Drei Sterne: Hat Stärken, aber überzeugt nicht ganz.
„500 authentische Rezepte aus allen Regionen“ des Subkontinents verspricht der Untertitel. Da indische Küche bei uns in hohem Ansehen steht – auch wegen der Vielfalt an vegetarischen Gerichten –, waren meine Erwartungshaltung und Vorfreude entsprechend hoch.
Auf fast 500 Seiten drängen sich die Rezepte, man hat es also mit einem schwergewichtigen, nicht unbedingt handlichen Kochbuch zu tun. Das Layout kommt gefällig daher, viele bunte Lunchboxen bestimmen das Bild, die Fotos der Speisen geben die farbenfrohe indische Küche wieder, ohne zu sehr gestylt zu sein. In der Einleitung schildert die junge in Mumbai lebende Autorin, die als Food-Redakteurin für Vogue India arbeitet, wie das Werk zustande gekommen ist. Sie zählt dann viele ungenannte Zuträger auf, von Großmüttern und sonstigen Verwandten über Freunde, Köche bis hin zu Hochzeitscaterern.
Verwirrende Symbole und spröde Titel, die kaum animieren
Das Symbol einer Servierglocke soll bei den Rezepten auf eine spezielle Herkunft hinweisen, doch habe ich nicht verstanden, was es damit genau auf sich haben soll. Irritiert hat mich auch ein anderes Symbol, das immer wieder im Buch auftaucht: zwei unterschiedlich farbige Punkte über manchen Rezepten. Es hat etwas gedauert, bis mir klar geworden ist, dass es sich dabei lediglich um ein Gestaltungselement handelt ohne weitere Bedeutung.
Bei 500 Rezepten kann man natürlich nicht erwarten, dass jede Speise mit einem Foto daherkommt. Andererseits haben dann Rezepte eher geringe Chancen, vom Leser wahrgenommen zu werden, wenn sie einen Titel haben, der eher nach Kantine klingt denn nach Gourmetküche. Das Buch beginnt zum Beispiel mit: „Kalte Tomatensuppe“ und „Gesunde, eiweißreiche Suppe“. Gut, meistens sind die Titel schon ansprechend und erklärend, aber ganz entschieden fehlt mir etwas, was den Reiz vieler Kochbücher ausmacht, nämlich persönliche Erläuterungen der Autorin, spezielle Tipps und traditionelle Hintergründe. Ohne derlei Anmerkungen hat das alles eher den diskreten Charme eines Bibliothekskatalogs. Viel Information, aber kein Funke, der zum Leser überspringen könnte.
Wie man ein Register nicht macht – ein abschreckendes Beispiel
Gegliedert hat die Autorin die Rezepte nach sechs Regionen, die Untergliederung erfolgt klassisch: Vorspeisen und Snacks, Geflügel und Eier, Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte, Vegetarisches, Reis und Brote, Desserts, Basics, Beilagen und Getränke. Das ist sinnvoll, denn die indische Küche ist eine regionale, auch wenn ich eine durchgehende klassische Ordnung bevorzugt hätte. Allerdings wäre dann wahrscheinlich aufgefallen, dass sich etliche Gerichte doch ziemlich ähneln bzw. nicht deutlich gemacht wird, was sie ausmacht.
Über eine optimale Gliederung kann man natürlich trefflich streiten. Sie ist auch dann eher nicht so wichtig, wenn es ein Register gibt, das mit treffenden Stichwörtern gefühlte Unebenheiten ausgleicht. Das hier vorliegende Register kann ich jedoch nur als Katastrophe bezeichnen. Keinerlei Stichwörter, dafür ein alphabetisches Titelregister, das durch einleitende Adjektive nicht einmal ansatzweise eine Suche ermöglicht. Zur Illustration hier einige Schmankerl: „Beliebter Schweinefleischsalat“, „Erfrischender Joghurtreis“, oder – eines der Highlights – „Ein kulinarisches Vermächtnis Britisch-Indiens“.
Es gibt auch Positives zu vermelden
Gibt es denn gar nichts Positives? Doch – das Glossar mit seinen schönen Fotos und auch das hilfreiche Kapitel mit Grundrezepten haben ein Lob verdient. Die Anleitungen sind meist übersichtlich und leicht zu befolgen, auch die Zutaten sind nur selten so exotisch, dass die Beschaffung schwierig wird. Allerdings haben die Mengen mitunter eine größere Bandbreite, von kleineren Portionen bis hin zu Gerichten, die wohl aus der Feder eines Hochzeitcaterers stammen.
Abgesehen davon habe ich vor allem Speisen gefunden, die ich so oder ähnlich bereits aus Restaurants kannte. Meist lassen sie sich ziemlich einfach in der eigenen Küche realisieren. Highlights waren für uns die etwas unscheinbaren Kichererbsenklößchen in Joghurtsauce, aber auch das Kokos-Fisch-Curry mit seiner reichen Palette an Aromen. Schön auch, dass vieles in einer überschaubaren Zeit auf den Tisch kommt und so auch unter der Woche für willkommene Abwechslung sorgen kann.
Schade. Dieses umfangreiche Buch hätte mit ein wenig mehr Aufwand und Sorgfalt solch ein Standardwerk werden können wie Marcella Hazans „Die klassische italienische Küche“. Leider gehen viele sicherlich entdeckungswürdige Rezepte unter, weil sie nur lieblos aneinandergereiht und nicht erläutert, nicht angepriesen werden. Bei Rezepten aus Küchen, die der unseren näher stehen, mag das verzeihlich sein, bei einer exotischen Küche wie der indischen verleiten allzu spröde Titel und fehlende Anreize wie etwa Fotos eher zum desinteressierten Weiterblättern, was die Rezepte nicht verdient haben. Denn die sind ausgezeichnet.
Veröffentlicht im Januar 2021