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Katharina Höhnk

Kochbuch von Robert Maier: Römisches Kochbuch ★★★★

Römisches Kochbuch –
Rezepte für die moderne Küche
Robert Maier
Reclam (2015)

Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.

Susanne Heldt-Zedler

Von

Ja, ich gebe es zu! Ich bin eine „Zurückgebliebene“, eine Leserin, die die Länder durch Kochbücher erkundet. Viele, die mich kennen, wissen um mein Faible für die Länderküchen. Was wäre naheliegender als eine Zeitreise, eine Reise in ein Land in einer anderen Zeit?

Ich als Kochbuchsüchtige habe schon seit einiger Zeit Werke zur historischen Küche im Schrank. Da finden sich Werke zur griechischen Küche der Antike, zur Küche des Mittelalters und auch zur Küche des Alten Roms, nicht nur Kochbücher sondern auch Sachbücher. Aber wie immer mangelte es mir an Zeit für ein ausführliches Literaturstudium. Da war das Angebot zur Rezension dieses Römischen Kochbuchs wie ein Geschenk. Jetzt „musste“ ich mich damit beschäftigen. Also los…

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Toll ist, wenn man ein Hobby hat. Besonders toll ist es, wenn man andere an seinem Hobby teilhaben lassen kann. So geht es dem Autor Robert Maier, studierter Physiker Jahrgang 1964. Das Thema Latein, welches ihn schon in der Schule beschäftigte, führte er als Hobby weiter. Seine Suche nach einer besonderen Attraktion für die Lateinwochen in Freising (gegründet 1989 mit Mechthild Hoffmann) führte im Jahr 1991 zu der zweisprachigen Ausgabe von Apicius‘ Werk „Über die Kochkunst“ im Reclam Verlag, das älteste erhaltene Kochbuch der römischen Antike – De re coquinaria (links). Nun halte ich das Zweitwerk des Autors in den Händen, welches die Rezepte des Apicius anwendbar für die moderne Küche präsentiert, denn das hat im Original seine historisch bedingten Eigenheiten.

Inklusive Menüvorschläge für ein authentisches Gelage

Das Buch ist in handlichem Taschenbuchformat gestaltet, gut zum überall mitnehmen (was ich auch gemacht habe…). Es hat einen Umschlagdeckel, der zur Verstärkung eingeschlagen ist. Und das Besondere: hier findet sich eine Übersicht der Grundstruktur des Buches: Getränke…, Eingemachtes…, Vorspeisen,.. Aber auch die beiden Register (das erste ein Rezepteregister, in dem die Rezepte nach Kategorien sortiert sind wie z.B. vegetarisch, vegan, mit Hühnchen usw.; das zweite ein Stichwortregister) sowie das Inhaltsverzeichnis helfen wunderbar bei der Orientierung.

Im Inhaltsverzeichnis findet man neben der lateinischen Bezeichnung den deutschen Namen des Gerichtes. Wer Fotos zur Auswahl seiner Rezepte benötigt, sollte die Hände von diesem Buch lassen. Es findet sich kein einziges darin.

Wer ein zünftiges authentisches Gelage ausrichten möchte, hat in den Menüvorschlägen sowie im Kapitel über die Römische Speisefolge einen hervorragenden Leitfaden. Denn die meisten von uns sind Anfänger in dieser „Länderküche“. Ob man auf die Liegen verzichtet, ist natürlich jedem selber überlassen.

Interpretationspielraum

Die Authentizität dieses Werkes ist schwierig zu beurteilen, denn dazu fehlen mir die Lateinkenntnisse, um ein Originalquellenstudium zu betreiben (irgendwann muss man ja aufhören…). Aber meine Bibliothek verfügt über weitere Werke zu diesem Thema. Nur so war bei Unklarheiten eine weitergehende Recherche möglich. Da die meisten heutigen Werke zur römischen Küche sich an Apicius orientieren, kann man die Interpretationen der Autoren sehr gut vergleichen. Denn die Rezepte lassen Spielraum. Apicius und auch andere römische Autoren führten in ihren Kochbüchern nur die Zutaten auf – ohne auf die konkreten Mengen einzugehen. Weiterhin sind, wie Robert Maier öfters in seinem Buch beschreibt, in den Titeln einiger Rezepte Bestandteile genannt (z.B. Dill), die in den Zutatenlisten der Originalrezepte nicht mehr zu finden sind. Aber auch die Vorbereitung und Verwendung spezieller Zutaten haben Auswirkungen auf die Kochergebnisse.

