Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Erfolgreiche Sterneköchin, liebende Mutter und leidenschaftliche Kochbuchautorin – Tanja Grandits strotzt offensichtlich vor Energie und Tatendrang. Das merkt man „Tanja vegetarisch“ auf allen 336 Seiten an. Was ihre „grünen Lieblingsrezepte für jeden Tag“ außerdem auszeichnet …
Das verflixte siebte Kochbuch sei ihr „Liebling“, sagt 2-Sterne-Köchin Tanja Grandits (Foto unten) über ihren neusten Bestseller „Tanja vegetarisch“. Und sehr persönlich ist der außerdem geworden. Im Lockdown-Jahr entstand er bei ihr zu Hause in Basel und wurde „vor allem ein Buch für Emma“, Grandits’ Teenager-Tochter.
Und den Eindruck macht die vegetarische Fortsetzung des Vorgängerbandes „Tanjas Kochbuch“ tatsächlich auf den ersten Blick. Aufgeteilt ist es in die Kapitel: „Frühstück“, „Snacks und Sandwiches“, „Salate“, „Suppen“, „Hülsenfrüchte“, „Gemüse und Kartoffeln“, „Reis und Pasta“, „Aus dem Ofen“, „Desserts und Käse“ und „Schatzkammer“. Vor allem bei der letzten Kategorie schöpft sie aus dem Vollen und stellt verhältnismäßig ausführlich ihr Best-of für Pestos, Fonds, Öle, Dressings, Salze und Chutneys vor. Und was da alles Verwendung findet.
Gemüse – ein Trend, der anhält
Ein paar Signature-Zutaten, die es ihr aktuell angetan haben, kommen immer wieder vor. Sie liebt Kartoffeln, gerösteten Sesam, Tahin und Kümmel. Außerdem wird es mit Chili regelmäßig verschärft und aus der asiatischen Ecke lassen Misopaste und Sojasauce grüßen. Seltener zu haben, aber optisch auch immer wiederkehrendes Element bei ihr: die zarte Fenchelblüte.
Sie findet sich außerdem als Logo ihres Restaurants auf ihrer Website wieder – und seit Kurzem sogar als Tattoo auf Grandits’ Unterarm. „Die Fenchelblüte ist für mich ein Symbol für Geschmack und Schönheit.“ Überhaupt mag ich ihre aufrichtige Verbeugung vor der grünen Küche. „Gemüse ist ein Trend, der anhält. Das Bewusstsein der Leute, dass einem Gemüse guttut, dass niemand dafür sterben muss, nimmt zu“, sagt Tanja Grandits in einem Interview.
Ihr gelingt mit dem Buch ein fantastischer Spagat. Denn mit ihren 2 Sternen fürs „Stucki“, aktuell 19 Punkten vom GaultMillau und dessen mehrfacher Auszeichnung für sie als „Koch des Jahres“ (ja, in Frankreich kam das mit der Genderfreundlichkeit bis 2020 auch noch nicht an) müssen die Erwartungen an ein neues Kochbuch von Tanja Grandits hoch sein.
Hallo Aromen- und Konsistenzenspiel!
Die löst sie komplett ein. Ihre Gerichte zeichnen immer noch durch einen Twist aus, das gewisse Genussextra, das auf dem Teller dann wirklich den Unterschied macht. Nur zwei Beispiele für gekonnte Konsistenzen: Die Polenta in den Mais-Salbei-Frittern etwa, genauso wie die Shiitake-Chips als Topping für die Pilzpeso-Udon. Dann spielt sie weiter mit Aromen und Zutaten; ergänzt ganz selbstverständlich bei Franzbrötchen schwarzen Kardamom oder ersetzt beim Koriander-Hummus einfach Kichererbsen durch rote Linsen.
Noch schöner finde ich persönlich aber, dass die meisten Rezepte machbar bleiben. Klar gibt’s dann auch die Burrata, für die ich aus Basilikum sowohl einen Honig als auch ein Öl ansetze, weil es zu gut aussieht. Aber die meisten der 160 Gerichte kommen mit deutlich weniger Zeit aus. Schließlich sollen es grüne Lieblingsrezepte für jeden Tag sein und deshalb „einfach und genussvoll“.
Tanja Grandits:
„Gemüse ist ein Trend, der anhält. Das Bewusstsein der Leute, dass einem Gemüse guttut, dass niemand dafür sterben muss, nimmt zu.“
Ein paar verzeihbare Kleinigkeiten fielen mir trotzdem ins Auge. Mit ihrer Heimat der Schweiz musste ich beim Wording ab und an überlegen. Weil ich nicht wusste, dass Randen Rote Beten sind. Außerdem vertut sie sich bei den Mengen gelegentlich. Der Teig für die Haferflocken-Waffeln mit den wahnsinnig leckeren Karamell-Bananen reichte nur für vier Waffeln. Dafür sprengen die 200 Gramm „Rollgerste“ (= Graupen) die Karottensuppen-Menge. Ich mag nicht drei Tage in Folge dieselbe Suppe auslöffeln.
Dafür hätte ich sehr gern die fotografierten Variationen ihrer „Hummus-Party“ ausprobiert. Im Bild: Der Klassiker mit Sesamsamen dekoriert, neben einer knallgrünen Variante mit Basilikum und Granatäpfeln in einer pinken Schale. Nur steht daneben lediglich das Grundrezept beschrieben. Das muss beim Verlag durchgerutscht sein. Wenn nicht, finde ich die Party irgendwie schräg.
Abwechslungsreiche, vegetarische Küche sind mein heiliger Gral und ich mag jede:n, der/die sich ihm mit Hingabe widmet. Mit seinem gekonnten Mix aus Aromen, Kräutern, Konsistenzen und dem Sprung über sämtliche Ländergrenzen bereichert dieses grüne Kochbuch mein Rezepterepertoire definitiv. „Gutes Essen ermöglicht es einem, gut zu denken, gute Ideen zu haben und richtig zu handeln“, sagt Tanja Grandits – und hat mit dem Buch alles richtig gemacht.
Veröffentlicht im Juli 2021