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Katharina Höhnk

Kochbuch von Wagner-Lange, Grünig, Gmür-Stalder: Gong Fu Cha ★★★★★

Gong Fu Cha – Tee als Handwerkskunst
und das bewusste Genießen
Tina Wagner-Lange, Maurice K. Grünig,
Judith Gmür-Stalder
AT Verlag (2019)
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Fünf Sterne: Valentinas Liebling – zum Schwärmen gut.

Sabine Cikic

Von

Deutschland ist ein Kaffeetrinkerland. 2017 trank der Durchschnittsbürger mehr als 160 Liter des schwarzen Goldes. Der Teekonsum kann da nicht mithalten. Keine 30 Liter kommen pro Kopf und Jahr mit Grün- und Schwarztee gemeinsam zusammen. Zählt man den Konsum von Kräutern- und Früchtetees hinzu, werden es auch nur knapp 90 Liter. Das ist eigentlich verwunderlich. Denn Tee ist ein eigener, reicher Kosmos. Das Buch „Gong Fu Cha“ eröffnet einen Zugang zu dieser Welt.

Kochbuchautorinnen Maurice K. Grünig, Tina Wagner-Lange und Judith-Gmür-Stalder

Es ist ein prächtiges Werk, das der AT Verlag da herausgebracht hat. Und ein mutiges noch dazu. Denn was die Fotografin Maurice K. Grünig, die Tee-Spezialistin Tina Wagner-Lange und die Rezeptautorin und Foodstylistin Judith Gmür-Stalder (Foto links v. li. n. re.) hier erarbeitet haben, ist sicher kein Buch für den Mainstream.

Was mir auf Anhieb besonders gefällt und auch vorauszuschicken ist: Das Buch hat einen klaren Fokus auf China gelegt. Nicht ohne Grund: Das Land hat die wohl älteste Tee-Kultur der Welt. Es gibt Gräberfunde mit Teebehältern aus der Han-Dynastie (206-220 n. Chr.), woraus sich schließen lässt, wie lange sie zurückreicht. Bis zum 16. Jahrhundert war Tee in Europa weitgehend unbekannt. Dann importierten zuerst die Niedländer Tee. Das wirkt bis heute fort.

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Weitere Rezension: Kräutertee

Auf fast 420 Seiten reisen die Autorinnen zu den historischen Ursprüngen des Tees, stellen wichtige Anbaugebiete Chinas vor und zeigen, welche kulturelle Bedeutung das Getränk auch heute noch im Land hat, das weiterhin unangefochten Teeproduzent Nummer 1 ist – wovon nicht einmal 20 Prozent in den Export gelangen. Es gibt ein Bild (S. 63), das einen Stuhl neben einer Ladeneingangstür zeigt. Auf dem Stuhl stehen ein Teekännchen und eine Tasse, neben dem Stuhl eine Thermoskanne, sicher gefüllt mit heißem Wasser. Eine Einladung für den potenziellen Kunden, doch ein bisschen zu verweilen? Oder die Vorbereitung einer kleinen Pause des Ladenbesitzers? Beides ist absolut denkbar, denn Tee gehört einfach dazu.

Das Werk ist ein Grundlagenwerk, aber dabei nicht lexikalisch. Nach einem Einstieg zur „Geschichte des Tees“ geht es über „Die Herstellung des Tees“, „Das bewusste Genießen“ und „Die Zubereitung des Tees“ zu „Kochen mit Tee“, einem kleinen, feinen Kapitel, in dem mit Tee gekocht werden darf. Eine Chinakarte und ein Bildverzeichnis am Ende machen kenntlich, wo die Autorinnen waren und wo die zahlreichen Aufnahmen entstanden sind.

Kopfkino pur

Überhaupt diese Wahnsinnsfotos! Es sind, wie gesagt, viele, und es ist unfassbar, wie viel man aus ihnen lernen kann. Welchen Eindruck sie von China jenseits der gigantomanischen Metropolen und Ballungszentren vermitteln und wie nahe sie einem die Menschen bringen, das Handwerk und den Tee. Man kann sich verlieren in den Aufnahmen, denn sie beflügeln das Kopfkino. Allein die Aufnahmen von alten Teepflanzen, die zu beeindruckenden Bäumen herangewachsen sind, könnte ich stundenlang anschauen. Habe ich das vielleicht sogar getan und gar nicht bemerkt, dass ich meditiere? Aber auch die zahlreichen Aufnahmen alltäglicher Situationen, ganz ohne Tee-Bezug, sind großartig!