Süßungsmittel Defrutum

Wie alle Freunde von Länderküchen wissen, sind die richtigen Zutaten das A und O. Daher ist ein ausführliches Glossar meiner Meinung nach unbedingt notwendig. Ich bin besonders lange beim Lesen im Glossar hängen geblieben. Ich habe viel Neues gelernt, aber es kamen auch eine Menge Fragen auf. Fangen wir mal mit einem „Süßungsmittel“ an, dem Defrutum . Hierbei handelt es sich um eingekochten Traubensaft, der nach Herrn Maier bis auf ein Fünftel oder ein Sechstel eingekocht wird bzw. soweit, bis er dickflüssig wie Honig ist. Irgendwie reichten mir die Angaben zu dieser Zutat nicht, denn meine Überlegungen starteten schon mit der Frage: Traubensaft rot oder weiß? Also ging es in die Bibliothek…Jetzt wurde es erst richtig lustig. Im „Kochbuch der Alten Römer“ von Hans-Peter Peschke und Werner Feldmann gibt es folgende Definition: Defrutum einkochen auf 2/3 (es gab auch den Hinweis, dass die Schriftsteller sich hierzu nicht einig sind). In „Essen und Trinken wie im Alten Rom“ von Jaques André steht Einkochen auf 1/2 bis 1/3. Ich glaube jeder kennt den Spruch: Frage drei Anwälte und du bekommst fünf Meinungen. So kam ich mir vor.

Ausschlaggebend und vor allem sehr informativ ist das Buch „Genießen wie die Alten Römer“ von Ilaria Gozzini Giacosa, einer Historikerin. Die Autorin schrieb zum Defrutum, dass der Grad des Einkochens von Region zu Region unterschiedlich gewesen ist. So wurde auf Sardinien auf ein Zehntel und in der Emilia auf ein Drittel eingekocht. Aber noch eine Erkenntnis kam dazu, die den Ausführungen des Herrn Maier widersprach: Caroenum ist ein eingekochter Wein…wo wir wieder bei den fehlenden Lateinkenntissen sind. Quellenstudium ist doch was Feines. Schlussendlich habe ich mich aber an Herrn Maier gehalten. Bleibt noch die Frage der Traubensaftfarbe. Wenn Fleisch im Spiel ist nehme ich Rot, ansonsten Weiß…

Im Zuge der Defrutumrecherche fielen mir auch Unterschiede bei den verschiedenen Rezepten zum Numidischen Huhn auf oder bei der Definition des Begriffs bzw. der Zutat Lauch auf. Ich sage nur Huhn/Perlhuhn oder Lauchzwiebel/Porree. Denn man muss natürlich bedenken, dass die Zutaten sich in den letzten 2000 Jahren in Form/ Arten/ Größe verändert haben.

kochbuch-roemisches-robert-maier-inside-valentinasHilfreiche und fehlende Hinweise

Die Rezeptauswahl gestaltete sich nicht als sehr schwierig, denn das Buch passte aufgrund seiner Größe gut in meinen Rucksack. Jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit wurde eine Auswahl getroffen und notiert. Zum Schluss kam das Finale. Eine Vorspeise, Brötchen, zwei Beilagen und zwei Hauptgerichte. Aber es gab einige „Geht gar nicht“, so u.a. die Gerichte mit Lammhirn.

Sehr interessant sind die Kommentare des Autors zu den Rezepten. Teilweise Hinweise für die richtige Zubereitung, teils Hinweise zur Wirkung einzelner Zutaten, teils wieder die Notiz der Erkenntnis, dass einige im Rezepttitel genannte Zutaten im Original nicht in den aufgeführten Zutaten bei der Beschreibung der Zubereitung zu finden sind. Diese Notizen sind sehr wichtig und runden die Rezepte schön ab.

