Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
So ein Kochbuchtest-Team gab es noch nicht. Drei Food-Bloggerinnen nahmen sich des Kochbuchs von Nelson Müller an. Dorothée von Bushcooks Kitchen, Heike von heike.essenvonau.de und Sabine von Hamburg kocht. Ich war sehr gespannt zu lesen: Sind sie strenger? Werden die Rezepte in jedem Winkel lustvoll auf Verbesserungen abgesucht? Gar nicht, sie waren ganz bei Nelson und das Kochvergnügen war wie immer groß.
Eines ist sicher: Nelson und sein Kochbuch hat in keinster Weise Sympathiewerte beim Nachkochen eingebüßt. Ehrlich, inspirierend und gelungen – so fällt das Fazit kurzgefasst aus.
Wie lange kochst Du schon und wie benutzt Du Kochbücher?
Ich koche, seit ich denken kann. Meine Liebe zum Kochen wurde durch meine Großmutter geweckt, bei der ich oft die Ferien verbracht habe. Sie war eine begnadete Köchin und ihr Vater war Gastronom und Metzgermeister. Das gemeinsame Kochen war mein Einstieg. Bereits mit Anfang 20 habe ich Kochkurse bei Profi-Köchen besucht und das tue ich heute noch. Kochen ist mein Lieblings-Hobby.
Seit heuer schreibe ich einen Food-Blog, der mir sehr viel Freude bereitet. Neben der täglichen Kocherei gehört meine Leidenschaft auch dem pikanten Einmachen von Obst. Und der Blog bietet mir einen schönen Raum meine Rezepte und Kocherfahrungen mit anderen zu teilen. Gerne berichte ich auch von Restaurantbesuchen und Kochevents.
Kochbücher sind ein wichtiger Teil meines Hobbys, ich sammle sie sehr intensiv. Meine Sammlung ist subjektiv geprägt, das Buch sollte einen Bezug zu meinen Erlebnissen haben oder ein neues Koch-Thema abdecken. Ich lese sie, ich blättere sie zur Entspannung durch, ich reise mit und nach ihnen, ich informiere mich über den Lebensweg eines Kochs, ich lasse mich inspirieren und ich koche auch nach ihnen.
Ich koche, seit ich denken kann. Zuerst mit Oma, später in der vegetarischen Phase für mich alleine und schon mit 20 war kochen für mich mehr als reine Nahrungszubereitung. Damals habe ich Kochbücher als Anleitung benutzt, heute dienen sie mir in erster Linie als Inspiration. Anleitungen folge ich bei Dingen, die ich gar nicht kenne.
Ich schaue zuerst auf Fotos, dann auf den Titel, dann auf das Rezept an sich.
Ich koche, seitdem ich mit 17 in die erste eigene Wohnung zog, also seit knapp 30 Jahren. Davor habe ich lieber gebacken und eher Tiefgekühltes aufgetaut, denn als ich Kind war, lag meine Mutter längere Zeit im Krankenhaus, da habe ich zeitweise die Versorgung von meinem Vater und mir übernommen. Sporadisch kam eine Haushälterin, die für frische Küche sorgte, deftige Hausmannskost, wie sie auch meine Mutter kocht, wenn sie kocht, denn sie kocht nicht gerne. Mit Mitte Zwanzig arbeitete ich einige Zeit im Nahen Osten. Wieder zurück zu Hause, begann die Suche nach Zutaten und Geschmäckern, die zu der Zeit hier noch weitgehend unbekannt waren. Gleichzeitig durchbrach meine Kochlust alle Schranken. Sechs Gänge mit Rezepten aus verschiedenen Epochen und Ländern für 14 Personen, gekocht auf 6 m² mit geliehenen Töpfen und Pfannen, gegessen von geliehenen Tellern, mit geliehenem Besteck auf 15 m² (wenn man die Einrichtung abzieht …) bildeten das erste Menü. Und seitdem ist für mich Kochen unendlich, um Johanna Maier zu zitieren. Gelegentlich überfordert das mich und meine Gäste. Da müssen sie und ich durch. Wir wachsen mit unseren Ansprüchen.
