Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Beim Campen gibt es abwechselnd Dosenravioli oder Billo-Fleisch vom Grill? Seit Hashtags wie #vanlife die Klischees vom Urlaub im Mobil, Anhänger oder Zelt umkrempeln, kriegt auch die klassische Campingküche ihr Fett weg – nicht zuletzt dank Viola Lex und Nico Stanitzok.
Wenn wir „Dickerle“, unseren Camper, auf die Straße schicken, dann immer mit einem Satz Urlaubsessen im Gepäck: Gnocchi mit Pinienkernen, Basilikum und Käse, Nudeln mit Linsenbolognese oder eine „Junggesellengericht“ genannte Reis-Bohnen-Jagdwurst-Pfanne sind solche Lieblinge. Kriterien: Die Zutaten sind entweder leicht zu beschaffen oder gut lagerbar und zur Zubereitung reichen zwei Flammen und überschaubares Equipment. Wenn eine Ausfahrt länger als drei Abendessen dauert, wird die Auswahl irgendwann dünn – und die Frage „Was wollen wir essen?“ gerät In-the-middle-of-nowhere leicht zur Grundsatzdiskussion. Was dagegen hilft? Gute Planung – und „Rezepte für Reiselustige“ wie die von Viola Lex und Nico Stanitzok.
Zwei, die wissen, wo’s langgeht
Die Food-Redakteurin (Foto links) und der Blogger und Kochbuchautor (Foto rechts) haben Camping in allen bekannten Darreichungsformen durchexerziert: Im Wohnwagen, im Zelt, am Strand, im Feld. Sie wissen, dass man im Urlaub keine Lust auf stundenlanges Rühren hat oder Berge von Abwasch hat. Aber eben auch nicht (immer) auf Bratkartoffeln, Nudeln und andere Verlegenheitsessen. Und weil man in der Wildnis in der Regel weder WLAN findet, um schnell was zu googeln, noch üppig sortierte Supermärkte, war es klug von den beiden, ihre Lieblingsrezepte oldschoolesk auf Papier zu sammeln.
Da geht es nach einer eher dünnen Einleitung („Welcher Campingtyp bin ich?“ – gähn!) zunächst um Vorräte, die man zu Hause anlegt: Einen Bircher-Müsli-Mix fürs schnelle Frühstück zum Beispiel, Grundzutaten wie selbst gemachtes Ketchup in zwei Varianten oder einen Kuchen im Glas. Und da wird es für mich etwas diffus: Warum gehört dieser Kuchen zu den Vorräten, während selbst gebackene Cracker, Nussmischungen oder belegte Brote schon im Kapitel zur Fahrtenverpflegung stehen? Und auch da: Wer grillt auf dem Autobahnrastplatz noch schnell die Sandwiches mit Schinken, Ricotta und Feigen zu Ende oder backt Pancakes ohne Ei? Abgesehen von den Rezepten aus dem Grillkapitel bzw. den Instant-Essen zum Selbermischen scheint der Rest eher willkürlich unter Überschriften wie „Genial regional“ oder „Draußen kochen“ verteilt worden zu sein. Das stört mich in der Praxis weniger, weil ich mich da ohnehin beim Blättern inspirieren lasse, man hätte das sicher aber auch anders lösen können – zum Beispiel mit Einteilungen wie „Kalte/Warme/Schnelle Küche“ o. Ä.
Einfache Essen mit viel Geschmack
Immerhin: Das mit der Blätterinspiration funktioniert prima – nicht zuletzt dank Brigitte Sporrers feinen Fotos und dem übersichtlichen, trotzdem liebevoll verspielten Layout (inklusive praktischer Zeitangaben und Piktogrammen zur Zubereitungsart übrigens!). Der erste Eyecatcher sind Käse-Gemüse-Nocken, die sanft in Gemüsebrühe gegart werden. Im Buch wird zur Packmaßreduktion fast ausschließlich ohne Waage gearbeitet – Mengenangaben sind also entweder in Stück- oder Volumenmaßen notiert. Ich vermute hier den Grund, dass besagte Nocken bei uns eher schleimig und zäh gerieten und ihre Form nicht sonderlich gut behielten: Ohne Beschaffenheitsangaben sind Tassenmaß-Teige eben gerne heikel.
Viel besser klappte der Country-Kartoffelsalat mit tollem Senfdressing, der es ad hoc in unser festes Camping-Repertoire geschafft hat – so gut! Ebenfalls bereits wiederholt wurde ein Apfelkuchen aus der Pfanne, der upside-down gebacken wird. Binnen einer guten halben Stunde steht frisch-fluffiger Kuchen auf dem Tisch – ideal für verregnete Nachmittage, an denen der Weg zum Bäcker im nächsten Ort zu weit ist. Die Blumenkohl-Käse-Kroketten briet ich dagegen lieber zu Hause, denn den Abwaschaufwand von Kohlkochtopf, Teigschüssel und Bratpfanne fand ich ebenso unattraktiv wie die Aussicht auf hartnäckigen Öl-Käse-Kohl-Geruch in Textilien. Bett und Herd sind beim Campen nun mal nicht allzu weit voneinander entfernt (es sei denn, man zeltet) und auf Fritteusen-Feeling stehen wir eher nicht. Aber: Auch hier gelingt Lex und Stanitzok der Spagat zwischen wenigen Zutaten und viel Geschmack perfekt – und das ist, was beim Campen zählt.
Ach ja: Viele gute Tipps und Tricks für die Küche ohne Küche findet man zwischen den Rezepten und zum Schluss in praktischen Packlisten, die sich ziemlich gut mit unseren Erfahrungen decken (= das ist längst nicht bei jedem Campingkochbuch der Fall). Yay!
Hit the road, Jack! Mit Lex‘ und Stanitzoks Campingkochbuch im Gepäck wird beim Essen unterwegs nicht viel schiefgehen – vorausgesetzt, man lässt mitunter etwas Augenmaß walten und nimmt die Kapitelüberschriften nicht beim Wort. Dann belohnt guter und besonderer Geschmack – here, there and everywhere!
Veröffentlicht im Mai 2019