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Katharina Höhnk

Kochbuch von Tim Anderson: Japan easy vegan ★★★★

Japan easy vegan – Klassische & moderne vegane japanische Rezepte, Tim Anderson, Fotos: Nassima Rothacker, Südwest Verlag (2021)

Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.

Charlotte Schrimpff

Von

Wenn es zwei Dinge gibt, die man spontan nicht mit japanischer Küche assoziiert, sind das triviale Zubereitung und Veganismus. Und entgegen aller Bestrebungen für mehr Authentizität und Wokeness beim Besuch in „fremden“ Küchen – Stichwort: Wer darf was wie kochen? –, hat der gebürtige US-Amerikaner Tim Anderson in „Japan easy vegan“ beides zusammengebracht. Ein Himmelfahrtskommando?

Kochbuchautor Tim Anderson (© Nassima Rothacker)
Kochbuchautor Tim Anderson (© Nassima Rothacker)

Zumindest ist Tim Anderson (Foto links) mit diesem Ansinnen nicht allein. Auch Stevan Paul hat kürzlich ein rein vegetarisches Japan-Kochbuch geschrieben, das auf Alltagstauglichkeit und Geschmackserhalt setzt. Zwei weiße Dudes also, die sich da mal ein bisschen „reingenerdet“ haben, dabei aber ungefähr alles falsch machen, wie es die Rice-and-Shine-Podcasterinnen Vanessa Vu und Minh Thu Tran neulich am Beispiel vietnamesischer Küche diskutierten? Denn: „[…] Japan [ist] nicht gerade offen für Veganer […], nicht einmal für Vegetarier“, bekennt Anderson selbst im Vorwort. Er, der zwei Jahre in Kitakyushu gelebt und zuvor „Japanese Food History“ am College studiert hat, ist sich der Fallhöhe seines Vorhabens durchaus bewusst. Aber: In Japan habe er verstanden, was es bedeute, richtig zu würzen – etwas, das „klassisch“-fleischloser Küche im Westen mitunter abgeht. Woraufhin Anderson eins und eins zusammenzählte.

Was schmecken wir, wenn wir schmecken?

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Beziehungsweise dividiert er die Sache – Geschmack – zunächst auseinander, zum Beispiel in die chemischen Umami-Bestandteile Inosinsäure, Guanylsäure und Glutamat. Und bevor Sie sich sorgen, ihr Chemie-Grundkurswissen reaktivieren zu müssen oder nur noch mit dem MNG-Fläschchen zu wedeln: Anderson geht es in seinem Crashkurs zu Beginn des Buchs ausschließlich darum, zu zeigen, wie Aroma entsteht und wo es jenseits von Fleisch und Fisch zu finden ist.

Entsprechend ausführlich ist das Kapitel zu Warenkunde und Würzgrundlagen. Die Basis von (fast) allem: Dashi – und zwar ganz ohne den traditionellen Trockenfisch. Anderson zieht diese japanischste aller japanischen Brühen aus der Alge Kombu, die er dazu röstet, was zu einem nennenswerten Mehr an Geschmackstiefe führt; wahlweise aus Pilzen oder der Kombination dreier Meerespflanzen.

Kochbuch von Tim Anderson: Japan easy vegan
Kochbuch von Tim Anderson: Japan easy vegan

Mit einem Topf davon im Kühlschrank hat man nahezu freie Hand, sich in den Kapiteln „Snacks, kleine Gerichte & Beilagen“, „Hauptgerichte“ und „Große Reis- und Nudelgerichte“ zu verlustieren (die „Nachspeisen & Drinks“ kommen freilich ohne aus). Mehr als 80 vegane japanische oder japanisch inspirierte Rezepte hat Anderson so unter dem wertigen, goldglänzenden Relief-Deckel zusammengetragen. Einerseits tierfreie Fassungen von ikonischen Gerichten wie Sushi, Ramen oder Gyoza, aber auch wesentlich lockerere Interpretationen wie Pesto-Udon oder Französische Zwiebel-Ramen.

Vorweg liefert der Autor Erläuterungen zu Genese, Vorbildern oder Ursprüngen einer Idee sowie Schwierigkeitsangaben, die allesamt fantasievolle Variationen des titelgebenden „easy“ sind (Übersetzung: Gabriele Leo Hoffmann). Die Gestalterinnen vom Evi. O. Studio haben dafür ein schlichtes, dennoch detailverliebtes und sehr japanisches Layout gefunden, das hervorragend zu den puristischen Fotos von Nassima Rothacker passt.

Schnell, leicht, lecker

Der Autor über sein Buch:

„Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen: Dieses Buch wird Ihnen nicht vermitteln, wie man fade ‚vegane Variationen‘ von japanischen Fleisch- und Fischgerichten produziert, denn sie würden einfach nicht schmecken, und für fehlenden Geschmack gibt es keine Entschuldigung.“

Und in der Praxis? Unser Start mit Avocado-Gurken-Maki, die eine Umhüllung aus Cornflakes und Shichimi knusprig machen, war nicht ungelungen, denn der Nori-Meeresgeschmack führte den Mann gleich auf eine falsche Fährte („Was ist das für Fisch?“). Umsetzung: Ohne Sushimatte nicht ganz trivial, aber mit ein bisschen Übung gut zu schaffen. Und: Dank Andersons Tipps geht mir beim Reiskochen à la japonaise künftig nichts mehr schief.

Noch besser gefielen die wirklich sensationell schnellen Ramen, die von einer tiefen Dashi-Miso-Sesampasten-Basis leben, und gekühlte Soba-Nudeln, zu denen wir an einem Sommerabend Variationen von Edamame aßen. Kein Gericht, bei dem uns „etwas“ gefehlt hätte, keines, das mit überbordendem Aufwand verbunden gewesen wäre, und keins, das nicht auf sehr feine, leichte Weise gesättigt hätte. Doch, das macht Spaß!

Anderson ist an vielen Stellen bemüht, möglichst nah am Original zu bleiben – und an anderen mutig genug, seine eigenen Erfahrungen ins Spiel zu bringen. Ob er das darf? Darf ein gebürtiger Amerikaner an den Grundfesten traditionell-japanischer Küche rütteln und sie tierfrei und „einfach“ erzählen? Diese Frage müssen andere beantworten. Wir können sagen: Schmeckt!

Veröffentlicht im Januar 2022

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