Fünf Sterne: Valentinas Liebling – zum Schwärmen gut.
Was hat es mit diesem Nigel Slater auf sich, habe ich mich beim Anblick seiner Kochbücher oft gefragt. Die Cover wirkten auf mich schwermütig, bierernst, überhaupt vermisste ich „Foodporn“. Mit A Cook’s Book ist nun ein „Greatest-Hits-Album“ des Kochbuch-Maestros erschienen – mit bewährten, aber auch neuen Rezepten. Beim Durchblättern staune ich nicht schlecht. Von wegen bierernst, so sinnlich habe ich noch keinen über das Essen schwärmen hören. Was bleibt geschmacklich hängen, und ist A Cook’s Book ein geeigneter Einstieg für Nigel-Neulinge?

Dick und schwer wie ein Harry-Potter-Roman liegt das Buch in meinen Händen. Eine klassische Gliederung nach Vor-, Haupt- und Nachspeise gibt es nicht. Stattdessen ordnet Slater (Foto links) seine Rezepte thematisch wie kulinarische Kurzgeschichten z. B. in: Eine Schale Suppe, Brot brechen, Ein Huhn im Topf, Manchmal will man einfach Pie oder Die Stille von Käsekuchen.
Ich mache schnell Bekanntschaft mit Slaters ungewöhnlichem Erzählstil: Bildgewaltig, meistens heiter, gelegentlich exzentrisch fachsimpelt er über Essen und das Kochen. Seit fast 30 Jahren verfasst der Brite eine Kolumne für die Zeitung Observer. Bereits 10 Kochbücher hat er veröffentlicht, daneben seine mehrfach ausgezeichnete Autobiografie Toast.
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A Cook’s Book mutet nicht weniger autobiografisch an. „In diesem Buch sind die Rezepte zusammengestellt, die ich oft koche: Rezepte, die sich in meiner eigenen Küche immer wieder bewährt haben … Es sind auch viele neue dabei (ich konnte der Versuchung nicht widerstehen)“, gesteht er. „Alle Rezepte wurden noch einmal getestet, und das nicht nur von mir“.
Manche seien aufgefrischt worden. Unnötige Arbeitsschritte oder Zutaten, die keinen angemessenen Beitrag lieferten, habe er „skrupellos“ gestrichen, um entscheidende Details zu betonen. „A Cook’s Book ist eine Art Tagebuch, die Chronik eines Lebens, das ich vor allem am Herd, aber auch im Dialog mit meinen Leser:innen verbracht habe.“
Entschleunigung auf hohem Niveau
Mit dem Buch begleite ich Slater durch seinen Alltag. An einem Sonntag beginnt er mit einer Schüssel Klebreis, „schillerndem eingelegtem Gemüse“ und einem Schälchen Misosuppe zum Frühstück.

Unter seinen 200 „Lieblingsrezepten“ befinden sich neben europäisch geprägten (z. B. Sheperd’s Pie aus Süßkartoffeln und Linsen; Coq au Riesling; Salsiccia und Soße), auch immer wieder Gerichte mit asiatischen Einflüssen (Reis, Lachs, japanische Pickles; Bubble and Squeak auf Thailändisch). Gemüse findet bei Slater oft auf den Teller.
Wurden die Speisen abgebildet, ruhen sie auf Slaters eigenem Ton- und Keramikgeschirr. Das Foodstyling macht auf mich einen geerdeten Eindruck. Die besten Bilder der Speisen erzeugt Slater bei mir eh durch seine schriftstellerischen Eigenschaften im Kopf.
Im Fließtext wurden die Rezepte integriert. Das könnte zu dem ein oder anderen Stolperstein für Leser:innen werden. Für die Kartoffelecken mit Burrata oder der Kaffee-Walnuss-Torte blättere ich mehrfach hin und her. Sehr positiv aufgefallen ist mir dabei die Bindung mit Leinen (und zwei Lesebändchen), dadurch bleibt der Wälzer schön offen.
Geschmackliche Akzente, tolle Texturen
Ich werde zügig von Slater durch den Kochprozess geleitet. Er erläutert einige Arbeitsschritte jedoch nicht unbedingt. Dadurch wirken sie auf mich aufwendiger (z. B. den Käsekuchen im Wasserbad auszubacken; Zitronengras in der Suppe ziehen zu lassen, bevor man die Suppe aufkocht; zwei Tortenböden zu backen statt einen Boden horizontal zu halbieren). Manchmal erschloss sich mir einiges im Nachhinein, manchmal nicht.
Nigel Slater:
„Man könnte mein Leben in Rezepten bemessen.“
Im Falle des Käsekuchens werde ich jedoch mit einer intakten Oberfläche – dazu diente das Wasserbad – belohnt, auch geschmacklich überzeugte er mich sofort.
Eine Geschmackserfahrung zieht sich durch meine probierten Slater-Gerichte, von Suppe über Ragù bis zu kleineren Gerichten. Alle setzten unaufgeregt deutliche geschmackliche Akzente und wiesen zudem richtig tolle, kontrastreiche Texturkombinationen auf.
Der beliebte Food-Kolumnist lädt ein – in seine Gefühls- und Gedankenwelt und an seinen Esstisch. Serviert werden über 200 Lieblingsrezepte von Slater: bewährte, aktualisierte und einige neue. Besonders Nigel-Neulinge könnten von diesem Kompendium profitieren. Slater überzeugte mich mit klaren geschmacklichen Schwerpunkten, kontrastreichen Texturen und seiner liebenswerten Art, über das Essen zu fachsimpeln.
Veröffentlicht im Februar 2023
Es waren einfach zu viele fantastische Gerichte dabei, aber ja, das Hühnchen-Kapitel las sich sehr nachahmenswert. Hast du ein Lieblings-Hähnchengericht darin gefunden? 🙂
Wie hast du es geschafft, dieses wirklich fantastische Kochbuch zu rezensieren, ohne ein einziges Hühnchenrezept zu machen 😅