Zwei Sterne: Begeisterung sieht anders aus.
Ich habe eine Schwäche für Superfoods. Ein ganzes Regal in meiner Küche ist den kleinen „Wundermitteln“ gewidmet, allesamt sorgsam in hübschen Gläsern verschlossen und liebevoll beschriftet. Jeden Morgen mache ich mir einen wunderbaren Smoothie, herrje, während ich diese Zeilen schreibe, nasche ich einen Rohkostriegel mit Rohkakao, Hanfprotein und Gojibeeren, der eigentlich viel zu teuer war für sein Fliegengewicht von 42 Gramm. Klar, dass ich „Säfte, Smoothies, Superfoods“ unbedingt rezensieren wollte. Doch schon beim ersten Durchblättern war selbst ich überwältigt…
Das Buch erweckt den Eindruck, dass jeder, der nicht täglich mindestens ein Wundermittelchen zu sich nimmt, spätestens übermorgen tot vom Stuhl kippen wird. 26 Superfoods werden in der Einführung des Buches erklärt, darunter Exoten wie Lucuma, Methylsulfonylmethan und Reishi-Pilze. Kurz und knackig werden ihnen alle möglichen Heilkräfte zugesprochen (und das nicht einmal im Konjunktiv), Erklärungen und Nachweise bleibt die Autorin ihren Lesern aber schuldig. Vielleicht, weil es keine gibt?
Pülverchen, Extrakte oder Wunderfrüchte
Es stimmt, die eine oder andere kleine Studie zur Wirkung wurde schon durchgeführt. Allerdings mit wechselnden Ergebnissen. Kurzum: Ob und wie Superfoods wirken, ist wissenschaftlich nicht erwiesen. Ja, sie enthalten große Mengen an bestimmten Inhaltsstoffen, etwa Vitaminen, Antioxidantien, Mineralstoffen, etc. Das tun jedoch auch bescheidene, heimische Gewächse wie etwa Blaubeeren, Spinat und die ganze Kohlfamilie. Es müssen eben nicht Gojibeeren, Weizengras und Spirulina sein – meine persönliche Obsession ist daher eigentlich völlig überflüssig. Aber sie macht mir Spaß. Und ich bin ja nicht auf meine Superfoods angewiesen, womit wir beim nächsten Problem wären.
Von den insgesamt 100 Rezepten in Säfte, Smoothies, Superfoods (das eigentlich auch einfach nur „Superfoods“ heißen könnte) kommen lediglich zwei ohne irgendwelche Pülverchen, Extrakte oder Wunderfrüchte aus: das „Popeye Spezial“, für das man allerdings erst einmal Grüntee zubereiten und abkühlen lassen muss. Und das „Frühstück im Glas“, für das man aber Proteinpulver vorrätig haben muss.
Wer sich also an die Rezepte machen will, muss entweder schon im Besitz eines breiten Sortiments an Superfoods sein oder erst einmal einkaufen gehen. Im gut sortierten Bio-Markt bekommt man einige der Zutaten, viele jedoch nur online – sauteuer sind sie alle. Leckere Obst- und Gemüse-Kombinationen ohne Schischi sucht man aber vergebens. Schade, dabei hatte ich mich genau darauf gefreut: auf neue Impulse, neue Ideen für meine Smoothies.
Aphrodite auf Speed
Wo beginnen? Der Einfachheit halber entschließe ich mich, aus jedem Kapitel ein Rezept zu probieren. Da wären „Entgiftende Getränke“, „Energielieferanten“, „Muntermacher“ (wobei mir der Unterschied zwischen den beiden Letzteren nicht klar ist), „Abnehm-Helfer“ und „Schönheitsgetränke“. Mit anderen Worten: Wer sich einmal durch das ganze Buch schlürft, mutiert zur Aphrodite auf Speed. Um das durchzuhalten, müsste aber nicht nur der Geldbeutel stimmen, sondern auch der Geschmack. Meinen Aaaaahhh-lecker!-Nerv trafen die Mixturen jedenfalls nur bedingt.
Zugegeben: Ich habe Rezepte ausgewählt, die ungewöhnlich klangen. Bananen-Beere-Spinat mit irgendeinem Superfood-Zusatz mache ich schließlich fast täglich. Beim „Karotten-Knoblauch-Smoopie“ (ein Neologismus aus Smoothie und Suppe) war ich wohl etwas zu mutig. In der Erklärung schreibt Frau Graimes: „Die Schwefelverbindungen im Knoblauch helfen dabei, unerwünschte Giftstoffe sowie Bakterien und Parasiten im Darm loszuwerden.“ Ich erspare Ihnen an dieser Stelle die Details. Sagen wir mal so: Das Ding ging weder gut runter, noch gut durch.
Fragezeichen über dem Kopf
Es geht weiter mit „Raketenantrieb“ – wer braucht den nicht? Hierfür benötigt man u. a. Alfalfasprossen. Mag ich gern, sind supergesund und extrem basisch, man muss sie aber drei bis fünf Tage vorher ansetzen. So viel zum Thema Rakete … Der Geschmack war okay, leicht scharf dank Chili, frisch, aber noch lange kein Hochgenuss. Versuch Nummer zwei: Eine Süßkartoffel soll mir zum „Zitrus-Hit“ verhelfen, wobei ich echte Bedenken habe, als ich die Knolle durch meinen geliebten Entsafter drücke. Zu Recht: Zwar übertünchen Orange und Grapefruit den Geschmack der rohen Kartoffel ganz gut, die Konsistenz auf der Zunge ist aber irgendwie seltsam.
Insgesamt habe ich bei keinem einzigen Rezept diese innere Muss-ich-jetzt-sofort-zubereiten-Vorfreude. Eher große Fragezeichen über dem Kopf: Das soll schmecken? Mit ganz viel Fantasie vielleicht. Die fehlte aber selbst der Autorin beim Erfinden ihrer Rezeptnamen, so gibt es z. B. die „Turbo-Tomate“, auf die einige Seiten später der „Tomaten-Turbo“ folgt. Schade, wissen wir doch spätestens seit ihrem Vorgängerwerk, dass die Frau echt was drauf hat. Die Fotos von Kate Whitaker sind, nun ja, medizinisch steril und sehr kühl. Nicht wirklich mein Geschmack – wie auch die diversen Säfte und Smoothies, die ich im Laufe der letzten Wochen in mich hineingeschüttet habe sowie die extreme Gewichtung teurer Superfoods. Und eine Aphrodite auf Speed bin ich immer noch nicht.
Man muss schon ein extremer Superfood-Junkie sein, um an diesem Buch Freude zu haben. Und man braucht einen guten Entsafter sowie einen Hochleistungsmixer. Sollte beides der Fall sein: Fügen Sie im Kopf gern einen Stern zu meiner Rezension hinzu. Was den Geschmack angeht, nun ja … Ich empfand die meisten Rezepte als entweder zu gemüsig (denken Sie an misslungene, kalte Gemüsesuppe) oder zu normal (wobei auch die normalen nicht ohne Superfoods auskommen). Insgesamt ein Buch, das es nicht in mein Regal schaffen wird. Ich weiß aber auch nicht, wem ich es schenken könnte.
Veröffentlicht im Juli 2015
Coole Rezension. 🙂
Danke! 🙂
Stefanies leichte wie witzige Feder ist auch in dem Magazin Food & Travel zu lesen.