Zwei Sterne: Begeisterung sieht anders aus.
„Brunch ist tot – Lang lebe das Frühstück“ – ein ungewöhnlicher Titel für ein Buch. Und doch spricht er mir aus tiefster Seele – als bekennender Morgenmensch ist mir die Wartezeit bis zum Brunch viel zu lange. Dafür liebe ich Frühstückskreationen, die gerade am Wochenende die Routine durchbrechen.
Sonja Baumann und Erik Scheffler (Foto unten) betreiben gemeinsam das „Neobiota“ in Köln, das kaum eröffnet auch schon einen Guide-Michelin-Stern erhielt. Während Erik Scheffler nach seiner Kochausbildung in Chemnitz jahrelang durch Europa tourte und unter anderem bei Gordon Ramsey in London arbeitete, hielt es Sonja Baumann eher in Deutschland. Getroffen haben sie sich dann schließlich in Köln und nachdem sie 2 Jahre lang gemeinsam als Küchenchefs im Lärchenhof bei Köln sternereif kochten, beschlossen sie 2018, ihr eigenes Restaurant zu eröffnen.
Ihre Liebe fürs Frühstücken entdeckten die Sterneköche laut eigenen Angaben als Individualtouristen. So begannen sie einfach, tolle Orte fürs morgendliche Schlemmen zu suchen und danach das vorliegende Kochen zu entwickeln. Um es in ihren eigenen Worten zu sagen: „Lasst euch treiben, probiert, kreiert und streicht das Wort „Brunch“ aus eurem Wortschatz!“
Zwischen Haubenküche und Campingplatz
Manche Kochbücher überzeugen durch ihre Schlichtheit. Andere sind aufgrund ihres peppigen Designs und ihrer schrillen Handschrift einfach cool. Es gibt dann auch jene, die cool sein wollen, aber wo es irgendwie aufgesetzt wirkt. Letzteres passiert bei „Brunch ist tot“. Der jugendliche Camping-Stil schafft keine für mich sinnvolle Verbindung zu den Sterneköchen einerseits und dem Frühstücksthema andererseits. Es gibt zudem seitenweise Fotos der glücklichen Köche in ihrer Freizeit.
Die Rezepte-Zusammenstellung sei ein Resultat ihrer Reiselust und damit verbundenen Kreativität, so die Autoren. Von einer „Goldenen Shakshuka“ über „Bacon Pancakes“ bis hin zu „Katerbagel“ spannt sich das Spektrum. Schwerpunkte legen sie auf Cereals, Eier, Pancakes und geben auch Tipps, wie man das „Pausenbrot-Trauma“ bewältigen kann. Letzteres bringt mich zum Schmunzeln, da ich als Kind auch die immer gleichen Pausenbrote schon nicht mehr sehen konnte.
„Pancakes sind auch nur gebackene Luft“
Die Überschrift des Kapitels ist griffig, jedoch ist der Begriff „gebackene Luft“ bei einer Kombination aus Pancake mit Streuseln aus Butter und Zucker inklusive einer großen Menge Karamellsauce bei den „Apple Crumble Pancakes“ etwas irreführend. Da so gut wie alle Pancake-Rezepte in betreffendem Kapitel so fett und zuckerhaltig sind, dass ich sie einfach frühmorgens nicht essen könnte, blättere ich weiter. Liebhaber des kalorienhaltigen, deftigen Morgenbeginns werden sicher leichter in diesem Kochbuch fündig werden als ich.
Mein Highlight: Die Hausmüslimischung, die durch die Ofenröstung sehr aromatisch wird. Die Hibiskus- und Rosenblüten gehen leider im Cranberrysaft geschmacklich unter. Das schlichte Rezept bleibt dennoch das einzige, das mich begeistert.
Mein Ergebnis des Toastbrots ist im Hinblick Geschmack und Textur solide. Der Bratapfel-Porridge ist außerdem sehr aufwendig. Nach einer Stunde Arbeit stellen wir fest, dass er zwar gut schmeckt und es die Variation mit Buchweizen durchaus wieder geben wird, aber dass nach einer Portion mit Marzipancreme aus Marzipan und Sahne keiner mehr eine zweite schafft. Auch einen Morgenlauf danach kann ich nicht empfehlen.
Auch erschließt sich mir immer weniger, warum sich die Autoren so vehement für Frühstück und gegen Brunch aussprechen? Sind Shakshuka und Waffeln nicht „klassische“ Brunch-Rezepte? Warum sind sie dann dennoch in der Rezeptauswahl gelandet? Hier ist das Konzept des Kochbuchs für mich nicht immer schlüssig.
Wer nach Rezepten für üppige Waffeln oder Pancakes jenseits des Mainstreams sucht, wird hier fündig werden. Leider bleiben alle ausprobierten Rezepte geschmacklich hinter meinen Erwartungen. Aufgrund langer Zutatenlisten und Zubereitungszeiten sind die Rezepte eher für ausgedehnte Sonntagsfrühstücker (oder doch Bruncher?) geeignet. Schade!
Veröffentlicht im August 2020