Zwei Sterne: Begeisterung sieht anders aus.
Ich hatte mir dieses Buch als Bonbon aufgehoben und zwar als eine Art Urlaubsverlängerung. Meine Idee: nach drei Wochen Südkorea kulinarisch sanft zuhause ankommen und weiter genießen.
Denn aus Südkorea stammt Sohyi Kim, eine Köchin mit Renommee. Wien ist inzwischen ihr weiteres Zuhause. Ihre Küche interpretiert sie als Fusion, wie wir sie hier schon einmal vorgestellt haben. Kameras und Teleobjektiven lächelt sie gewinnend entgegen: auf dem Cover ihrer Neuerscheinung mit drei Gänseblümchen. Hm. Ich finde es immer schade, wenn Frauen von Format sich in eine „kleine“ Pose flüchten der Sympathie zuliebe.
Leicht = einfach?
Kim kocht leicht – Meine Energieküche ist ein schönes Buch. Foodfotografie und Layout lassen keine Wünsche offen – lebendig, appetitlich und übersichtlich. Mein Auge war sich so sicher, dass der kulinarische Hunger befriedigt werden wird und die Kochlust ungetrübt bleibt.
Die erste Irritation – der Titel. Wie hat die Autorin das Lieblingsadjektiv der modernen Küche eigentlich gemeint – leicht? Die Subline verspricht Energie, auf der Buchrückseite schreibt sie: „Leicht ist im Grunde einfach“. Im Vorwort geht es dann um etwas ganz anderes – die Lebenshaltung: Dass sie Arbeit und Freizeit nicht trenne. Wie ihr es gelänge, einen guten Tag zu haben, dass sie sich dafür morgens 10 Minuten für eigene Gedanken nähme, später gemeinsam mit den Mitarbeitern schnibbele, auch um sich nach ihrem Wohlergehen zu erkundigen. Ein echter Glücksmoment sei es, sich 3 Minuten zu nehmen und mit einer Tasse Tee in der Sonne zu sitzen. Das Leben zu genießen ist leicht – so der Singsang des Schlußworts. Da bleibt mir kurz der Atem stehen. Bin ich in einem subtilen Ratgeberbuch gelandet? Bitte, nein!
Aber es geht gleich weiter. Auf die emotionale Achterbahnfahrt folgte eine gedankliche – bei der Frage nach dem kulinarischen Statememt hinter dem Allerwelts-Titel. Egal, ob die Autorin ihn nun im Sinne von Energie spendend oder einfach zu kochen gemeint hat, es ist mühsam, die Rezepte darunter zu subsumieren, denn genau das sind sie nicht: Jakobsmuscheln mit Orangencreme und Zimtpolenta, Beef-Clubsandwich mit Chips und Chicken Wings mit Tempura. Es ist eher ein Allerlei aus aller Welt: süßsaures Chilihuhn aus Vietnam, gebratener Bali-Reis, afrikanischer Seeteufel und warmer Seesaiblingsalat. Ach, den Kartoffel-Feta-Moussaka mit Rucolasalat möchte ich noch ergänzen. Aber Energie-Küche? Eher Mittagsschläfchen-Küche.
Was ist was?
Das Tempo bleibt, man rauschte dann wohl durch die Details; der Slow-Gedanke hätte dem Buch ungemein gut getan: Die landestypische Bezeichnung für „grobes koreanisches Paprikapulver“ – die darf man dem Leser ruhig zutrauen. Andererseits wäre ein Glossar für nicht ganz so übliche Zutaten wie Mirin, Gomasio und Inari der perfekte Ort, um den Leser auf seinem Wissen- bzw. Nichtwissenstand abzuholen. Kräuterverweise auf den eigenen Gewürzshop im Rezept sind eher zu gewöhnlich (gibt es doch schon an anderer Stelle zu lesen) und für schwer beziehbare Zutaten wären Alternative sehr hilfreich gewesen wie z.B. bei den getrockneten Jakobsmuscheln.
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So gerne würde ich jetzt nach der Litanei die Rezepte wie Phoenix aus der Asche strahlend herbeizuschreiben, wie gut sie gewesen wären. Leider nein. Nach vieren habe ich aufgegeben. Es hat geschmeckt, aber der Weg war zäh wie Leder. Da fühlte man sich von der Autorin im Stich gelassen, die doch so viel zu erzählen hätte und ganz sicher mehr kann.
Kim kocht leicht – Meine Energieküche erscheint mir wie ein unfertiges Werk. Ich habe selten einen solchen Nicht-Zusammenhang zwischen Titel-Verkündung und Inhalt entdeckt. Die Rezepte sind widerspenstige Teilchen und definitiv in Sachen Anleitung unter dem Niveau dieser Köchin. Vielleicht liegt es daran, dass manches Zeit braucht. Zum Beispiel Kochbücher. Und die hat die Autorin nicht.
Veröffentlicht im Oktober 2014
dass mit den drei wochen südkorea musst du mir irgendwann mal in ruhe berichten. ich hoffe, sie waren nicht ähnlich enttäuschend wie die erwartungen des buches. aber sicher allemal anstrengend, nicht?
ich war noch nie bei sohyi kim (habe jedoch immer tolles gehört) essen, aber mit ihren büchern kann ich auch kaum was anfangen. einfach zuviel fusion. du bemängelst ja differenzierter.
es ist interessant, welches image sie hier hat. eher jung, dynamisch und etwas keck (um mal dieses altmodische wort zu benutzen). in korea – ich schaue derzeit von zeit zu zeit „masterchef korea“, in der sie eine der drei juroren ist – wirkt sie streng und wird sogar von einigen (jüngeren) teilnehmern als „augenbrauen-oma“ bezeichnet.
Herrlich – Augenbauen-Oma. Warum nur dieser unterschiedliche PR? Na.
Die Reise – GROSSARTIG. Wir sind immer noch unter „Schock“ dieser Horizonterweiterung. Kulinarisch war es einmalig. Es gab so viele poetische Momente. Ein Teil der Familie (Mann und Tochter) lernt jetzt sogar koreanisch hier am Kulturzentum. Bald mehr.
Ich kann Deiner Meinung nur zustimmen: ich habe das Buch in Wien im neuen Merkur angeschaut, weil ich bei dem Titel etwas völlig anderes erwartete und war enttäuscht. In dem Laden gibt es ihre Produkte und auch ihr Restaurant befindet sich dort. Auf dem Naschmarkt hat sie auch noch ein Laden, dort kann man ihre Produkte kaufen und auch essen. Vielleicht rührt sie tatsächlich in zu vielen Töpfen und verzettelt sich. 3 Minuten Ruhe sind evt. doch nicht genug.
Das sind einfach viele „Baustellen“. 🙂