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Katharina Höhnk

Kochbuch von Nicole Giger: Ferrante, Frisch & Fenchelkraut ★★★★

Ferrante, Frisch & Fenchelkraut –
Ich koche mich durch die Weltliteratur
Nicole Giger
Food-Fotos: Nicole Giger
Autorenfoto: Fabian Wegmüller
AT Verlag (2019)
Mehr über den Verlag

Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.

Charlotte Schrimpff

Von

Macht Lesen Sie auch immer so hungrig? Und ich meine gar nicht die dezidiert kulinarische Lektüre wie Banana Yoshimotos „Kitchen“, wo Nudelschüsseln permanent dampfen. Mir reicht ein gewisses, eierkuchenbackendes Känguru, damit mir pawlowsch wird. Immerhin: Eine Leidensgenossin habe ich. Die Zürcherin Nicole Giger zelebriert diesen Gusto seit 2014 auf ihrem Blog „Mags Frisch“ und sammelt Rezepte, die ihr die Weltliteratur diktiert.

Die ikonische „Kennst Du das Land“-Passage aus Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ übersetzt sie zum Beispiel in einen Salat mit Fenchel, Feigen und Spinat; das Sinnieren über den Duft von Aprikosen aus Flauberts „Madame Bovary“ in eine fruchtige Torte. Buchstabengetreues Nachkochen ist bei ihr allerdings eher die Ausnahme (anders, als beispielsweise in Kate Youngs Little Library Café) – Giger lässt sich lieber lose inspirieren.

Mit allen Sinnen

Und offenbart dabei stellenweise selbst fast literarische Qualitäten – etwa, wenn sie von Albaniens Salaten schwärmt oder von den sinnlichen Herausforderungen eines Trips nach Indien. Und da wären wir bei ihrer zweiten großen Leidenschaft – Reisen. Die sie – ähnlich wie ihre Rezepte – in atmosphärischen Fotos fängt. Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis ein Verlag bei ihr nachfragen würde, ob man alldem nicht jene Haptik zurückzugeben wolle, die im Netz halt fehlt.

Kochbuchautorin Nicole Giger

Nicole Gigers Erstling „Ferrante, Frisch und Fenchelkraut“ ist also ein Three-in-one: Zum einen Lesebuch („Frisch“), das jedem Gericht eine üppige, kenntnis- und anekdotengespickte Einleitung voranschickt, die man prima auch als Bettlektüre wegbingen kann. Ein Fotoband („Ferrante“), der einen mitnimmt in die Welt – nach New York, Italien, zu Freunden aus Serbien, nach Japan, Malaysia oder Vietnam. Und dann wären da die Rezepte („Fenchelkraut“), die von beidem – Literatur und Unterwegs-Sein – leben. Manches ist so oder so ähnlich schon in ihrem Blog erschienen – manches entstand originär fürs Buch. (links ein Foto der Autorin)

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Das ist übrigens wirklich schön – Leineneinband, mattes Papier, schlichter Satz – und macht es einem nicht leicht, das Schmökern zugunsten von Schnippelei zu unterbrechen. Zumal: Wie für eine von Gigers zahllosen Ideen entscheiden? Zuerst das Halva-Granola für Paul Sartre oder den Quarkkuchen mit Rauchmandeltopping in Gedenken an die Literaten in Wiens Kaffeehäusern? Doch das ofengeröstete Herbstgemüse mit Sanddorndressing à la Tucholsky oder ein Burger mit Lachs (Hemingway)?

Viel Freude und zwei, drei Fragezeichen

Kochbuch von Nicole Giger: Ferrante, Frisch & Fenchelkraut

Den Anfang machte schließlich ein relativ simpler Salat aus gebackenen Kartoffeln, Edamame, Pistazienpesto und reichlich Kräutern (Wladimir Kaminer), der sehr gefiel. Noch viel lieber mochten wir allerdings einen anderen – den Sobanudelsalat mit geröstetem Rotkraut, knusprigem Sesamtofu und Tahini-Dressing (Rafik Schami)! Alter Falter – so, so gut! Auch eine herzhaften Porridge-Variante mit sojamariniertem Ei und Zwiebelpickles (Truman Capote) hat das Zeug zur Wiederholung.

