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Katharina Höhnk

Kochbuch von Wolfgang Müller: Schwein ★★★

Schwein – Das große Kochbuch
Wolfgang Müller, Fotos Florian Bolk, Umschau Verlag (2010)
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Drei Sterne: Hat Stärken, aber überzeugt nicht ganz.

Dietmar Adam

Von

Turboschweine, Gammelfleisch, miese Ökobilanz – es ist nicht leicht in der heutigen Zeit, Fleischliebhaber zu sein. Sternekoch Wolfgang Müller zeigt jedoch, dass auch das eher wenig geschätzte Schwein unter den richtigen Bedingungen geschmacklich viel zu bieten hat. Zudem liefert er jede Menge Basiswissen, das dem Leser beim Einkaufen und Zubereiten wertvolle Dienste leisten kann. Dass mein Gesamteindruck trotzdem ein wenig durchwachsen ausgefallen ist, mag vielleicht auch an meinen kulinarischen Vorlieben liegen.

Ein ganz großes Lob verdient die Einleitung, der Teil, der bei Kochbüchern gerne – da oft staubtrocken oder belanglos – schnell überblättert wird. Hier ist das anders. Die Porträts verschiedener Schweinerassen sind nicht nur schön übersichtlich gestaltet, sondern auch überaus informativ (Herkunft, Zucht, Charakteristika, Verwendungsmöglichkeiten in der Küche). Weiter geht es mit einem notwendigen, aber unangenehmen Thema, dem Schlachten. Hier wird man vertraut gemacht mit hygienischen Vorschriften, traditionellen Methoden, den Praktiken der Fleischindustrie, man erfährt, wie der gelernte Metzger Wolfgang Müller versucht, seinen Schlachttieren möglichst wenig Stress zu bereiten.

Autor Wolfgang MüllerEs folgt das Zerlegen. Wichtig für die Entscheidung an der Ladentheke, wenn man mal wieder unentschlossen ist bei der Auswahl für den Sonntagsbraten. Nun weiß ich, welches Stück geeignet ist zum Kurzbraten, welches zum Schmoren und welches für eine schmackhafte Suppe. Bei Wolfgang Müller wird übrigens das ganze Schwein verwertet, also auch die Innereien, die ansonsten immer noch auf eine Renaissance warten.

Nach sechzig aufschlussreichen Seiten Hintergrundwissen kommen die Rezepte, die nicht mit den Vorspeisen beginnen, sondern mit Wurst, und etwas überraschend mit Desserts enden. Klassiker (etwa Elsässische Schlachterplatte, Eisbein, Krustenbraten, Schweineleber Berliner Art, Pfälzer Saumagen, Maultaschen und Spareribs) finden sich hier ebenso wie Kreationen, die zeigen, dass der Autor in der modernen Spitzenküche zuhause ist. Und da fangen auch schon meine Probleme an. Ich kann es nun mal nicht leiden, wenn ich den Eindruck gewinne, dass Spitzenniveau in der Küche definiert wird über die raffinierte Verwendung einiger weniger Edelprodukte. So kommt es, dass ich nicht gerade in Begeisterung ausbreche, wenn Gänseleberpastete, Trüffel, Kaviar, edle Krustentiere, ja sogar Blattgold ins Spiel kommen.

Zwar kann ich mir den Reiz ungewöhnlicher Gerichte vorstellen, die das vermeintlich deftige und ordinäre Schweinefleisch mit feinen Luxuszutaten kombinieren, aber mein Ding ist das nicht unbedingt. Aber es wird sicherlich genügend Hobbyköche geben, die Kreationen wie „Törtchen von Schweinenasen und Gänselebermousse mit Damaszener Rosengelee“, „Blutwurst in Blattgold“, „Glaciertes Schweineherz mit getrüffelten Äpfeln und Selleriepüree“ oder „Gefüllter Spanferkelnacken mit bretonischem Hummer und gefülltem Gemüse“ mit Genuss zur Kenntnis nehmen. (Foto links: der Autor Wolfgang Müller)

Darüber hinaus tauchen noch andere Probleme auf, die mich vom Nachkochen des einen oder anderen Rezepts abhalten. Gerne hätte ich Wurst hergestellt, doch das wird nur in Großfamiliendimensionen geschildert. Gut – man kann die Zutatenmengen halbieren oder vierteln, dann bleibt immer noch die Hürde, sich mit unbekannten Zutaten (Schweinsköpfe, Blut, Därme) und ihrer Beschaffung auseinanderzusetzen. Bei manchen Rezepten sollte man Erfahrungen mit dem Räuchern mitbringen, bei anderen braucht man Zeit, mitunter viel Zeit (für die geräucherten Schweinezungen werden zunächst Steckrüben vier Wochen vorher eingelegt; ein Schweinefiletrezept benötigt drei Wochen Vorlauf für Beizen, Räuchern und das Einlegen in Asche). Auch wenn es sich dabei um keine reine Arbeitszeit handelt, bleibt aber doch ein erheblicher Aufwand, der bewältigt werden muss.

Bei den Kochanweisungen, die in der Regel knapp aber verständlich ausfallen, sind mir einige kleinere Schnitzer aufgefallen. Wenn im Text von „weich kochen“ oder „garen“ die Rede ist, wäre es schön zu erfahren, wie lange das etwa dauert. Beim Eisbeinrezept wird eine Vorbereitungszeit von zwölf Tagen genannt, doch wofür bleibt unerwähnt. Auch sollte der Text mit dem dazugehörenden Foto übereinstimmen (beim „Salat von Schwarzwurst und Oktopus“ wird der Tintenfisch klein geschnitten, im Bild ist aber ein ganzer zu sehen).

Bei den Fotos hat man sich viel Mühe gegeben, die rustikalen Gerichte ins rechte Licht zu rücken. Das ist meist hervorragend gelungen, bis auf wenige Ausnahmen mit für mein Empfinden zu dunklem Hintergrund, so dass dort ein eher düsterer Eindruck entsteht.

Summa summarum ergab sich für mich ein eher durchwachsener Gesamteindruck. Der Satz „Wie so oft sind die einfachsten Gerichte auch die besten“ wird leider allzu oft konterkariert durch aufwändige Rezepte, die zudem mitunter Zutaten verlangen, die mir nicht immer behagen. Es bleiben jedoch jede Menge schöne und inspirierende Rezepte, die ohne größeren Aufwand zu verwirklichen sind. Und vor allem die vielen praktischen Informationen, die den Leser an der Fleischtheke zu einem mündigen Kunden werden lassen und helfen können, dass in Zukunft mehr Wert auf qualitativ gutes Fleisch gelegt wird.

Veröffentlicht im Dezember 2010

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