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Katharina Höhnk

Kochbuch von Tine Giacobbo & Katharina Sinniger: Suppenkochbuch ★★★

Suppenkochbuch
Tine Giacobbo & Katharina Sinniger
Fotos Nadja Athanasiou
Echtzeit Verlag (2014)

Drei Sterne: Hat Stärken, aber überzeugt nicht ganz.

Katharina Höhnk

Von

Wenn Nachbarn des kochenden Gewerbes nach kulinarischem Genuss ausgewählt werden würden, dann hätten Tine Giacobbo und Katharina Sinniger freie Hand, wo sie ihr Limmat-Lädeli betreiben. Nein, sogar mehr, täglich würde der Postbote ihnen Angebote im Dutzend zustellen von Hoffenden, die in der Nachbarschaft eine Suppen-Küche wie die ihre willkommen heißen möchten. Also aufgepasst Zürich.

Denn im Zürcher Kreis 5, in der Limmatstrasse 259 liegt der Suppenladen von Tine Giacobbo und Katharina Sinniger. Die beiden stehen schon seit 1982 gemeinsam am Herd, mal so mal so, genau so seit 2001. Christian Seiler, ein Liebhaber der Sprache, der den Ton einfach immer richtig trifft, beschreibt die „vielseitige Liebesgeschichte“, das Auf und Ab vom Leben der beiden und der beruflichen Limmat-Lädeli-Werdung, wie sich all das letztlich schnurstracks auf das Ereignis – der Geburt des Suppenkochbuchs – zu bewegte.

Aus der Bilderkraft der gegenwärtigen Kochbücher kommend ist die Ankunft in diesem Buch fordernd, die Sympathie für die beiden Autorinnen wirkt jedoch ungemein motivierend. Das Einlesen ist praktisch (zeit-)intensiver. Zum einen, weil die Rezepte nackt und knapp daherkommen. Wenig Fotos und 95%-Konzentration auf die Rezepttexte. Zum anderen weil der Beginn eines Suppenrezepts fast schon soldatisch einheitlich ist: Zwiebel, Ruebli, Lauch. Bis die Leserin den Clou der Zutat oder Zubereitung raus hat, vergehen die Zeilen. Der bewährte Trick, einen kleinen persönlichen Teaser voranzustellen, der in Kürze das Wesen herausstellt, wäre bei mir auf viel Gegenliebe gestoßen.

So helfen grob die Kategorien, die sich ohne Inhaltsangabe erst beim Blättern offenbaren: Rezept für Feld, Wald und Wiese, Kraut und Rüben, Land und Leute, Freude aus dem Süden, Entfernte Verwandte, Kühl und frisch, Frischer Fang, Es riecht nach Sonntag, Mit der großen Kelle und Von Grund. Manche Suppen sind Ouvertüren, manche die Oper: Radieschencremesuppe, Bayerische Schwarzbrotsuppe, Berliner Weiße, Schwarze Bohnensuppe, Berglisuppe, Seufzersuppe um ein paar Namen zu nennen.

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Der kulinarische Anker ist deutlich die Schweizer Heimat. Hier trifft man auf Besonderheiten wie die Berner Luftsuppe und Luzerner Buttersuppe oder die Waadtländer Bauernsuppe. (Erstere beiden finden sich übrigens nicht unter B und L im Inhaltsverzeichnis.) Nur manche davon ziehen ihr Dasein aus einer regionalen Zutat, die eine Köchin im deutschsprachigen Norden fern der Grenze nicht so schnell importieren könnte, aber ersetzen lassen sie sich, selbst wenn die geduldigen Schweizer die Hände über den Kopf schlagen angesichts der freien Adaption. (Links: die Autorinnen)

Die Suppen zeigen ihre Stärke in der klassischen Komposition. Es geht nicht um moderne Raffinessen, wie Sonja Riker in München sie sucht. Bei der Bergeller Pilzsuppe führt das bei mir zur strahlenden Renaissance der Pilzsuppe per se. Meine Gäste waren berührt von der Eleganz und Tiefe, die in der Zubereitung herrlich simpel war (aber seinen Preis an der Kasse hat). Ein andermal ging mir das kulinarische Genuss-Konzept pur zu weit: ein kreativer Finish für die Kohlräblisuppe aus Milch/Rahm, Kohlrabi und Apfel wäre der wohltuende Punkt am Ende des Satzes gewesen. Die Leerstelle war allzu deutlich. Aber vielleicht hatten die Autorinnen die souveräne Leserin vor Augen, die mit Begeisterung aus dem Frage- eine Ausrufezeichen macht.

Aber. Erwähnt werden muss der Stolperstein – die Suppenmengen. Das Suppenbuch möchte generell 4-6 Personen zufrieden machen. Wie viel Flüssigkeit eine Suppe jeweils braucht, hängt ja letztlich von der Einlage ab, Kochzeit und dem persönlichen Geschmack, wie voll der Suppenteller zu sein hat; das unterscheidet sich von Koch zu Köchin. Meine Mutter rechnet 150 ml pro Teller, ich 300 ml (Nachschlag!) – aber die beiden Autorinnen schlagen eine beeindruckende Bandbreite vor: von 1 l Flüssigkeit (Würzige Erdnusssuppe) bis 3 l (Union-Square-Suppe). Letzteres rückte gefährlich nah an die Suppenkatastrophe, die jede Köchin fürchtet – die Wässrigkeit. Der Grund, wie das ins Buch gelangte, liegt für mich auf der Hand: Das Umrechnen von den großen Suppenküchen-Einheiten aus dem Limmat-Lädeli zu den Kochbuch-Format-tauglichen wollte seinen Tribut. Sehr schade, denn ein Manko.

Eben auch hier muss man selber denken. Das lohnt sich. Meine Entdeckung sind die Rezepte, die mit Nusseinlage in Form von Erdnussmus und Tahini verfeinert werden. Sie geben den Rezepten den Samt, was sonst die Sahne übernimmt, aber auf angenehm würzige Art.

Das Suppenbuch von Tine Giacobbo und Katharina Sinniger ist einerseits ein Sympathie-Werk von zwei Autorinnen, die ihrer Aufgabe mit Leidenschaft nachgehen und Gutes bewirken in ihrem Zürcher Limmat-Lädeli, einer Suppenküche. Außerdem ein Kulturgut-Bewahrer: Ein Schwerpunkt liegt auf regionalen Rezepten aus der Schweiz. Aber eben auch ein Kochbuch mit Rezepten aus aller Welt, klassisch und mit Klarheit auf den Punkt gebracht, die mitunter aber auch unfertig wirkten. Handwerklich gehe ich nicht mit dem Verlag d’accord. Man hätte den Leser mit einfachen Mitteln mehr abholen, hier und da Verfeinerungen bei den versierten Köchinnen abfragen und ein stärkeres Auge auf die Flüssigkeitsmengen haben können. Allerdings, sicher ein Trost, – für eine geübte Köchin sind das keine Hindernisse.

Veröffentlicht im Dezember 2014

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