Beim genauen Lesen der Rezepte erschien es mir manches Mal, dass der Autor vielleicht schon etwas „betriebsblind“ war. Ich hatte Probleme beim Thema Kräuter, konkret bei der Festlegung: trocken oder frisch. Das Glossar hab ich als erstes bemüht. Es brachte keine Lösung. Ich führe mal ein paar Beispiele auf: Rezept S.109 Liebstöckel frisch oder trocken, aber vor allem Koriander – Kraut oder Körner? Rezept S. 113 einige frische Korianderblätter oder gemahlener Koriander. Meint das Rezept staubfein gemörserte trockene Korianderblätter oder Korianderkörner? Ich würde mich über eine genauer beschriebene nächste Auflage sehr freuen (und eine Info darüber). Vielleicht wäre eine Überarbeitung/ Erweiterung des Glossars dabei sehr hilfreich.

Preis für gutes Essen in der römischen Antike

Das Glossar geht außerdem auf typische Zutaten jener Zeit ein, definiert die Entsprechung in den heutigen Zutaten, möglichen Ersatz und Hinweise zur Herstellung bestimmter Zutaten. In dem Teil „Moderne Zutaten“ wird u.a. auf jene eingegangen, die definitiv zur Zeit Roms nicht verfügbar waren. Ich sage nur Chili, Paprika, Tomate. Wer authentisch kochen will, sollte darauf verzichten. Ein weiterer interessanter Infoteil gilt dem Preis für gutes Essen zur römischen Zeit. Ein Thema, das auch in der heutigen Zeit wieder bzw. immer noch hoch aktuell ist. Für daran weiter Interessierte findet sich ein Verzeichnis historischer Quellen und eine weitergehende Literaturliste der Gegenwart.

Und dann beginnt der für uns interessante Teil, die Rezepte. Unterschieden durch verschiedene Kategorien, ergänzt durch Angaben zu Schwierigkeitsgrad, Zeit und ggf. Ersatzmöglichkeiten für ganz speziellen Zutaten. Die Rezepte sind unterteilt in Getränke, Eingemachtes, Vorspeisen (die weiter nach Zutaten unterteilt sind), Hauptspeisen (auch hier findet sich eine weitere Unterteilung), Beilagen, Nachspeisen und Gebäck. Diese Einteilung zeigt sich wie bereits erwähnt auch in der Innenseite des Umschlags wieder. Eine tolle Hilfe bei der Suche und Orientierung.

Wenn aus der Kochankündigung eine Gelage wird

Das Ausprobieren war für mich diesmal eine besonders interessante Angelegenheit. Zwei Rezepte habe ich zuhause bei einem Wochenendessen ausprobiert. Tolle Gewürzzusammenstellungen mit einem überraschenden Ergebnis. Dann kam mein Urlaub.

Vorher habe ich mit meiner Mutter abgestimmt, dass ich viele Rezepte bei meinen Eltern ausprobieren will. Kurz vor der Reise dahin ein Anruf. Sie teilte mir mit, dass sie es Bekannten erzählt hatte. Und was soll ich sagen, es kam wie es kommen musste. Es ging eine Einladung zum Gelage raus. Aber mit dem Hinweis, die Gäste seien Versuchskaninchen und wir könnten auch schnell Pasta machen… aber es wurde ein voller Erfolg.

Robert Maiers Römisches Kochbuch ist eine klare Empfehlung für Köchinnen, die Interesse an historischen Zeitreisen in der Küche haben und über die nötige Souveränität am Herd verfügen. Die Ergebnisse waren für mich durchweg überraschend, denn auch wenn ich beim Kochen viele Erfahrungen habe, ich konnte das Geschmacksergebnis bei keinem Gericht erahnen. Insgesamt war mir der Geschmack bei meiner Rezeptzusammenstellung zum Teil zu intensiv, die Römer liebten den starken Kontrast süß, sauer, scharf – aber über das authentische Erlebnis verfüge ich jetzt und lese die Quellen fortan mit neuem Blick.

Veröffentlicht im November 2015

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