Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Früher hatten Desserts ihren festen Platz, in der klassischen Reihenfolge nach Vorspeise und Hauptgang. Heute geht es bei Tisch viel ungezwungener zu, aber dennoch freut man sich, wenn es zum krönenden Abschluss eines Mahls noch etwas Besonderes gibt.

Die erfahrene Kochbuchautorin Susann Kreihe (Foto links) legt hier ein Buch vor, das sich vor allem an Anfängerinnen richtet. Gleich zu Beginn wird viel Grundlegendes zum Thema angesprochen, garniert mit allerlei Tipps. Dann folgen die Rezepte, nach Jahreszeiten geordnet. Den Abschluss bilden Grundrezepte von Klassikern wie Tiramisu, Crème caramel, Panna cotta und Vanilleeis. Es ist schon ein weites Feld, was sich hier auftut: vom gesunden Obstsalat über Pudding und Cremes bis hin zu Gebäck aller Art und Gefrorenem.
„Man nehme …“
Um es gleich zu sagen: Das Buch macht einen runden, durchdachten und gefälligen Eindruck, mit vielen schönen großformatigen Fotos. Und trotzdem hat das Buch bei mir die Frage ausgelöst, warum ich nicht so ganz zufrieden bin. Woran liegt es, dass mir manche Kochbücher besser gefallen als andere? Nun, am Thema kann es nicht liegen, auch nicht an der Gestaltung.
Zum Weiterlesen
Leseprobe beim Verlag
Website der Autorin
Mehr Kochbücher zum Thema Desserts bei Valentinas
Nein, es ist die Entwicklung der Kochbücher in letzter Zeit. In vielen Büchern ist die Distanz zwischen Autorin und Leserin kleiner geworden. Die Tipps, Erläuterungen und Erfahrungen werden inzwischen häufig so präsentiert, dass ich mich direkt angesprochen fühle. Kein vorschreibendes „man nehme“, wie das früher Usus war. Es wird erklärt, warum diese oder jene Vorgehensweise zu bevorzugen ist, oder es wird auf Alternativen hingewiesen. In solchen Büchern fühle ich mich nicht mehr als bloßes ausführendes Organ, das sich bitteschön genauestens an die Anweisungen halten soll. Schließlich lebt die Kochwelt von unzähligen Varianten, und mitunter gehen die Meinungen sogar extrem auseinander.
Hinein ins süße Vergnügen
Zugegeben, das waren jetzt Gedanken von jemandem, der nicht erst seit gestern den Kochlöffel schwingt. Für die vielen, die noch keine Erfahrungen gesammelt haben, mag es oft vorteilhaft sein, genaue Anweisungen zu bekommen und nicht durch Varianten und sonstiges „ja, aber“ verwirrt zu werden. Und damit zurück zum vorliegenden Kochbuch, das nach altbewährter Art „man nehme“ sagt. Also hinein ins süße Vergnügen, ganz nach den Worten der Autorin: „Wer freut sich nicht, sich nach einem gelungenen Essen ein schönes Dessert zu gönnen. Kinderaugen leuchten, wenn es an den Nachtisch geht.“ Und nicht nur Kinderaugen.

Ganz klassisch oder modern – von Fürst Pückler bis Popsicles
Das Entzücken ist groß, wenn man all die Köstlichkeiten sieht. Klassiker wie Fürst-Pückler-Eis-Gugelhupf, Herrencreme oder Kirschenmichl machen mir den Mund wässrig, aber auch neuere Kreationen wie Whoopies, Green Smoothie Popsicles oder Salzkaramell-Eis laden zum Ausprobieren ein.
Das gestaltet sich fast immer nicht besonders schwierig, denn die (nicht zu vielen) Zutaten sind größtenteils im Supermarkt zu bekommen, die Anleitungen sind präzise und die Zeit für die Zubereitung ist meist überschaubar. Gut, dass gleich zu Beginn jedes Rezepts vermerkt wird, wie lange man brauchen wird. Und auch gut, dass auf Kalorienangaben wohlweislich verzichtet wurde. Mithin ist gewährleistet, dass alles gut wird.
Susann Kreihe:
„Die hohe Kunst der Desserts hat sich in den vergangenen Jahren mit großen Schritten weiterentwickelt. Trotzdem sind die tiefen Fußspuren der französischen Patisserie in allem wiederzufinden und immer noch unübertroffen. In diesem Buch finden Sie sowohl Klassiker wie Birne Helene und Bûche de Noël als auch Abwandlungen und neue Kombinationen.“
Eine schwierige Frage: Was hat wann Saison?
Kleine Kritikpunkte seien dennoch erlaubt. Warum ist die übrigens köstliche Zitronencremetarte im Sommerkapitel untergebracht, obwohl Zitronen im zeitigen Frühjahr Saison haben? Und warum erscheint die Cassata alla Siciliana in der Rubrik Gefrorenes, obwohl sie allenfalls Kühlschranktemperaturen erlebt? Nun ja, Kleinigkeiten.
Anders wiegt, dass bei den gratinierten Honigfeigen der Honig komplett vergessen wird. Trotzdem würde ich das knapp 50 € teure Buch vor allem Anfängerinnen empfehlen. Es ist solide, wie man das von einem Grundkochbuch erwarten kann, präzise in der Sprache und es bietet ein breites Spektrum von Speisen, sodass für jeden Geschmack etwas dabei sein sollte. Nein, natürlich weitaus mehr als etwas.
Wer ein Faible für Desserts hat, kommt mit dem Kochbuch Desserts von Susann Kreihe voll auf seine Kosten – seien es altbekannte und bewährte Gerichte oder neuere oder sogar trendige. Seien es Gebackenes oder Gefrorenes oder schaumig Gerührtes, alle Seiten des Themas sind ausgewogen berücksichtigt. Es ist durchdacht und rund umgesetzt. Vermisst habe ich die Präsenz der Autorin – die Leseransprache fällt in klassischer wie distanzierter Manier aus, aber das tut den Desserts geschmacklich keinen Abbruch.
Veröffentlicht im Juni 2021