Kochanleitung. Letztere sind für mein Empfinden ausgewogen und zuverlässig, die Qualität der erkochten Gerichte war durchweg gut bis hervorragend. Einzig bei zwei Rezepten musste ich geringe Korrekturen vornehmen. Ein kleiner Hinweis darauf, dass gewisse Produkte wie Bulgur in nicht nur einer genormten Form vorkommen, hätte nicht geschadet. Die Rezepte reichen von schnell und einfach bis zeitintensiv, furchtbar schwierig erscheint mir aber keines. So lässt sich für jedermann und jederzeit das Passende finden.
Der Autor lädt an verschiedener Stelle zum Querlesen ein, ich selber habe fröhlich wie erfolgreich verschiedene Teilrezepte miteinander kombiniert, auch, da Ottolenghis levantinische Küche klar in der Tradition orientalischer Mezze steht. (Links: US-Cover) Häufig verweist der Autor auf Kombinationsmöglichkeiten sowohl innerhalb dieses Buches als auch mit Fisch und Fleisch. Aber es ist nicht allein die Menge an Rezeptideen, die aus diesem Buch einen wahren Schatz (Plenty!) macht.
Dass Ottolenghi mit seinen beiden Kochbüchern Bestseller gelandet hat, ist mehr als nachvollziehbar. Zu seiner Philosophie gehört es, nur frische Zutaten zu verwenden und alles selber zu machen. Wie er auf seinem Blog anmerkt, auf dem sich u.a. auch ein Reisetagebuch und weitere Rezepte finden, treibe ihn dies zu immer neuen Experimenten. Er sei dadurch gezwungen, neue Blickwinkel zu suchen, um alles noch leckerer, sinnlicher und lebhafter zu gestalten. Seine größte Kunst offenbart sich im geschickten Kombinieren mediterraner Kräuter bis indischer Gewürze.
Mehr Mut beim Würzen!
Ottolenghi zeigt mir, dass ich beim Würzen noch viel mutiger sein kann, ohne zu übertreiben, die Kraft der Gewürze entfaltet sich vor allem in ihrer Vielschichtigkeit, weniger in der Intensität. Ich habe mit Interesse festgestellt, wie erstaunlich gut seine Rezepte auch kleinen Kindern schmecken; selbst Chili wird meist in kindertauglicher Version verwendet, Korianderblätter stießen überraschend auf Gegenliebe, lediglich der für mein Empfinden milde rosa Pfeffer war unbeliebt. Aber Vorsicht, wenn man sich erst einmal auf diese Art des Würzens eingelassen hat, fällt es schwer, davon wieder abzulassen!
Unleugbar trifft Ottolenghi den Nerv der Zeit: in einer Welt, in der das Thema Nachhaltigkeit auch in Bezug auf Lebensmittel verstärkt an Bedeutung gewinnt, und der Verbraucher durch immer neue Lebensmittelskandale verunsichert wird, ist sicherlich ein Weg in die gastronomische Zukunft der, besonders interessante und wohlschmeckende Mahlzeiten aus einfachen, vegetabilen Zutaten zuzubereiten. Wer ein Maximum an Geschmack sucht, wird bei Ottolenghi fündig werden. Für mich stellt “Genussvoll vegetarisch” eine großere Bereicherung dar. Ein Buch zum Querlesen und Schmökern, zum Appetitanregen, eines, das ich guten Freunden schenken möchte. Eine Bibel für Vegetarier und andere Gemüseliebhaber – alle Ökokistler sollten eines haben! Ich hoffe, wir werden in Zukunft noch viel von Yotam Ottolenghi hören. Bis dahin gibt es noch Einiges, was ich aus diesem Buch nachkochen will.
Veröffentlicht im April 2011
Hallo Katharina, ich habe zwar das Kochbuch aber ich finde die eingelegten Paprika nicht! Könntest Du mir verraten auf welcher Seite ich das Rezept finde???? Danke und winterliche Grüße aus Regensburg
Glückwunsch! Gucke zeitnah nach und melde mich.
Katharina, ich habs gefunden!!! Bin halt einTrüffelschwein! Unter frittierter Lauch findet man auch die süß-sauer eingelegtenPaprika! Ein wenig verwirrend 🙂
Top!!
Ich bin gespannt auf die Rezension des zweiten vegetarischen Kochbuchs von Ottolenghi: „Vegetarische Köstlichkeiten“.
Kommt bald! .-)
Hallo. Ich bin überhaupt erst durch das schlichte und doch ansprechende, durch sein Dunkelrot edel wirkende Cover auf Ottolenghi gestoßen! Wie gut….
Das ist das richtige. Viel Vergnügen!
Gut, überzeugt – Ottolenghi muss es sein – ich suche schon lange nach einem undogmatischen vegetarischen Kochbuch mit interessanten Rezepten!
🙂 Egal. Bei den Autoren sind wir gerne großzügig, nicht wahr?
