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Katharina Höhnk

Kochbuch von Paul Bocuse: Bocuse für jeden Tag ★★

Bocuse für jeden Tag von Paul Bocuse
Jacoby & Stuart Verlag (2012)
Mehr über den Kochbuch-Verlag

Zwei Sterne: Begeisterung sieht anders aus.

Simone Brokmeier

Von

Neulich traf ich Paul wieder. Paul Bocuse. Wir lernten uns 1987 kennen. Ich hatte gerade meine erste eigene Wohnung bezogen und lernte kochen. Nicht einfach Schnitzel oder Bratkartoffeln. Nein, mit Pauls Buch Die Neue Küche lernte ich damals Herzoginkartoffeln kennen und Parmesansoufflé zuzubereiten.

Und nun kam Bocuse für jeden Tag neu heraus. Ich habe mich sehr auf unser Wiedersehen gefreut. Wie würden er und seine Künste heute auf mich wirken? Ich muss gestehen – enttäuschend. Das Äußere kommt noch ganz frisch und modern rüber, klassisch weiß, durch den orangen Schriftzug und Rücken aufgepeppt. Sehr schön auch die je nach Kapitel unterschiedlich farbig gehaltenen Rezeptseiten. Aber wie das manchmal so ist, wenn man seine Jugendliebe wiedertrifft: man hat sich verändert und nicht immer in die gleiche Richtung. Vielleicht waren meine Erwartungen zu hoch. Vielleicht bin ich heute einfach selbst erfahrener, dass ich mir von einem „neuen“ Kochbuch auch tatsächlich Neues erwarte. Vielleicht haben die Männer, die ich später kennenlernte (Jamie!) mir einfach mehr zu sagen. Und ja, auch die Frauen (Bernadette!) finde ich einfach anregender!

Bocuses Rezepte selbst sind mir einfach zu langweilig, zu sehr von gestern! Gut, es ist ein Grundkochbuch. Anfänger brauchen klare Anweisungen und die bekommen sie. Die 220 Rezepte decken in neun klassischen Kapiteln von der Suppe über Zwischengerichte, Saucen, Fisch und Fleisch bis zum Dessert natürlich alle Bereiche ab. Die wenigen Fotos spiegeln die Schlichtheit der Rezepte wieder. Appetitlich das Huhn im Schmortopf und wem würde nicht das Wasser im Munde zusammenlaufen bei einer glänzenden, saftig gebratenen Lammkeule? Das ganzseitige Eisbein im Weißkohltopf wirkt dagegen eher abschreckend…
Aber es ist vor allem die Auswahl der Rezepte, die mein Herz nicht jubeln lässt. Die Zutaten eher derb und schlicht, kaum Gewürze. Und dazu Garzeiten, die das schönste Gemüse in Babykost verwandeln.

Für eine Vorspeisenplatte werden acht Gemüse getrennt gegart und in Schüsseln angerichtet, dazu werden Thunfisch und Sardellen aus der Dose gereicht und alles mit einer Vinaigrette (die auch nichts Spannendes bietet) serviert. Brauche ich dafür ein Kochbuch und stelle mich eine Stunde in die Küche? Noch besser ist ein Rezept aus dem Kapitel Eier: in der Schale weich gekochtes Ei. Ja, ein vom Meister persönlich gekochtes Ei!! Mit gerösteten Brotstäbchen, immerhin. Zum Schmunzeln brachte mich da nur die Anmerkung der Übersetzerin (die für ihre stets sinnvollen Hinweise ein Lob verdient!), dass das uns Deutschen überflüssig erscheinende Rezept in Frankreich äußerst unüblich ist.
Auch im Kapitel Fleisch fand ich beim Durchlesen kaum etwas das meinen Gaumen kitzeln konnte, nichts wo ich sofort die Einkaufsliste gezückt hätte, geschweige denn in die Küche gesprintet wäre. Liegt es an den traditionellen (nur für mich?) etwas ungewöhnlichen Zutaten wie Andouillettes (eine französische Wurst), Zunge, Kalbskopf. Oder an der Zubereitung: eine ganze Pute wird mit einer Kalbshaxe und einem Ochsenschwanz in Salzwasser – das mit einem viertelten (!) Lorbeerblatt und etwas Gemüse aromatisiert wurde – vier Stunden gegart. Das mutet fast archaisch an. Und mir fehlt einfach überall der Pep, sei es mit spannenden Gewürzen, Aromen oder Kombinationen.