Eher ratlos ließen dagegen die Süßkartoffel-Pancakes mit Salted Eggs, Fetacreme und Salbei (Victor Hugo) sowie die Vietnamese Egg Coffee French Toasts mit karamellisierten Bananen (Balzac) zurück. Beides ist ein Zusammenspiel zahlreicher Komponenten, die teilweise durchaus Muße brauchen – und schmeckt am Ende … undefiniert? Beim genaueren Hinsehen finden sich auch kleinere Ungereimtheiten (siehe unten).

In welchem Verhältnis Giger an anderer Stelle die Anteile für ihre Kokos-Mandel-Butter mischt oder wann beim malaysischen Aufstrich Kaya die restliche Kokosflüssigkeit zugeschüttet wird: ein Rätsel. Vielleicht kann man da bei einer zweiten Auflage nachjustieren. Und wenn ich mir noch was wünschen darf: Ein Index nach (Haupt-)Zutaten würde enorm helfen. Jener am Ende des Buchs ist eher inkonsistent – das Schlagwort „Blumenkohl“ z. B. listet längst nicht alle Rezepte, in denen welcher enthalten ist – und die prosaischen Kapiteltitel helfen bei der Suche nicht wirklich weiter.

Sei’s drum: Sie lieben Literatur? Kulinarische Reisemitbringsel? Küche jenseits des Mainstreams? Dann sind Gigers drei F für Sie. Aber Vorsicht: Es könnte passieren, dass Sie am Ende auch all das lesen und kosten und sehen wollen, was die Schweizerin drumherum beschreibt – nur so von wegen „Pawlow“ …

Veröffentlicht im September 2020

4 Kommentare

  1. Isabel

    Hm, ich oute mich mit meiner Frage mal als Nichtkennerin – warum „Ferrante“ im Titel? Kurzes Googlen hat mich nicht wirklich weitergebracht… Danke für die Aufklärung!

    • Katharina

      Gerne! Die Italienerin Ferrante hat ein Geschichte mit Fortsetzungen geschrieben über zwei Freundinnen in Neapel im tiefsten brutal-proletarischen und armen Viertel. Beide blitzgescheit durchleben völlig unterschiedliche Lebensläufe. Sehr spannend, man verschlingt die Bücher – Italien, wie es nicht kommuniziert wird. Voller Härte, aber auch authentisch und echt jenseits der Lieblichkeit.
      Der Roman mit seinen Fortsetzungen ist ein Welterfolg. Die New York Times spricht bereits vom Ferrante-Effekt – Autorinnen werden mehr denn je übersetzt.
      Es ist auch die Geschichte über Frauen und Freundinnen. Der Roman wird oder wurde verfilmt. Ich habe 2-3 gelesen. In jedem Fall spannend.

  2. Charlotte

    Liebe Brigitta – stimmt, solche Dauerwerbesendungen gehen mir auch gehörig auf den Keks. Im Buch war davon aber zum Glück nichts zu spüren. Ich nehme an, dass das dem Verlag auch nicht so „geschmeckt“ hätte…
    Herzlich: Charlotte

  3. Birgitta

    Eben habe ich ein bisschen auf dem Blog „Mags frisch“ der Autorin gestöbert und viele leckere Rezepte entdeckt. Was mir nicht gefällt, ist die ständige Werbung für die Produkte und Herstellung ihrer Rezepte, z.B. zum Zerkleinern den Häcksler von Betty Bossi nehmen, Gewürze von „Oswald“, usw. Ok, wahrscheinlich finanziert sich die Autorin so ihren Blog. Betty Bossi kenne ich auch und habe einige pfiffige Produkte von Betty Bossi, allerdings auch Überflüssiges, bzw. nicht funktionierende Produkte. Die Gewürze von Oswald hat Nicole Giger immer wieder sehr gelobt, so bin ich auf deren Online-Seite gegangen und habe sie nach dem Lesen der jeweiligen Inhaltsstoffe schnellstens wieder verlassen.
    Ich hoffe, im Buch ist das nicht so. Jedenfalls sehe ich die Autorin nun mit kritischeren Augen, werde jedoch gerne einige ihrer wirklich verlockenden Rezepte ausprobieren.

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