Auch die Nutzung von Kochbüchern hat sich verändert. Früher waren es hauptsächlich staubfangende Nachschlagewerke, wenn ich beispielsweise nicht wusste, wie lange Rosenkohl kocht. Koch-Anregungen holte ich mir aus Frauenzeitschriften. Heute hole ich mir die Anregungen aus den Kochbüchern und nutze sie sehr intensiv, was man ihnen auch ansieht. Aber Bücher, auch Kochbücher, müssen Patina haben, finde ich.
Zum Kochbuch: Was waren Deine ersten Eindrücke?
Wenn ich Nelson Müller im Fernsehen kochen sehe, habe ich schon eine positive Grundstimmung. Ich mag ihn, ich mag seinen Kochstil, ich habe auf dieses Kochbuch gewartet. Und ich möchte unbedingt einmal bei ihm essen.
Es gab einmal eine Sendung von „Lanz kocht“ zum Muttertag. Die Mütter aller Köche waren anwesend und durften das Menü genießen. Besonders beeindruckt hat mich Frau Müller, eine warmherzige, kluge Frau, mit einer ganz besonderen Beziehung zu ihrem Adoptivsohn. Die Erinnerung daran schoss mir sofort durch den Kopf, als ich das Buch aufschlug und die sympathischen Kinderbilder von Nelson sah.
Beim Weiterblättern entdeckte ich die gelungene Einteilung in Kapitel, die Nelsons Lebensweg symbolisieren sollen. Von der Erinnerung an die Kindheit, über das Fernweh, seine Wanderjahre als Koch und seine „soulige“ Liebe zur Musik, gipfelt es in Rezepten aus seinem Restaurant „Die Schote“, für das er seit kurzem auch den ersten Michelin-Stern bekommen hat.
Da ich Müller durch seine verschiedenen TV-Auftritte kenne und schätze, war ich positiv voreingenommen. Vom Titelbild blickt er sympathisch entgegen, die Gestaltung retro oder afrikanisch? Das Buch an sich wirkt vernünftig stabil ohne Schnickschnack und Abgehobenheit: Ein Buch zum Anfassen, nicht zum Verehren.
In Vorwort und dem Kapitel „Geschichte“ mit Fotos aus Müllers Kindheit wird schnell klar, dass ein sehr perönliches Kochbuch vor mir liegt und so ist es auch nach Müllers Stationen gegliedert, anstatt nach Zutaten oder Menuefolgen.
Das Layout ist schlicht und übersichtlich, die Fotos modern, häufig mit wenig Tiefenschärfe und verheißungsvoll. Wie schon im Vorwort angekündigt, treffen einfache Gerichte wie ein Eintopf auf aufwendige wie Entenleberparfait.
Ich war sofort begeistert, weil das Kochbuch unterschiedliche Bedürfnisse und unterschiedliches Kochkönnen befriedigt. Es gibt Hausmannskost, Raffinierteres, Einfacheres, Deutsches, Internationales … Ich holte mir sofort Index-Marker und markierte, was ich nachkochen wollte. Das war ineffektiv. Effektiver wäre es gewesen, die Rezepte zu markieren, die ich nicht sofort nachkochen wolle. Hilfreich sind die erklärenden Bildstrecken, zum Beispiel bei den Schwäbischen Maultaschen oder beim Schweinekrustenbraten. Insgesamt aber wünschte ich mir mehr Fotos, nachdem ich mich beispielsweise bei der Serbischen Bohnensuppe fragte, ob sie so aussehen soll, wie ich sie gekocht habe.
Sehr gut finde ich, dass es neben dem alphabetischen Register auch ein Register nach Menüfolge gibt.
Welche Rezepte hast Du ausprobiert und wie fandest Du sie?
Bei der Auswahl war mir wichtig, mit regionalen Zutaten zu arbeiten. Beim Durchblättern habe ich viele Rezepte entdeckt, die mich angesprochen haben, die aber wegen der frischen Zutaten im Winter nicht möglich waren. Macht nichts, die koche ich eben zu einer anderen Jahreszeit.
Die Rezepte sind thematisch in Kapiteln gegliedert und so finden sich neben ganz einfachen Dingen, wie Schinkenbrot, auch das komplexe Gericht Wachtel-Crépinette. Gute bodenständige Hausmannskost aus Deutschland wie die Schwäbischen Maultaschen sind genauso dabei, wie asiatisch, amerikanisch und afrikanisch inspirierte Gerichte.
