Drei Sterne: Hat Stärken, aber überzeugt nicht ganz.
Gemüse ist einfach genial. Ich liebe die bunten Farben, die Aromen, die vielen Zubereitungsmöglichkeiten, und dass es gesund ist, ist natürlich wunderbar. Aber muss man daraus eine Weltanschauung machen?
Mit Meine Gemüse-Küche für Herbst und Winter von Meret Bissegger wollte ich eigentlich meinen kulinarischen Horizont über Rüben, Kürbis und Kohl noch erweitern, aber das große Entzücken wollte sich nicht so recht einstellen. Ökologisch, saisonal und lokal sind Bisseggers Prinzipien als Mitglied der slowfood Kommission in der Schweiz, früher als Köchin in ihrem kleinen Lokal und in den Kochkursen, die sie heute gibt. Ihren Kochstil beschreibt sie selbst als leidenschaftlich, genussbetont und spielerisch. Aber „Lustbewusst essen“, wie es im Vorwort heißt, stelle ich mir irgendwie inspirierender vor. Immer wieder habe ich mich gefragt, warum mich die Rezepte nicht wirklich ansprechen, warum ich nicht gleich beherzt zum Kochlöffel greife oder meine Favorites notiere. Bin ich zu abgehoben oder zu wenig Öko-Gemüsebox-Fan?
Aber bei den 150 Rezepten fiel mir vor allem nur Schlichtheit auf. Kaum Salz, kaum Anbraten um die leckeren Aromen richtig zur Geltung zu bringen, wenig Fett. Der Blumenkohl mit Thai-Gewürzen wird tatsächlich nur mit einigen asiatischen Gewürzen in Wasser kurz gekocht und mit Zitronensaft abgeschmeckt. Ist das neue Sachlichkeit und ich hab den Trend verschlafen oder einfach nur langweilig? Die Pasta mit Krautstiel und Champignons ist für mich ein Gericht wie es jede Hausfrau tagtäglich einfach zum Mittagessen zubereitet. Auch nach mehrmaligem Blättern finde ich nirgendwo ein Highlight. Warum kommt das Gemüse hier nur so un-sexy daher, reduziert auf Öko-Küche im Stil der 80er oder fade Diät? Trotz vieler auch exotischer Gewürze und Zutaten (die dankenswerter Weise am Ende des Buches noch näher vorgestellt werden) – kein Wow oder gar Erweckungserlebnis.
Keine Frage – Frau Bissegger ist vernetzt und kennt sich aus. Bei ihren Besuchen bei diversen kleinen Bio-Betrieben in der Schweiz hat sie alles Wissenswerte über den Anbau seltener Sorten, bio-dynamische Düngung und ganzheitliche Bewirtschaftung erfahren. Das alles fließt in den ersten Teil des Buches ein, bevor es nach der Küchenpraxis zum Hauptteil, den Pflanzenportraits und Rezepten geht. Auch hier – enormer Sachverstand: sie lässt uns teilhaben an ihrem Fachwissen über Anbau, Herkunft und Erntezeit, erzählt von alten Sorten oder Neuzüchtungen, gibt Tipps zur Zubereitung und welche Zutaten am besten mit dem jeweiligen Gemüse harmonieren. Die wunderschönen Fotos von Hans-Peter Siffert dazu sind eine wahre Augenweide. Ein Salatfeld, die Nahaufnahme einer aufgeschnittenen marmorierten Wurzel, eine eben aus der Erde brechende Rübe – die Fotos sind mit so viel Liebe entstanden – dort spürt man etwas von der Leidenschaft für das Produkt. Die Foodfotos dagegen ähneln ein wenig dem Stil der Rezepte: etwas altbacken und schlicht.
Manche der vorgestellten Gemüse (oder auch Zutaten wie Wildhirsemehl und Farina bona) sind eher lokale Spezialitäten aus dem Tessin und selbst auf meinem gut sortierten Wochenmarkt fand ich weder Soncino noch Hafer-Wurzel oder Kardi. Für den allgegenwärtigen Brokkoli oder Kohlrabi hätte ich gern neue Inspiration gefunden, aber dafür gibt es kein einziges Rezept. A propos „finden“. Die Dreifarbige Terrine beispielsweise versteckt sich im Register unter dem Stichwort Blumenkohl. Und selbst wenn ich nach einem Rezept für Rote Rüben suche, muss ich das Schweizer Wort Rande kennen! Dennoch, alle Rezepte sind (mit ein bisschen Eigeninitiative) gelungen und auch schmackhaft.
