Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Es gibt ja so kulinarische Sehnsuchtsorte. Vor Kurzem habe ich die Folge einer Serie gesehen, in der ein Foodie nach Tel Aviv reist. Sofort wollte ich auch dahin. Auch Teheran würde ich zu gern mal mit Messer und Gabel erkunden. Doch vorerst vielleicht zunächst zwischen zwei Buchdeckeln.
Die Autorin, Parvin Razavi ist anlässlich ihres Buchprojekts nach über zwanzig Jahren erstmals wieder in ihr ursprüngliches Heimatland gereist. Und war erstaunt, wie sehr sich die Stadt verändert hat. In der Auswahl der Rezepte versucht sie diese Entwicklung darzustellen: Teheran zwischen Tradition und Moderne.
Parvin Razavi (Foto links) verbindet die Kochtradition der Frauen ihrer Familie, die die Rezepte von Generation zu Generation weiterreichen, mit dem eigenen modernen Kochverständnis. Männer kochen übrigens im Iran nur im öffentlichen Raum.
Das Buch ist klassisch unterteilt: Es finden sich Rezepte zu den drei Hauptmahlzeiten Frühstück, Mittag und Abend. Ergänzt durch Kapitel zu Beilagen, Nachspeisen und Getränken. Eingestreut sind kleine Artikel über bekannte Orte der Stadt oder auch kulinarische Spezialitäten, wie Sangag, das persische Steinbrot, zu dem es leider kein Rezept gibt. Oder Sabzi Khordan, die typische persische Kräutermischung, die meist aus Minze, Petersilie, Estragon, Koriander, Zitronenbasilikum und Frühlingszwiebeln sowie Radieschen inklusive der Blätter besteht.
Nose-to-tail auf Orientalisch
Das fand ich wirklich interessant, dass pure Kräuter so zum Essen gereicht werden. Ein kurdischer Freund erzählte mir, dass er das aus seiner Familie auch kennt. Die enthaltenen Vital- und Bitterstoffe helfen wohl den Körper und die Verdauung anzuregen und haben außerdem eine kühlende Wirkung. Überhaupt ist in der Kreation persischer Gerichte die Ausgewogenheit sogenannter kühlender und wärmender Ingredienzien von Bedeutung.
So muten die Rezepte schließlich weder altmodisch-folkloristisch an, noch sind sie gewollt-modernisiert, eher grundsolide und beinahe Hausmannskost. Ich habe nach einem ersten Durchblättern tatsächlich das Gefühl, einen Eindruck zu bekommen. Da sind zwar Gerichte, die mir fremd erscheinen, wie ein süßer Frühstücksreis (Halim) mit Hühnerfleisch. Oder auch Kaleh Pacheh, ein traditionelles Frühstücks-Schmorgericht aus Schafskopf und Schafsfüßen, lasse ich aus. Auch interessant und im Westen gerade so angesagt, im Orient normal: Nose-to-tail. Es gehört sich wohl einfach nicht, Teile eines geschlachteten Tieres wegzuwerfen. Das Rezept für Quittenmarmelade wirkt dann wieder ganz vertraut. Wie mich überhaupt einige Gerichte sehr an die türkische Küche erinnern, was nach einem Blick in die Geschichte nicht weiter verwundert (Persisches Reich).
Zum Mittagessen gibt es häufig Schmorgerichte, die schon im Voraus, weil zeitaufwendig, zubereitet werden. Nur der Reis wird dann frisch dazu gekocht. Abends gibt es laut Parvin Razavi eher einfache Gerichte, wie dicke Suppen, Salate oder Kookoo (eine Art Frittata) mit frischen Kräutern und Brot. Da kommen Vegetarier vielleicht etwas eher auf ihre Kosten, wenn allerdings auch in den dicken Suppen gerne ein bisschen Fleisch mitgekocht oder Gemüse mit Hackfleisch gefüllt wird. Die persische Küche, wie sie sich hier präsentiert, ist definitiv fleischlastig. Besonders die gegrillten Spieße klingen alle sehr verlockend. Doch gewundert hat mich, dass es kein einziges Rezept mit Fisch gibt.
Brandteigkrapfen mit Kardamom-Schlagsahne
Die Beilagen, speziell die Salate, haben es mir besonders angetan. Oft herrlich knackig und frisch, perfekt für heiße Tage. Aber auch das Omelette mit Datteln und Walnüssen oder Sekangabin, eine Art Essiggetränk, das als Sirup eingekocht wird und wohl schon im alten Persien getrunken wurde, stehen noch auf meiner Nachkochliste. Toll fand ich auch den Juwelenreis, wenn er mich auch eher optisch als geschmacklich interessierte: Er wird mit Berberitzen, Rosinen, Mandeln, Pistazien, Orangenzesten und Safranreis verziert.
Die Teheraner Nachspeisen beschreibt die Autorin als sehr süß und reichhaltig, das spricht mich nicht so an. Wenn die Brandteigkrapfen mit Kardamom-Schlagsahne allerdings schon sehr verführerisch aussehen.
Die Rezepte sind gut und knapp beschrieben, aufs Wesentliche reduziert und gingen mir beim Nachkochen flott von der Hand. Wobei natürlich für die Schmorgerichte entsprechend Zeit einberechnet werden muss. Auch die Zutaten sind im Großen und Ganzen leicht zu beschaffen. Bloß Golpar, der persische Bärenklau, habe ich bei meinem Stamm-Gewürzdealer nicht bekommen. Auch die getrockneten Limetten suche ich noch. Aber da wird man zur Not ja auch online fündig.
Unbedingt erwähnen muss ich noch die tollen, stimmungsvollen Fotografien Teherans, von denen einige (zu) wenige sogar doppelseitig sind, und die mein Fernweh noch weiter ordentlich angeheizt haben!
Die Rezepte in „Teheran“ haben mich nicht unbedingt überrascht, vermutlich wegen ihrer Nähe zur türkischen Küche. Man erhält aber tatsächlich einen guten, leckeren und unaufgeregte Einblick in die Küche dieses Landes. Geschmeckt hat alles, manches sogar mit Tendenz zum Klassiker.
Veröffentlicht im Juli 2018