Vieles hat mich angesprochen, die Auswahl fiel mir nicht leicht. Unbedingt wollte ich die Chicken Light Soup mit Okraschoten kochen. Ich liebe Okraschoten und das Foto versprach ein typisch afrikanisches Gericht. Optisch hat es mich sehr an eine Suppe erinnert, die ich in Mocambique gegessen hatte. Die musste es unbedingt sein!
Ich bin überzeugt davon, dass man mit saisonalen und regionalen Produkten kochen sollte. Und weil ja Hähnchen-Unterkeulen benötigt wurden, entschied ich mich ein ganzes Huhn auf unserem Bio-Bauernmarkt zu kaufen. Und für die anderen Teile des Tiers passten dann Erbsensamtsüppchen mit Minze und Wan Tans, sowie Curry-Zitronengras-Suppe mit Kokosmilch und Ingwer.
Seit einigen Jahren treffe ich mich zweimal im Jahr mit Gleichgesinnten aus München, um gemeinsam ein schönes Menü zu kochen. Das war die Gelegenheit um das Parfait von der Entenleber mit Madeira und Pfefferkirschen als Amuse für die Gruppe zu kochen. Zusätzlich war einer unserer Kochfreunde von dem Blutwurststrudel mit marinierten Linsen so begeistert, dass dies sein Menübeitrag wurde.
Die Suppenrezepte haben mir rundum gut gefallen, kleine Anpassungen bei der Garzeit und beim Würzen waren notwendig, aber dies ist gar nicht anders möglich, da die Produkte und der persönliche Geschmack dies verlangen. Unglücklich formuliert fand ich bei den Wan Tans die „Faltanleitung“. Bei mir werden das immer Dreiecke, aber niemals Quadrate. Geschmacklich kann ich alle drei Suppen empfehlen, sehr lecker!
Das Parfait von der Entenleber war geschmacklich eine Sensation, leider ist es nicht richtig fest geworden. Hier habe ich den Grund noch nicht herausgefunden, suche aber weiter. Problematischer finde ich bei diesem Rezept die Menge. Für eine Gruppe von 10 Personen habe ích die einfache Menge gemacht. Trotzdem hat sich jeder noch eine große Portion mitgenommen. Für 4 Personen müsste die Menge deutlich reduziert werden.
Auch der Blutwurststrudel ist sehr gut angekommen. In Bayern bekommen wir kaum die schnittfeste Blutwurst aus dem Rheinland und so entschied sich der Koch einen großen Strudel zu backen und aufzuschneiden. Ansonsten ließ sich das Rezept sehr gut umsetzen.
Spinatknödel mit Parmesan und Petersilienwurzelsauce
Ein gutes Beispiel für ein Rezept mit einfachen Zutaten und tollem Effekt, aber: 3kg Spinat sind bei weitem zuviel, ich habe auf 1kg reduziert. Vielleicht hätte ich alle Zutaten auch sehr viel weiter zerkleinern sollen, da fehlte mir die Angabe dazu. Aber am Ende waren die Knödel fluffig-weich und die Petersilienwurzelsauce passte ausgezeichnet. Ein wenig weißer Trüffel wie im Tipp erwähnt darüber gehobelt, werteten das Gericht zu einem Highlight auf.
Tante Hildes Käsekuchen mit zwölf(!) Eiern
Im Buch in nur fünf Zubereitungsschritte gegliedert und genauso einfach ist es auch. Ein wunderbar saftiger, schmackhafter Käsekuchen, ganz simpel vom Blech.
Tomatenpresssack mit Petersilienpüree
Interessanter Titel für eine Tomatenterrine. Beim ersten Durchlesen fehlt mir eine Angabe zur Größe der benutzten Terrinenform. Dank Erfahrung klappt das trotzdem. Der aufgefangene Saft der Tomaten muss bei mir durch etwas zusätzlichenTomatensaft ergänzt werden. Im Ergebnis aber eine tolle Idee und sowohl für Party wie auch ein Menü gut geeignet.
