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Read, cook, enjoy!
Katharina Höhnk

Kochbuch von Michael Ruhlman: Egg ★★★★★

Egg – A Culinary Exploration of the
World’s Most Versatile Ingredient
Michael Ruhlman
Fotos Donna Turner Ruhlman
Jacqui Small (2016)

Fünf Sterne: Valentinas Liebling – zum Schwärmen gut.

Annick Payne

Von

 

O Welt im Ei, von Haut
Und Schale rings umgeben!
Wenn dich die Sonne schaut,
Beginnt dein freieres Leben.

O Welt in einem Ei,
Wie Wichtiges entscheidet sich,
Geht deine Wand entzwei.
Vielleicht verschlingt man, kocht man dich,
Ißt dich mit Senf, mit Kaviar
(Störs ungezählten Eiern!).
(Joachim Ringelnatz)

cover-kochbuch-michael-ruhlmann-egg-valentinas-2Wie Ringelnatz hat auch Ruhlman eine Ode auf das Ei verfasst, die mit ihren mehr als 200 Seiten und unzähligen appetitanregenden Fotos (von Donna Turner Ruhlman, der Ehefrau des Autors) wohl jeden Leser zum Eierliebhaber bekehren könnte. Michael Ruhlman ist einer der großen kulinarischen Autoren Amerikas, hierzulande eher weniger bekannt, da noch kein einziges seiner Bücher auf Deutsch erschienen ist. Das ist zu beklagen! Ruhlman hat u. a. mit dem berühmten amerikanischen Koch Thomas Keller an mehreren seiner Kochbücher gearbeitet, thematisch widmet er sich in seinen eigenen Büchern mit Vorliebe methodischen Fragestellungen wie Mengenverhältnissen (Ratio) oder Kochtechniken (Ruhlman’s Twenty). Und nun also das Ei.

Das Ei als vielseitigste Zutat

Wie beschreibt man ein Kochbuch, das mit einer Ernsthaftigkeit gut ist, dass Superlative fehl am Platz erscheinen? Mit einem Wort: perfekt. Und gerade deshalb will ich nicht schwärmen, denn es ist nicht flatterhafte Verliebtheit, sondern eine tiefere, innige Verbindung, die man zu diesem Buch aufbauen kann. Was ist es also, was diesen Band so besonders macht?

Es fängt mit dem Cover an, das – in unterschiedlichen Eierfarben – den Ton angibt: das Ei als vielseitigste Zutat im Zentrum des Geschehens, graphisch in ein Geflecht unterschiedlicher Methoden, Einzelteile und Gerichte eingebettet. Dieses Flussdiagramm findet sich auch als herausnehmbares Extra am Ende des Bandes: es teilt das Ei auf erster Ebene in ganz bzw. getrennt, und arbeitet sich durch unterschiedliche methodische Ansätze zu einer Vielzahl an Gerichten, deren Darstellung auf dem Papier eine derartige Breite einnimmt, das man das ausgefaltete Diagramm gerade eben mit ausgestreckten Armen halten kann. Wie eine Landkarte kann man entlang verschiedener Stationen von A nach B reisen, beispielsweise ganzes Ei > ohne Schale > pochieren > in Flüssigkeit > in Soße > pochierte Eier in Rotwein. Oder wir nehmen eine andere Route, biegen nach ohne Schale in Richtung vermischt ab, nehmen die Custard-Abzweigung und landen beim wohlklingenden Bourbon Brioche Bread Pudding. Oder lieber bei Chawanmushi?

Hier kann man lernen

Man kann sich schnell verzetteln, und ich möchte behaupten, man soll das auch. Nicht nur das Diagramm, das ganze Buch lädt zum stetigen Querlesen ein. Blättern, stöbern, finden; weiterblättern. Sind gerade ein paar Eiweiß oder Eigelb übrig? Dann ab in die relevanten Kapitel. Aber nicht, dass jetzt der Eindruck entstände, es handele sich um ein Resteverwertungsbuch. Jedes einzelne Rezept scheint mit Bedacht ausgewählt, es wird viel erläutert und kontextualisiert, wobei es auch bei Anekdoten nie um die Person des Autors, sondern um seine primäre, selbstgestellte Aufgabe geht, nämlich, das perfekte Rezept zu (er)finden.

Und von solchen wimmelt es in diesem Band. Was habe ich gekocht und genossen! Noch mehr erfreut mich die Aussicht, dass ich noch viel probieren kann. Doch am besten: ich kann lernen. Ohne je ins Oberlehrerhafte zu verfallen, spickt Ruhlman seine Texte mit hilfreichen Tipps und Erläuterungen. Und vermeintlich schwierige Rezepte zeigen im Fotoroman, wie machbar sie sind. All dies ist es, was eine langwährende Autor-Leser-Beziehung verspricht. Das ist der Grund, warum der Band absehbar keinen Platz im Bücherregal findet, sondern in der Küche bleibt, wo er von allen Familienmitgliedern verwendet wird. Denn er hält, was er verspricht: großartige Resultate wie neue Einsichten.

Wenn ich ein Kochbuch schreiben würde …

Unser Lieblingsrezept ist bislang die grandiose Fischroulade, die bereits mehrfach zum Einsatz kam. Aber da Eier ja bekanntlich sehr vielseitig sind, konnten auch Fleischgerichte wie das Bibimbap punkten. Und das sind nur die weniger offensichtlichen Eierspeisen. Die verlockenden Rezepte, auf die ich mich bald freue? Da wäre zum Beispiel Schweineramen mit weich gekochtem Ei und Frühlingszwiebeln; oder doch lieber Ramen mit Ei Sous Vide? “Coddled eggs” mit Trüffelbutter klingen ebenfalls hinreißend, und die nächsten überflüssigen Eiweiße werden sicher behutsam zu weißem Nougat mit Pistazien verarbeitet.

Ruhlman ist ein Autor, der akribisch recherchiert, experimentiert und analysiert, was er beschreibt. Wenn ich ein Kochbuch schreiben würde, dann eines wie dieses – ein größeres Lob kann ich nicht aussprechen.

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Veröffentlicht im Januar 2017

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