Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Endlich Sommer! Und mit ihm kommen diese luftigen Bücher angeflattert, bei denen sich alles um Kleines und Leichtes, Grillen und Picknick dreht. Mal ernsthaft, wer kann da widerstehen?
Alle Jahre wieder freue ich mich auf den Sommer und seine kulinarischen Genüsse, all die vertrauten alten Bekannten, die dann zu ihrer Hochform auflaufen, auf Sommerobst und marktfrisches Gemüse, auf den Duft von Grillkohle und auf spritzige Zitronenlimonade. Aber auch die besten alten Bekannten haben mal ein neues Kleid oder wenigstens eine neue Frisur verdient, und so freue ich mich auch jedes Jahr wieder, wenn ich ein neues Sommer-Kochbuch durchstöbern darf.
Diesmal ist also die Vegetarische Sommerküche von Paul Ivic bei mir gelandet, und sie schnurrt mich an wie ein junges Kätzchen. Lichtdurchflutete Fotos, leichte und farbenfrohe Köstlichkeiten überall – ich muss es einfach ins Herz schließen. Und ja, der Sommer ist da!
Ein erster Blick und die Kochlust schwelgt
Rund 100 Rezepte werden vorgestellt, aufgeteilt in die Kapitel „Köstliche Kleinigkeiten & Salate“, „Picknick“, „Grillen“, „Feste im Freien“ und „Süßer Sommer“. Dass die Rezepte durchweg vegetarisch sind, verrät schon der Titel, dazu sind viele als vegan, laktose- oder glutenfrei gekennzeichnet. Salate, Süppchen, Tartes, vegetarisches Grillgut, Dips, Brote, Desserts, Getränke – von allem ist etwas dabei.
Viele kleine Klassiker sehe ich, gerne mediterran inspiriert oder auch asiatisch. Und immer wieder kommen besondere Essig- und Ölsorten, spezielle Salze und Gewürze, Wildkräuter und Blüten zum Einsatz. Und ich würde am liebsten gleich ALLES probieren!
Kleine Dinge, die den Gaumen überraschen
Folgerichtig beginne ich gleich ganz vorne. Orangensalat mit Macadamia-Nüssen und Burrata mit Aprikosen und Tomaten sind meine ersten beiden Kandidaten – und sie zaubern die ersten Überraschungen auf unsere Teller. Optisch eine Augenweide, dazu eine Spur frische Vanille hier, etwas geröstete Fenchelsaat dort – kleine, aber wirkungsvolle Veränderungen, die den Gaumen kitzeln.
Einige Testkandidaten später fällt das Gesamtbild etwas gemischter aus. Alles war am Ende gut und lecker, aber nicht immer lief die Zubereitung ganz stolperfrei.
In der Praxis
Wer will schon stundenlang in der Küche stehen, wenn die Sonne zum Picknick lockt? Nun, Paul Ivic schon. Der Mann ist Profi und nimmt dank Küchenpersonals keine Abkürzungen.
Für einen Kartoffelsalat köchelt er schon mal zeitaufwändig ganze Gemüsefonds oder lässt die geeiste Gurkenmousse schon am Vortag in den Kühlschrank wandern. Lobenswert – aber was mich betrifft, nicht sehr praxisnah. Solchen Aufwand mag ich gelegentlich auf mich nehmen, aber für eine Aufnahme in mein Standardrepertoire stehen die Chancen eher schlecht.
Was die besonderen Zutaten betrifft, so musste ich mehrfach ausweichen. Assampfeffer, Voatsipery-Pfeffer, solche Raritäten gibt mein Gewürzschrank nicht her. Zudem fand ich die Angaben mancher Sorten etwas unausgewogen – warum soll ich in den sehr speziellen, raren „Assampfeffer“ investieren, um ihn dann mit simplem „Essig“ – Familienname, Vorname unbekannt – zu kombinieren?
Auch die Mengenangaben fand ich nicht immer stimmig. Insbesondere die Dressings und Marinaden waren zwar geschmacklich rund, in der Gesamtmenge aber teilweise viel zu üppig bemessen.
Mit Köchinnenverstand eine Bereicherung
So, ein paar Stolperfallen habe ich genannt. Dies hält mich aber keineswegs davon ab, für das Buch zu schwärmen. Mit gesundem Köchinnenverstand lassen sich die angegebenen Zutaten variieren, die Mengenangaben kann ich anpassen, die geeiste Gurkenmousse habe ich auf eine besondere Gelegenheit vertröstet. Was bleibt, ist ein originelles Kochbuch mit vielen hübschen Ideen, die Gaumen und Zunge wohltuend überraschen.
Übrigens, wer Paul Ivics Kochkünste persönlich erleben will, kann dies in Wien tun, wo seine Künste als Küchenchef des vegetarischen Restaurants Tian sogar mit einem Michelin-Stern prämiert wurde.
Wer meint, in der Rubrik „Sommerkochbuch“ vor Überraschungen gefeit zu sein, dem sei die Vegetarische Sommerküche von Paul Ivic ans Herz gelegt. Es gelingt ihm, interessant zu kombinieren, elegante Akzente zu setzen, ungewöhnliche Nuancen zu betonen – ohne die Bodenhaftung zu verlieren. Der Aufwand ist manchmal etwas größer, als man es von vielen Ruckzuck-Feelgood-Büchern gewohnt ist – aber es lohnt sich.
Veröffentlicht im Juli 2015