Zwei Sterne: Begeisterung sieht anders aus.
Ich mag Frühstück – sehr. Wenn ich mich nur noch von einem Typ Mahlzeit ernähren müsste, dann davon. Das Schöne ist ja: Es gibt morgens nicht viel, was es nicht gibt. Man denke an luftiges Brioche, gebackene Bohnen, chinesisches Congee. An Misosuppe, Shakshuka, Omelette. Ach ja, und: an Brot und Butter und Marmelade. Frühstück geht immer, weshalb ich das Konzept des „Brinner“ – also die Paarung von breakfast und dinner – für ausdrücklich gelungen halte.
Tanja Dusy (Foto u. li.), die Kochbücher in einem Tempo schreibt wie andere twittern, und ihre Kollegin Inga Pfannebecker (Foto u. re.), von der es bereits einige Frühstücksrezepte gibt, haben sich einen Band lang darauf konzentriert: Morgenmahlzeiten, die man getrost auch mittags und abends essen kann (meinetwegen auch direkt nach dem Aufstehen, aber dazu später mehr).
Ähnlich wie in „Smörgås“, einer der mittlerweile unzähligen Vorgängerveröffentlichungen Dusys im EMF Verlag, sind die Rezepte thematisch gruppiert: Beim bayerischen „Brinner“ werden Obatzder, Brezelhappen, Weißwurst- und Eiersalat kredenzt, in Mexiko kommen Churros, Tacos und Huevos Rancheros auf den Tisch.
Kater bekämpfen Hackbällchen, Heringssalat und Hot-Dog-Pancakes, und wer sich nach kalifornischer Sonne sehnt, schmeckt der mit Avocado Bowl, Tuna Poke und Banana Bread nach. Wie und warum die Arrangements entstanden, erzählen die Autorinnen in den Kapitelvorworten – und erklären da auch, wie man die Tafeln variieren könnte.
Nimm zwei …
Optisch sind sie ein Fest: Den Foodbloggern Tina Bumann und Patrick Rosenthal ist es gelungen, die Essen opulent zu inszenieren und trotzdem „realistisch“ aussehen zu lassen, denn die zugehörigen Rezepte lesen sich vergleichsweise kurz. Ideale Voraussetzungen, um einen Schwung Freunde einzuladen und sich gemeinsam durch so eine Brinnerlandschaft zu essen. Genauso ausdrücklich sei es aber erlaubt, sich zu zweit auf ein, zwei Rezepte zu konzentrieren, meinen Dusy und Pfannebecker.
Also los! Am meisten lachten mich die Parathas vom „Bombay Brinner“ an, gebackene Teigtaschen, die mit kräftig gewürzten Kartoffeln, Erbsen und Koriander gefüllt werden. Dazu gibt es Spinat-Raita auf Basis von griechischem Joghurt. Bis Teig, Fülle und Beigabe verzehrfertig sind, darf man getrost eine Stunde Hands-on kalkulieren. Zeit, die sich leider nicht linear in Geschmack übersetzt: Mag ich die Kartoffelfülle als Teil des südindischen Frühstücksklassikers Masala Dosa wahnsinnig gern, weil sie so gut mit der feinen Säure der fermentierten Linsencrêpes harmoniert, fand ich sie in der deutlich neutraleren Weizenummantelung allenfalls nett.
Ähnliches erlebten wir mit den Eggs Benedict mit Blitz-Hollandaise vom „Brinner in America“: Dass mir das Sößchen beim Warmhalten geronn, ist nicht die Schuld Dusys und Pfannebeckers. Dass sich aber partout kein geschmackliches Ganzes aus Eiern, gebratenem Schinken, Hollandaise und der ebenfalls nach Buch gebackenen English Muffins einstellen wollte, schon. Mein anfänglicher Enthusiasmus: dahin.
Picky cook(ing)
Bevor ich mich an ein letztes „Brinner“ gewagt habe, habe ich sehr genau gelesen. Und dabei fiel einiges durchs Raster: Gebäcke, die mit ähnlich großen Hefemengen getrieben werden wie besagte English Muffins; Gerichte, für die ich vergleichbar viel Zeit hätte einkalkulieren müssen wie für die Parathas (wer, zum Henker, schafft irgendetwas davon vor dem Frühstück?); und alles, was irgendwie den Verdacht erweckte, dass mich das Ergebnis geschmacklich enttäuschen könnte.
Übrig blieben die Apfelwaffeln mit Preiselbeersahne aus dem Kapitel „für Süße“. Und die waren – toll! Zwar ist ein „normaler“ Waffelteig ein bisschen schneller verrührt – allerdings fehlt dem auch die Saftigkeit geraffelter Äpfel und der fein-herbe Biss der Haselnüsse. Die Sahne dazu – Himmel!
Wir halten fest: Einmal „yay“, zweimal „nett“ und zweimal „nein danke“. Üppig ist diese Bilanz nicht– vor allem nicht für eine Tanja Dusy, die bei Valentinas bislang auf Vier- bis Fünf-Sterne-Rezensionen abonniert war. Waren es in jüngerer Vergangenheit doch ein paar Buchprojekte zu viel? Harmonieren die Qualitätsstandards der beiden Autorinnen nicht? Die Auswahl der Gerichte ist schließlich gut, das Konzept von „Brinner“ an sich prima. Geschmacks- und Gelingfragen haben andere aber besser raus – beispielsweise Agnes Prus in „halb zehn“.
Veröffentlicht im Februar 2020