Zwei Sterne: Begeisterung sieht anders aus.
Wenn ich auf eine einsame Insel nur ein Kochbuch mitnehmen dürfte – es wäre ein Curry-Kochbuch. Dieses so vielschichtige Gericht hat auf mich eine enorme Faszination, seitdem ich Sri Lanka besucht habe und von morgens bis abends mit diversen Curryvariationen verwöhnt wurde. Umso mehr freute ich mich auf das Kochbuch von Vivek Singh, das laut dem Guardian „die besten Currys aller Zeiten“ versprach.

Vivek Singh ist ein britischer Celebrity Chef, der die in London und Oxford bekannte „Cinnamon“-Restaurantkette führt. Sein kulinarischer Stil verbindet die indische Küche mit westlichen Techniken, und das vorliegende Kochbuch ist bereits sein fünftes. Allerdings ist es – soweit mir bekannt ist – das erste, das auch in deutscher Sprache herausgegeben wurde. Es ist übrigens eine Neuauflage eines Klassikers, der 2006 das erste Mal erschienen ist.
Umfassendes Curry Wissen
Das Kochbuch spiegelt die Vielfalt der Currys wider und umfasst 120 Rezepte von Indien über die Karibik nach Westafrika. Die Einleitung des Kochbuchs auf beeindruckenden 90 Seiten lässt keine Fragen offen: Hier werden nicht nur die Aromen der verschiedenen Länder von Urdbohnen über Zimtblätter bis hin zu Fingerwurz vorgestellt, sondern wird auch die Herstellung diverser Zutaten wie Garam Masala oder verschiedener Currypasten inklusive Bildanleitungen dargestellt. Sogar die Herstellung von Kokosmilch und Kokoscreme wird im Detail erklärt.
Zum Weiterlesen:
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Mehr Kochbücher zur indischen Küche bei Valentinas
Es folgt ein Rezeptteil mit vegetarischen, Fisch-, Geflügel- und Fleischcurrys, abgerundet durch diverse Zubereitungen von Reis, Brot und Chutneys. Die Herkunft jedes Gerichts wird kurz erläutert und die Rezepte sind übersichtlich gestaltet, allerdings nicht immer bebildert. Die Fotografien sind etwas lieblos gestaltet, hier hätten sich Foodstylisten und -fotografen durchaus mehr einbringen können. Nicht alle Seiten des Buchs sind nummeriert, was das Auffinden von Rezepten nicht immer einfach macht.
Von Indien bis Afrika
Ausgestattet mit viel theoretischem Hintergrund mache ich mich ans Werk und entscheide mich für die nordindischen Kichererbsenmehl-Schnitten in Joghurtsauce. Leider wurde dieses Abendessen mit Freunden eher zum Flop: Die Joghurtschnitten werden – nach ausreichender Kühlzeit – nicht anmutige Würfel wie auf dem Foto, sondern zerfließen, kaum dass sie in der Pfanne sind. Der verzweifelte Versuch, den „Teig“ mit mehr Kichererbsenmehl zu retten, misslingt. Abgesehen von der Optik können uns die Schnitten auch geschmacklich nicht überzeugen, sie schmecken eher fad.

Ebenso lässt das nächste Rezept, das Gemüse mit Linsen, die geschmackliche Tiefe, die mich sonst an Currys begeistert, vermissen. Die Würzpaste mit geriebenen Kokosraspeln will sich mit dem Rest des Gerichts weder konsistenzmäßig noch geschmacklich verbinden.
Ich habe in den letzten Jahren schon viele verschiedene Naan-Versionen mit und ohne Germ ausprobiert – das Rezept in diesem Kochbuch ist zwar verhältnismäßig rasch im Backofen zubereitet, jedoch leider für ein Naan ungewöhnlich hart.
Einziger Lichtblick war das Fischcurry. Hier habe ich allerdings statt der unreifen Mangos reife verwendet: Die Süße der Mangos hat einen wunderbaren Kontrapunkt zu der Säure der Tamarinde gesetzt und das Ergebnis war ein rundes, cremiges Curry, wie ich es liebe.
Vivek Singh über Currys:
„Im Grunde ist jedes Gericht, für das Fisch, Fleisch oder Gemüse mit Gewürzen in Flüssigkeit gegart wird, ein Curry. Es ist die Zusammenstellung der Gewürze, die jedes Curry anders macht. Die Garmethoden reichen von einfach bis raffiniert – manchmal werden die Zutaten schlicht in einer gewürzten Brühe geköchelt, manchmal auf aufwendige Weise gebraten und geschmort.“
Es ist selten, dass meine Familie nach einigen Rezepten vorsichtig fragt, wie viele ich denn noch ausprobieren MUSS. Hier waren sie sehr dankbar, als sich die Rezension dem Ende zuneigte, leider! Sicher war das Thema „Authentischer Geschmack“ vor 16 Jahren, als das Kochbuch geschrieben wurde, noch nicht so ein zentrales Thema wie heute. Dennoch vermisste ich eindeutig die Tiefe an Aromen, geschmacklich blieben die Rezepte oberflächlich. Ich hatte auf eine Fülle neuer Curry-Rezepte gehofft, und so bleiben bis auf Weiteres beim Thema Curry Atul Kochar und Emily Dobbs meine ewigen Favoriten.
Wer eine theoretische Einführung in das Thema Curry und die Gewürze Asiens sucht, wird in diesem Kochbuch fündig – mit viel Hingabe bringt uns Vivek Singh die Aromen und Techniken seiner Heimatküche nahe. Leider bleiben die fünf 1:1 nachgekochten Rezepte geschmacklich weit hinter meinen Erwartungen zurück und können mich nicht überzeugen.
Veröffentlicht im August 2022
Liebe Julia!
Welches Buch von Atul Kochar empfiehlst Du?
Ups, danke für die Nachfrage. Ich habe die Atul Kochar-Empfehlung direkt mit unserer Rezi verlinkt! Herzlichst