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Read, cook, enjoy!
Katharina Höhnk

Kochbuch von Mima Sinclair: Frisch & Grün ★★

Frisch & Grün. Alles im grünen Bereich
Neue Rezepte/Texte: Mima Sinclair & Judith Wills
Neue Fotos Max & Liz Haarala Hamilton
Parragon (2015)

Zwei Sterne: Begeisterung sieht anders aus.

Katharina Höhnk

Von

Grüne Smoothies sind derzeit das am meisten zitierte Beispiel für Foodtrends – je nach Perspektive als absurde Entwicklung oder unbeirrbarer Beleg für Ernährungsvorteile. Dieses preiswerte Buch aus dem Parragon Verlag harrte auf dem Stapel der Rezensionsexemplare und wollte endlich wissen, wofür es  herhalten muss.

Grüne Smoothies – mal ehrlich. Geht’s noch? Als ich davon das erste Mal las, fiel mir fast das Kochbuch aus der Hand. Dieses Gesundheitsgeschnattere kann einen schon mächtig auf den Keks gehen. Statt der einfachen Devise zu folgen „Eat Food, mostly plants, not too much and cook“ wie Pollan sie zusammengefasst hat, braucht es die Inkarnation des Leitspruchs, das Gegenteil von Gluten, Milch und weißen Zucker – und da sind wir bei dem grünem Süppchen, das das Dasein reinigen soll von Scheitel bis Sohle. Von Schmecken spricht keiner. Man muss sich also schon etwas quälen für die Gesundheit, so die Subline. Nichts für mich, dachte ich.

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Popeye-Effekt?

Aber dann? Kam die Neugierde. Denn mit Trends habe ich eigentlich ein ruhiges Abkommen geschlossen, was auch an Berlin liegt, wo die Hypes metropolengerecht in alle Facetten ausdekliniert werden. Das kann nerven, muss aber nicht. Es kann auch einfach interessant sein. Für mich ist es eher eine Frage der Begegnung: Hinterherlaufen oder auf sich zukommen lassen? Letzteres ist meine Wahl. So war es auch mit dem ersten Grünen Smoothie. Auf meinem Wochenmarkt tauchte plötzlich ein Stand auf, der ihn frisch gemixt anbot. 3 Euro für eine interessante neue Erfahrung sind nicht teuer, dachte ich. Das erste Urteil: Tatsächlich, schmecken geht anders. Mehr Energie? Nein, kein Popeye-Effekt.

Luftiges Geplappere

Auf ein Neues mit diesem Buch, dachte ich mir also. Großformatig ist es und lässt so viel Spiel für Überschriften, wenig Text, viele Fotos und poppige Hinweise wie „Optimal: Bei Erschöpfung geben Sie noch 2 TL Bienenpollen zu.“. Es zwitschert ein Singsang von gutmeinenden Empfehlungen an Gesundheitsvorteilen: „… ist eine gute Balaststoffquelle, … reichlich gesund, … die sie von innen heraus strahlen lässt, … das bei Stress hilft und die Stimmung hebt …“. Dabei ist es zweifellos hübsch gestaltet, wenn auch etwas wild für den Lesenden.

Begleitet von pseudo-ernährungswissenschaftlichen Aussagen wie reinigend, entwässernd und überhaupt super. Alles Instagram-mäßig kurzweilig. Luftiges Geplappere und viele Behauptungen, so mein Eindruck. Andererseits – die Tatsache, dass frisches Grün für den Organismus gut ist, das ist aus der Logik meines Wissens über Essen völlig plausibel.

Und so habe ich mich an den Rezepten entlang gehangelt, die mal einen Mixer benötigen, mal einen Entsafter wie z. B. für den Smoothie Hans Dampf mit Zuckererbsen, Gurke, Kiwi, Melone und Spirulinapulver. Nicht in Betracht kamen als Zutat: Weizengras-, Gerstengras- und Chlorophyllpulver. Das klang schon abschreckend: „Wenn Sie sich an den Geschmack von Weizengras gewöhnt haben, können Sie die Menge auf 1 TL erhöhen.“ Aber der Preis dieser jubelnden Nahrungsmittelergänzungen ist es erst recht. Grünes Gold aus dem Bioladen.

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Rosenkohl & Brokkoli zum Trinken

Ich blätterte hin und her. Auch der Gaumen wollte mitsprechen: die Idee für Löwenzahn klang gut, bei Rosenkohl – „Rosenkohl-Tonic mit Rote-Bete-Blätter, Mangold und Reismilch“ – und Brokkoli sagte er laut nein. Meine  Abfrage bei Kennern dieses Sujets bestätigte meine schnelle Annahme. Also erst mal kein Geschmacks-Risiko, beschloss ich.

Das Ausprobieren erfolgte meist am Morgen vor der Arbeit, wenn der Gaumen noch sehr sensibel ist: ein kleiner Probeschluck und dann der Rest als To-go, quasi als zweites Frühstück. Damit traf der Gehalt der Smoothies auch ins Schwarze. Denn mein Erstling und Liebling des Buches – der Grüne Reiniger – hat es in sich: einerseits streckte sich eine Wohlfühl-Stimmung vom Bauch her aus, andererseits: mit einer halben Avocado machte sich das in meiner engen Acne-Jeans nach wenigen Tagen bemerkbar. Frühstück + Grüner Smoothie passen offensichtlich nicht in meinen Kalorienbedarf.

Wunderwaffe Avocado

Der Grüne Reiniger war zudem ein Lehrstück in Sachen Avocado. Ich liebe sie im Salat und Dip eh. Aber hier spielt mehr ihre Fähigkeit eine Rolle, eine cremige Konsistenz herzustellen. Das gelingt ihr wunderbar und dabei ordnet sie sich anders als die Banane, der man das sonst überlässt, völlig im Geschmack unter. Unerlässlich scheint mir bei Grünen Smoothies zudem die Balance zu einem Hauch Süße. Das gelingt nur  durch wirklich reife Obst-Zutaten, vielleicht sogar die überreifen. Sonst muss nachgeholfen werden.

Nach einem tollen Auftakt in Gestalt des Grünen Reinigers ging es geschmacklich bergab. Auch meine Familie verzog so manches Gesicht, so dass ich nach vier Rezeptversuchen aufgab: Für die meisten Rezepte in diesem Buch bin ich viel zu sehr geschmackliche Hedonistin. Gesund – so interpretiert – reicht mir leider nicht. Auch die vielen wohlmeinenden Tipps und Ausführungen besänftigen nicht meinen Argwohn, dass da wenig mehr bleibt als die Aussage, dass Obst und Gemüse gut für uns sind.

Veröffentlicht im Mai 2016

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