Fünf Sterne: Valentinas Liebling – zum Schwärmen gut.
So schön kann Essen sein: Susann Probsts und Yannic Schons Kochbuch „Krautkopf. Vegetarisch kochen und genießen.“
Es ist Winter. Die Jahreszeit, in der warme Farben eine große Rolle spielen, sich ein weißes Kleid über die Natur legt und man sich des stillen Glücks besinnt, in der eigenen Küche all die Schätze zu verarbeiten, die Wald, Wiese und Garten uns liefern.
Perfekt zu dieser Stimmung passt Susann Probsts und Yannic Schons (links) Kochbuch „Krautkopf“, erschienen im Hölker Verlag. Märchenhafte und oft doppelseitige Bilder von Wäldern, Seen, verwunschenen Häusern und originellen Essensstätten wie Dachgärten und Loftküchen haben mich beim ersten Blättern in ihren Bann gezogen, zunächst mehr als die Rezepte. Deutsche Romantik in moderner Version.
Auf dem Teller: Obst und Gemüse aus der Heimat
Ein zweiter Blick in das Kochbuch der beiden Blogger offenbart die zweite Leidenschaft der beiden Autoren – neben der Fotografie: Zubereitung und Genuss phantasievoller, vollwertiger und dabei geschmackvoll zubereiteter Gerichte mit zumeist heimischen Obst- und Gemüsesorten. Das Vorwort wahrt dabei gekonnt die Balance zwischen Gesundheitsbewusstsein (kein raffinierter Zucker, selbst gemahlenes Getreide) und Genuss (Gewürze aus aller Welt und Kräuter spielen eine große Rolle).
Gemäß der Überzeugung, dass Wochenmärkte das bessere, da regional angebaute Gemüse liefern, unterteilen die Autoren ihr Buch nach den Jahreszeiten in vier Großkapitel, ergänzt durch ein kurzes Kapitel zu Grundrezepten und Mixturen wie Currys, Mandelmilch und Gemüsebrühe.
In jedem Kapitel finden sich neben wunderschönen, auch im Frühling leicht herbstlich anmutenden Fotografien kalte und warme herzhafte Gerichte sowie Süßspeisen und Rohkostsalate. Jedes Rezept ist bebildert, teilweise wird dem Obst und Gemüse im ungekochten Zustand ein ganzseitiger Auftritt gewährt, dabei offenbart sich die ganz eigene Sinnlichkeit frisch geernteter Radieschen und bunter Mangoldstiele.
Sogar machbar für berufstätige Eltern
Die Zutatenlisten der einzelnen Rezepte sind überschaubar, und auch wenn man für manche Gerichte einen Asialaden oder orientalischen Laden aufsuchen muss, stellt das Nachkochen den Leser nicht vor unlösbare logistische Probleme. Auch die Zubereitungszeiten und -schritte der Gerichte sind mit dem hektischen Alltag berufstätiger Eltern vereinbar, einzig die Einweichzeiten der gern und häufig verwendeten Hülsenfrüchte (Linsen, Kichererbsen, Bohnen) sollte man rechtzeitig in die Tagesplanung einbeziehen. Ich gebe zu, solche Kleinigkeiten gern zu überlesen – mein Training in Spontaneität. Ab und an hat mir im Kochbuch zwecks besserer Planbarkeit eine Zeitangabe zu den Gerichten gefehlt; dafür informieren die Autoren gewissenhaft darüber, ob ein Gericht vegan, glutenfrei oder laktosefrei ist.
Ein Genuss und wunderschön anzuschauen
Während ich die Rezepte vom Planungs- in den Umsetzungszustand überführte, wuchs meine Begeisterung über „Krautkopf“: nicht nur sehen die Gerichte genauso ansprechend aus wie auf den Fotografien, nein, sie schmecken ähnlich zauberhaft wie die Fotografien vermuten lassen, und mit zauberhaft meine ich Gerichte, die mir geschmacklich völlig neu sind, nicht „so ähnlich wie“, „typisch asiatisch“ o.ä. „Krautkopf“ hat Eigensinn, und der imponiert mir. Ob es das fruchtige Aroma eines mit alten Tomatensorten zubereiteten Tomatenrisottos ist, der herzhaft zubereitete Erdnuss-Tofu zum Gurkensalat oder die Kürbissuppe mit Gelber Bete, Kurkuma, Vanille und Zimt: Stets sind die Gerichte trotz ihres innovativen Charakters geschmacklich rund, und das hat bei uns dazu geführt, dass alle mitgegessen haben, nicht nur die eigenen Kinder, sondern auch befreundete und verwandte Gemüseverächter unter 12 und über 65. Kleiner Hinweis am Rande: Die Mengenangaben in den Rezepten beziehen sich zwar auf zwei Personen, reichen aber auch für vier bis fünf Menschen. Wer isst schon zu zweit zwei Köpfe Blumenkohl oder zwei Kilo Fleischtomaten?
Weil der Herbst mit wunderbaren Gemüsen aufwartet, wird meine Liaison mit „Krautkopf“ noch einige Zeit weitergehen: Auf der Liste der nachzukochenden Gerichte stehen neben dem Kürbis-Kichererbsen-Burger (mit gebratenen Pastinaken und veganer Mayonnaise) ein Regenbogensalat aus Rotkohl, Rosenkohl, schwarzem Rettich und Möhren mit Orangen-Tahini-Dressing und Rotkohlbällchen auf Topinambur-Hummus. Bei solchen Gerichten bleibt nur die Frage: Warum werden Kochbuch-Autoren eigentlich nie zu Poetik-Vorlesungen eingeladen?
Fünf Sterne für ein Kochbuch, in dem sich ein Kunstbuch versteckt. Oder ist es umgekehrt?
Veröffentlicht im Dezember 2015