Gerade ausgepackt, türkisblau und mit wattiertem Umschlag. Aber man muss es trotzdem haben 🙂
Schmunzel. Lassen wir uns überraschen. Interessanterweise ist mir der umschlagtyp auch bei einem Phaidon-Buch untergekommen – da fügte er sich überraschend gelungen zu der Grafik.
Sein erstes Kochbuch kommt jetzt im Januar übrigens auch auf deutsch. Leider kann man im Internet nicht erkennen ob es auch einen Puff-Umschlag hat 🙂
Meine Begeisterung hält unverdrossen an: Ich habe es zum Weihnachtsfest gleich viermal verschenkt!!!
Wir lieben dieses Kochbuch!!! Es macht viel Spas diese köstlichen Dinge nachzulocken und zu genießen.
Das Cover ist wirklich übel, danke, dass das Mal jemand ausspricht! Der Autor hat die deutsche Ausgabe sicher noch nie gesehen!
Vielen Dank für die ausführliche Rezension! Ich kann mich nur anschließen – auch ich bin vollkommen begeistert von diesem Buch! Es ist das erste vegetarische Kochbuch, das mich überzeugt, weil die (teilweise recht ungewöhnlichen) Kombinationen tatsächlich funktionieren und weil es sich um vollständige, stimmige und originelle Gerichte handelt, die auch ohne FleischFisch interessant sind und ich hier nie das Gefühl habe, dass etwas fehlt.
Ich hatte nicht nur das Vergnügen, das Buch ins Deutsche zu übersetzen, sondern hatte (und habe) es auch beim Ausprobieren der Rezepte – was keineswegs selbstverständlich ist, da leider nicht alles, was auf dem Papier gut klingt, auch so schmeckt. Doch Ottolenghi-Rezepte scheinen die berühmte Ausnahme zu sein. Sogar der ungewöhnlich klingende scharfe Tofu mit (sehr viel …) schwarzem Pfeffer, bei dem ich sehr skeptisch war, ist ausgezeichnet (und ich war bisher kein Tofu-Fan). Meine bisherigen Lieblingsrezepte sind der karamellisierte Fenchel und die Mediterrane Tarte, die ich allerwärmstens empfehlen kann! Da lohnt es sich wirklich, sich ausnahmsweise mal genau ans Rezept zu halten.
Letzten Sommer durfte ich Ottolenghis köstliche Kreationen in London (Belgravia) probieren. Und auch das erste Kochbuch ist ganz wunderbar (Sternanis-Orangen-Ente, chocolate fudge cake, …) und die Anschaffung unbedingt wert!
Hatte vor 2 Jahren Glück in der Ottolenghi Küche in Notting Hill zu schnuppern. Es ist erstaunlich, was alles die Köche auf so einem engsten Küchenraum schaffen. Dürfte dann vom Büffet gratis essen und sie haben mir das Rezept ihres Scones mit Korinthen und Orangen dann verraten.
Ich habe 2008 einmal bei Ottolenghi in Islington gegessen. Seine aufwändigen “Salate” sind der Hit. Zwar findet man in den Büchern wenig davon wieder, weil im Deli viel wechselt – aber der Geist seiner Kochkunst scheint weiter. Bin von seinen beiden Büchern begeistert. Was den Verlag allerdings zu einem neuen Cover verführt hat, bleibt mir rätselhaft …
Hast Du denn schon das Erstlingswerk von Ottolenghi, das er mit seinem Partner gemacht hat? Das kam gestern bei fb schon auf als Fortsetzung für alle, die mehr wollen. Allerdings auch mit Fisch, Fleischh, dafür aber auch mit Törtchen. Hier ein Link: Ottolenghi auf Valentinas Habe es nun auch wieder aus dem regal gezogen.
Hm, orientalisch könnte natürlich gemeint sein, wär ich auch nicht drauf gekommen…
Warum was Neues? Ach, die Küche – orientalisch-mediterran, gerade auch ein bisschen miteinander verschränkt, ist schon ziemlich genau “meins”. Ich war auf der Suche nach einem originellen vegetarischen Kochbuch (nicht diese Aufläufe-Pasta-Salate-Bücher, und auch keine ideologischen Abhandlungen über Vegetarismus) – da kam es mir gerade richtig.
Ah, jetzt verstehe ich die Farbwahl. Das hatte ich noch nicht assoziiert.
Cover – eine so schwierige Entscheidung. Ich habe gerade die holländische Ausgabe entdeckt. Da hat man das Originalcover belassen. Was waren Eure Beweggründe, etwas Neues zu probieren?
Och kommt, sooo hässliche ist das Cover auch wieder nicht! Es ist zwar auch meiner Meinung nach nicht so “gigantisch reduziert” wie das Originalcover aber grade zum orientalischen Touch passt doch das Dunkelrot recht gut :o)
Eine sehr treffende Rezension! Mir ging es genauso – ohne den Namen Ottolenghi hätt ich das Buch mit dem umwerfenden Cover sicher nicht in die Hand genommen. Jetzt bin ich fast durchweg begeistert – selbst das Cover find ich mittlerweile in seiner ganzen Hässlichkeit irgendwie auch ganz süß!