Den Anfang machten der Liebesapfel von der Cocktailtomate mit Pistazien und Grießkrapfen mit gebratener Mango, mit denen wir ein Sonntagsessen flugs zum Menü aufpeppten. Beim Liebesapfel sind zu viele Pistazien im Rezept angegeben. Bei den Grießkrapfen schmeckte uns die Mango ungebraten besser, aber das ist persönlicher Geschmack. Als nächstes gab’s die Serbische Bohnensuppe. Ich ersetzte die Hühner- durch Rinderbrühe und brauchte fast die doppelte Menge, damit es Suppencharakter bekam. Da stimmt das Rezept nicht. Dass ich kräftiger würzte, ist wieder Geschmackssache. Es folgten Szegediner Gulasch und Kürbissuppe mit Apfel und Curry. Die Kürbissuppe war sehr fein, das Gulasch ebenfalls. Alle Gerichte wird es sicher öfter bei uns geben. Und natürlich gab’s bei uns Wiener Schnitzel.
Außerdem probierte ich den Ofen-Kabeljau, aber mit anderen Beilagen. Und in unserem Weihnachtsmenü werden die Rezepte von Nelson Müller ebenfalls reichlich Platz einnehmen.
Dein Fazit zu dem Kochbuch?
Nelson Müllers erstes Kochbuch ist ein rundum sympathisches Kochbuch. Klassische Rezepte mit kleinen neuen Ideen, Rezepte rund um den Erdball und auch großes Kochkino. Das alles mit viel Charme und Persönlichkeit von Nelson Müller. Mir gefallen auch das Format, gerade noch handtaschentauglich, und die klare optische Gestaltung mit appetitlichen Fotos. Gut ist auch die Mengenangabe bei jedem Rezept und die klare Unterteilung von Zutatenliste und Rezeptbeschreibung. Es bietet viel ansprechende Rezepte, einen Tick anders als der „Mainstream“, die aber trotzdem nicht abgehoben sind. Für den richtigen Groove liegt eine CD mit Nelson-Müller-Songs bei.
Nach den Erfahrungen mit den Spinatknödeln habe ich weitere Rezepte stichpunktartig auf solche Fehler geprüft und keinen weiteren gefunden. Auf 2-3 Fotos sind Kleinigkeiten zu sehen, die im Rezept fehlen, die aber auch hauptsächlich der Dekoration dienen. Leider sind nicht alle Rezepte bebildert.
Ich nehme Müller ab, dass das wirklich seine Rezepte sind, sein Buch ist. So wie im Buch, so kocht er auch im TV: Im Grundsatz bodenständig, mit pfiffigen Details und Kombinationen. So wird z.B. ein Pumpernickel durch Schichten und Anfrieren von Butter und Schinken zum kleinen Kunstwerk: Unbedingt nachmachen! „Body und Soul“, der Titel passt zu Müller und seinen Rezepten!
Die schon angedeutete Mischung von schlicht bis aufwendig ist sehr gut gelungen: Sowohl ein schnelles Mittagessen wie der Sonntagsbraten oder das besondere Zwischengericht lassen sich finden und auch Desserts kommen nicht zu kurz.
Die Rezepte sind in der Anleitung zwar komplett, aber minimal gehalten: Bei einigen könnten sich für Kochanfänger Schwierigkeiten auftun. Der geübtere Leser bedankt sich für die sich dadurch ergebende Übersichtlichkeit. Es gibt aber auch viele leicht nachzukochende Rezepte, jedoch fehlt eine Angabe über den jeweiligen Schwierigkeitsgrad.
Die meisten Zutaten sind gut zu beschaffen, oft gibt Müller Alternativen an.
Ich habe jetzt schon viele tolle Anregungen bekommen und werde das Buch sicher noch häufig in die Hand nehmen.
Dein Fazit zu dem Kochbuch? Mir gefällt das Buch insgesamt sehr gut, auch wenn die Mengenangaben gelegentlich nicht stimmen. Ich hätte es mir sicher auch selbst gekauft.
Veröffentlicht im Januar 2012
Und ich schwöre, ich habe bei Heike nicht abgeschrieben :-). Vielen Dank an Katharina, daß Sie uns diese tolle Möglichkeit gegeben hat.
Die Freude war ganz meinerseits. 🙂