Natürlich habe ich auch Gerichte nachgekocht – und mich doch immer wieder gewundert. Das Mischgemüse mit Kartoffeln, Erbsen und Zwiebeln wollte ich als neue Gemüsebeilage ausprobieren. Aber nach Anweisung gekocht, hätte ich Kartoffelbrei erhalten, denn die in Würfel geschnittenen Kartoffeln brauchen niemals 35 Minuten. Warum man auch Salatblätter 15 Minuten mitgart, kann ich eben sowenig nachvollziehen, ich fand die laschen Blätter keinen Genuss. Und die Aromen? 2 Zweige Thymian und ein Viertel Lorbeerblatt. Man möchte in den Garten rennen und frischen Estragon holen, die Zwiebeln und Karotten wenigstens vorab anbraten und karamellisieren – nichts!

Zudem gibt es noch ungenaue Garzeitangaben. Im Rezept wird der Zuckerkuchen zwei mal 20 Minuten (bei unterschiedlichen Temperaturen) gegart, bei den Backzeiten im Titel sind es dagegen je 15 Minuten. Selbst meiner Tochter ist das aufgefallen.

Da reißen auch die Ratschläge über Ausstattung und Grundbegriffe oder die äußerst ausführlichen Anmerkungen zum Thema Wein des burgunder Winzers George Dubœuf nichts mehr heraus, die eher auf den französischen Geschmack und Gepflogenheiten abgestimmt sind. Ein interessierter Laie mag bestimmt hier Anregungen erhalten, anmaßend finde ich im Jahr 2012 dennoch, dass ausschließlich französische Weine und Provenienzen Erwähnung finden.

Selten habe ich ein Kochbuch bekommen, das mich so wenig beflügelt hat. Paul, ich bin wirklich enttäuscht. Wo ist meine Inspiration von einst? So eroberst du mein Herz gewiss nicht zurück!

Veröffentlicht im Juni 2012

2 Kommentare

  1. Katharina

    Hallo Wolfgang, vielen Dank für Deinen Blick auf das Bocuse-Buch.

  2. Wolfgang Kramer

    Ooh, was für ein harscher Kommentar zu diesem Buch… Aber es ist doch für Anfänger gedacht, die froh sind, erst einmal nicht mit einer ellenlangen Zutatenliste eingeschüchtert zu werden, die beim ersten Mal vielleicht noch \“langweilig\” kochen, aber dann richtig loslegen. Ich benutze das Buch (die Originalausgabe, aber die ist kaum anders), um mich mit neuen Zutaten (z.B. Jakobsmuscheln) erst einmal ganz schlicht vertraut zu machen, und ich wurde noch nicht enttäuscht. Es funktioniert eben…! Und wenn ich mir vorstelle, dass jemand ganz bei Null mit dem Kochen anfängt, und dann eventuell an ein LAFER-Buch gerät was soll denn da noch an Kreativität und eigener Entdeckerlust aufkommen? Nee nee, das Buch ist zwar nicht das spannendste von Bocuse, aber ganz in der Tradition der großen Küchenchefs: erst einmal klein anfangen, um dann -gut fundiert-wirklich zu wachsen. Er kümmert sich hier eben mal um ganz andere Kochliebhaber, das muss man verstehen, und man kann eventuell auch noch selbst davon profitieren. Eventuell braucht man dann gar kein anderes Bocuse-Buch mehr, weil man schon selbst verstanden hat, wie man ein Gericht nach eigenen Vorstellungen raffiniert aufpeppt…?

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