Standing ovations gibt’s von mir dafür leider nicht. Zum Teil fehlen genaue Garzeiten oder Mengenangaben bei Flüssigkeitszugaben – für Novizen bestimmt eine nicht ohne Weiteres zu meisternde Hürde! Auch das Layout der Rezepte fand ich ein wenig gewöhnungsbedürftig. Die Zutaten stehen in einer Spalte und die Zubereitung dazu in der Spalte daneben, beim Kochen und Nachlesen (gerade wenn viele Zutaten im Spiel sind) verrutscht man leicht in der Zeile. Aber das ist gewiss auch Gewöhnungssache, wenn man das Buch öfters benützt. In meinem Fall: benutzen würde …
Veröffentlicht im Februar 2015
Ich gehe davon aus, dass auch ein Frühlings- und Sommerbuch in Planung ist. Somit wird der Brokkoli (und der Kohlrabi) wohl dort auftauchen. Somit müssen diese beiden Gemüsesorten nicht doppelt erklärt werden.
Mich hat das Buch übrigens beim ersten Durchschauen so umgehauen, dass es dann auch unter dem Tannenbaum lag.
Es trifft genau meinen Wunsch nach dem „puren“ Geschmack der verschiedenen Gemüsesorten .
Ich muss gestehen, ich habe noch nichts aus dem Buch gekocht, da ich es mir hauptsächlich zum Gärtnern gekauft habe. Ich finde zum Anbauen sind viele tolle Ideen dabei und es werdensehr verschiedene Arten einer Pflanze (z.B. bei den Kürbissen) beschrieben. Ich hoffe unsere Chayote wird im Sommer fleissig tragen.
Vielleicht war ja die Intention der Autorin, die Leute zum Anbauen zu bewegen und Ideen zum Kochen des angebauten Gemüses zu geben…
Ja, ich stimme Dir zu. Vielleicht wäre es klug gewesen, das Buchkonzept stärker darauf auszurichten und den Bogen in die Küche in einem anderen Format zu bieten, der der Autorin gerechter wird, worin sie wirklich gut ist.
Danke für eure Kommentare! Beruhigend, dass es dir auch so geht, Lena. Ich hatte mich auch sehr auf das Thema gefreut, fand aber die Umsetzung leider nur wenig inspirierend.
Leider muss ich mich der Rezensentin anschließen. Ich habe es selbst als Rezenionsexemplar zu Hause und war dann ganz schön enttäuscht, nachdem ich mich so darauf gefreut habe!
Tatsächlich sind einige ausgefallenere Gemüsesorten oft nicht zu bekommen und die Rezepte sind langweilig und uninspiriert. Es erinnert mich vieles an die 80er Kochbücher meiner Mutter und da waren die Rezepte spannender. Der Funke will nicht überspringen und ich tue mich mit der Rezension schwer, da ich keins der Rezepte nachkochen möchte.
Öko-Gemüsebox-Fan? Hardcore-Vegetarier? Tststststs….
P.S. Broccoli und Kohlrabi werden in der Schweiz von Mai bis Oktober geerntet. Ausserhalb dieser Zeitspanne wird Broccoli aus Spanien oder Süditalien importiert. Kein richtiges Herbst- und sicherlich kein Wintergemüse, darum tauchen sie im Buch nicht auf.
Hm, Brokkoli ist kein RICHTIGES Herbstgemüse? Freiland wird bis Mitte Oktober geerntet. Auch meinen Kohlrabi in Süddeutschland ernte ich bis Mitte Oktober, wenn die Schnecken ihn nicht aufgefressen haben. Herbstbeginn ist schon der. 23. September …
Ich hätte es auch sinnvoll gewesen, wenn die beiden Sorten im Buch mit solchem Titel vorgestellt worden wären, aber gut, es gibt ja genug anderes und man muss eine Auswahl treffen. In der saisonalen Genauigkeit muss ich leider der Rezensentin zur Seite springen, Iris, der Einwand ist nicht stimmig.