Kochbuch von Tina Wagner-Lange, Maurice K. Grünig, Judith Gmür-Stalder: Gong Fu Cha

Wer sich Zeit nimmt für dieses Buch, kommt unweigerlich zur Ruhe. „Gong Fu Cha“ ist nicht nur der Titel dieses Buches, sondern steht auch für die klassische chinesische Teezeremonie. Die Autorinnen schreiben zu Beginn, dass sie sich von ihr haben inspirieren lassen, denn der Ausdruck beinhalte „alle Schönheit, die dem Tee inne liegt“. Man kann sagen, dass sie diesem Motto treu geblieben sind und ihr Werk das widerspiegelt.

Wie nebenbei erfahren wir mehr über die Herstellung des Tees, seine Unterscheidung in weiße, gelbe, grüne, Oolong-, schwarze/rote und postfermentierte Sorten und wie diese jeweils zubereitet werden sollten. Vereinfacht wird zunächst zwischen zwei Varietäten unterschieden, camellia sinensis var. sinensis, die Klein-Blatt-Sorte, und camellia sinensis var. assamica, die Groß-Blatt-Sorte. Da die Büsche früher natürlich vermehrt wurden, bildeten sich über Jahrhunderte neue Teepflanzenvarietäten heraus, die sich ihren jeweiligen Anbaugebieten anpassten. Seit jedoch neue Teepflanzen überwiegend aus Stecklingen gezogen werden, sind die Pflanzen entsprechend genetisch identisch, was den Anbau spezieller Teesorten erleichtert.

Die Autorinnen erläutern für jede Teegruppe – weiß, gelb, grün, Oolong, schwarzer Tee und postfermentierter Tee – die verschiedenen Etappen im Herstellungsprozess. Ich freue mich, endlich mehr über hei cha, den postfermentierten Tee, zu lernen, denn dank wohlmeinender Freunde habe ich einige der gepressten kleinen und großen Scheiben im Vorrat, mit denen ich noch nicht so viel anzufangen wusste. Witzig, dass ich den Tee nun zunächst in einer Pilzsuppe gekocht habe!

Grundlagenwerk & eine kleine Sammlung Rezepte

Eine Auswahl von 32 versammelten Rezepten auf den letzten etwa 100 Seiten – hier wird sehr deutlich: es handelt sich eigentlich nicht um ein Kochbuch – bietet Anregungen, verschiedenen Speisen eine ungewöhnliche Tee-Note zu verleihen, die mal mehr, mal weniger deutlich zu schmecken ist. Hier finden sich Ideen für Tee-Zucker und -Salz, Blumenkohl mit Pu-Er-Hollandaise, Tee-Rührei, Lammfilet mit Tee-Rub oder Gerstensuppe mit Rauchtee.

„Die Buchseiten atmen Schönheit und Sinnlichkeit aus, zeigen aber auch Aufnahmen aus dem Hier und Jetzt, ganz frei von Folklorekitsch.“

Wir waren überaus angetan vom erdigen, tiefen Pu-Er-Aroma der Pilzcremesuppe, die noch dazu im Nu zubereitet war. Das Long-Jing-Salz und karamellisierte Teeblätter zu Vanilleeis werden wir auch wiederholen, dann jedoch mit einem selbstgemachten Vanilleeis, das gekaufte war leider zu süß und hat die zarten Teearomen etwas dominiert. Ein absoluter Keeper, der es direkt ins Repertoire geschafft hat: der Grüntee-Cake, der mit seiner elegant-schlichten Erscheinung und seinem feinen, zarten Geschmack einfach umwerfend gut ist. Hier darf es unbedingt guter Long-Jing-Tee sein, der verwendet wird.

Im Rezeptteil gefällt mir zudem, dass die Autorinnen hier viel Freiraum geben. Fast immer heißt es „Grüntee nach Wahl“ oder „Teeblätter nach Belieben, z. B. …“. Das wirklich ausgezeichnete Granola-Rezept habe ich nun schon mit mehreren Süßungsvarianten und Teesorten nachgebacken, immer war es etwas anders, immer aber wirklich sehr, sehr lecker.

Die Autorinnen begegnen in „Gong Fu Cha“ der Natur und dem Handwerk der Menschen mit viel Achtung. Beeindruckende Fotos nehmen den Leser mit und zeigen, wie aus der Teepflanze über die verschiedenen Stufen der Verarbeitung ein Genussmittel wird. Die Buchseiten atmen Schönheit und Sinnlichkeit aus, zeigen aber auch Aufnahmen aus dem Hier und Jetzt, ganz frei von Folklorekitsch. Der feine, kreative Rezeptteil ermuntert, den Tee auch in der Kochkunst zu entdecken. Für Tee- und China-Fans ein Muss.

Veröffentlicht im Oktober 2020

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