Fünf Sterne: Valentinas Liebling – zum Schwärmen gut.
Japanische Kochkunst ist viel mehr als Sushi und Sashimi, das hat sich rumgesprochen. Die wohl bodenständigste Spielart ist die Alltagsküche, wie sie in den einfachen Straßenlokalen und Restaurants der Großstädte zubereitet wird. Lieblingsküche, die Bauch und Herz wärmt: Nicht leise und fein-fein – sondern laut, heiß und voller Genuss!
Diese Küche lässt manchen europäischen Feinschmecker neidvoll mit der Zunge schnalzen – frischeste Produkte, höchste handwerkliche Präzision, hingebungsvolle Liebe zum Detail, und sagenhaft gesund soll das Ganze auch noch sein. Aber wie steht es um die einfache, schnelle Küche, die in Japans Metropolen tagtäglich Millionen Menschen satt macht? Der Japaner Tadashi Ono und der US-Amerikaner Harris Salat sind tief eingetaucht, und Japanese Soul Cooking ist das Ergebnis.
Schon das Cover – ein ganzer Bilderbogen kleiner, genussvoller Motive – lässt erahnen, dass hier eine ganze Koch- und Esskultur vermittelt werden soll. Als historischen Referenzpunkt für diese japanische Version der Soul Kitchen haben die beiden Autoren das Jahr 1872 markiert, als der Kaiser höchstpersönlich in aller Öffentlichkeit ein Stück Fleisch verzehrte – und damit eine neue kulinarische Ära einläutete. Rund ein Jahrtausend lang war Fleischverzehr im Kaiserreich verboten gewesen.
Aber Japanese Soul Cooking ist viel mehr als Fleisch allein. Zehn Kapitel gibt es für Ramen, Gyoza, Curry, Tonkatsu, Furai & Korokke, Kara-Age, Tempura, Okonomiyaki, Donburi, Soba, Udon, Itame & Chahan sowie Yoshoku, dazu ein Glossar zu den Zutaten, einige Adressen für Esslokale in Tokio und schließlich eine Umrechnungstabelle (Mengen und Maße sind in US-Einheiten angegeben). Fotos gibt es leider nicht zu jedem Rezept, dafür Schritt-für Schritt-Bilderreihen, und dazwischen immer wieder genussvolle Augenblicke.
Mit Ramen habe ich begonnen – jener Nudelsuppe, die mittlerweile auch außerhalb Japans Anlauf nimmt, um sich aus der Instant-Ecke zu befreien. Von wegen Fast Food! Die Vorbereitung der einzelnen Bauteile – Brühe, Gewürzmischung („tare“), Nudeln und die diversen weiteren Einlagen („chashu“) – erforderten reichlich Zeit und versetzten ein halbes Orchester an Töpfe und Pfannen in Schwingungen. Aber der Schlussakkord – die Zusammenführung der Bausteine in den Suppenschüsseln in der vorgeschriebenen Reihenfolge – war dann tatsächlich blitzschnell vollendet, und dies auch nochmal am nächsten und übernächsten Tag. Und wie köstlich – und viel zu schnell verspeist! Aber auch das gehört dazu – ganz heiß zu genießen, in maximal zehn Minuten, lautet die Regieanweisung.
Die meisten Zutaten habe ich in Asia-Shops problemlos gefunden. Mühsamer war es, passendes Fleisch zu bekommen, das hierzulande meist magerer produziert und nachgefragt wird als in Japan. Hierzu ein ganz persönlicher Tipp: Ich finde, es lohnt sich sehr, dem japanischen Geschmack zu folgen und zu den deutlich durchwachsenen Fleischstücken zu greifen, die den Geschmack vertiefen und abrunden. Gleiches gilt auch für rohe Eier, die nur im Kontakt mit anderen Speisen leicht angewärmt werden –unbedingt probieren!
Aber zurück zum Buch: Das Nachkochen fand ich nicht immer ganz easy. Wie die Ramen sind viele Rezepte nach einer Art Baukastenprinzip strukturiert, mit einem „Master Recipe“ als variabler Grundlage und dazu weiteren Bausteinen und Varianten, angereichert mit Informationen und Anekdoten. So erstrecken sich die Anleitungen gut und gerne mal über mehrere Seiten, angereichert mit vielen spannenden Erläuterungen, und die Zutatenlisten müssen von mehreren Seiten zusammengetragen werden.
Die Zubereitungsschritte sind überaus präzise beschrieben, die Zugabe der Zutaten im Halbe-Minuten-Takt vorgegeben, in der richtigen Reihenfolge, versteht sich. Gelingsicherer geht es kaum, aber mein eingespieltes „Handling“ wurde ziemlich auf den Kopf gestellt.
Kurz: Für „Heute Abend koche ich mal eben spontan Japanisch“ ist dieses Buch ungeeignet. Wer sich hier reinbegibt, muss sich auch mal durchkämpfen. Aber dafür ist es eben auch nicht nur eine simple, „westernisierte“ Rezeptesammlung, sondern ein Einstieg in eine ganze Koch- und Esskultur, und das lohnt sich allemal.
Japanische Alltagsküche, mitreißend: Gelingsichere Rezepte, eingebettet in eine Fülle an Informationen, die in Breite und Tiefe ihresgleichen suchen, dazu ein warmer, enthusiastischer Stil, herzlich und genussbetont. Nur ganz leicht ist der Einstieg hiermit nicht – aber Übung macht ja bekanntlich den Meister.
Veröffentlicht im Dezember 2015