Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
„Frisch, leicht und lustvoll“ – was für ein Versprechen! Feiert die Vollwertküche mit diesem Buch wirklich ihr Comeback, wie es auf dem Einband heißt?
Vollwertkost ist für mich ein schwierig zu fassender Begriff – war es nicht so, dass der Verzehr von Fleisch, Fisch und Eiern zwar nicht abgelehnt, aber eben auch nicht als unbedingt nötig eingestuft wurde und dass die reine Rohkost im Mittelpunkt steht?
Für die Autorin Martina Kittler (unten) bedeutet Vollwertküche vor allem vegetarisches Essen, frisches Obst und Gemüse, Getreide, Hülsenfrüchte und Milchprodukte, aber auch auf Fleisch und Fisch, Süßes, Sahne und Alkohol braucht nicht verzichtet zu werden. Und es sollte alles vom Markt oder aus dem Garten, aus nachhaltiger Weidehaltung oder fangfrischer Öko-Fisch sein. Dabei reichen 1-2 Fleischmahlzeiten die Woche, wobei Milch täglich auf den Plan kommen sollte.
Irgendwie hört sich dies so an, als ob ich mich gar nicht weiter umstellen müsste und auch wenn ich die Rezepte lese, wie Thai-Kokos-Entensuppe mit Gemüse, kreolischer Lachs mit buntem Gemüse-Wildreis sowie Linsen-Spinat-Bruschetta und Pfirsich-Melba-Tiramisu kommen mir nicht gerade Begriffe wie Bescheidenheit und Askese in den Sinn. Warum auch, nach diesem Buch soll die Vollwertküche Spaß machen. Deshalb gibt es auch noch Tipps, wie Joghurt, Marmelade und Eis selbst gemacht werden.
Farbenfroh, übersichtlich und bebildert
In bewährter GU Manier sind die Rezepte gut strukturiert, mit genauer Zutatenliste, abgesetzten Schritten zum leichten Nachkochen und kurzen Untertiteln, die in sprachlich lockerer Weise eine kleine Zusammenfassung des zu Erwarteten geben. Wunderbar ansprechende Fotos für jedes Rezept machen das Buch zu einer kleinen freundlichen Einladung in die Welt der vollwertigen Küche.
Die sichtbar hohe Kunst der Food-Fotografie sollte es mit dem „Appetit machen“ aber auch nicht übertreiben. So ist es schade, dass das für die Kaufentscheidung so wichtige Foto vorne auf dem Einband nicht dem Rezept entspricht. Für die Optik garnieren auf dem Foto noch Zwiebelringe und Apfelchips den Salat, obwohl sie doch nur fein gehackt als Zutaten verwendet werden. Tja und in einem anderen Fall färbt das köstliche Kürbiskernöl den Ziegenkäse nun mal leicht grünlich, was auf dem Bild zum entsprechenden Rezept lieber weggelassen wurde, so dass der Ziegenkäse noch frisch weiß aussieht.
Vom Feinsten!?!
Der Untertitel ist Programm, in den fünf Kapiteln „Frühstück und Kleinigkeiten“, „Salate und Rohkost“, „Suppen und Eintöpfe“, „Vegetarisch, mit Fleisch, mit Fisch“ und „Süße Hauptgerichte und Desserts“ versteckt sich eine Vielzahl an spannend klingenden Gerichten: Feigen-Quinoa-Müsli, Buchweizen-Blini mit Rote-Bete-Tatar und Kaviar, Bunte Blattsalate mit Meerrettich-Mousse, Champignon-Carpaccio mit Spinat und Linsen, kreolischer Lachs mit buntem Gemüse-Wildreis, … .
Gerade die leicht scharfe Note der Paste, mit der der Lachs bestrichen wird, kam sehr gut bei meiner Familie an. Da er im Backofen gart, war er auch leicht zuzubereiten. Und das Champignon-Carpaccio mit Spinat und Linsen war eine große Überraschung. Hier war ich recht misstrauisch, ob es reicht, den Spinat und die Champignons mit dem Linsen-Dressing zu Zitat „beträufeln“ – muss ich es denn nicht ordentlich vermengen? Aber nein, gerade diese Variante belässt den Spinat noch knackig und die Champignons frisch. Ich habe noch etwas mehr Essig hinzugefügt – ein Genuss!
Da meine Mutter Buchweizen-Pfannkuchen liebt, habe ich ihr die Buchweizen-Blini zubereitet. Mit Erfolg. Zwar fand sie den Aufwand insgesamt sehr hoch, aber die Zusammenstellung mit dem Rote-Bete-Tatar und der Crème fraîche mit Kaviar waren dann doch beeindruckend. Sie schlug dann noch etwas kalten Kaffee in der Teigmischung für die Blinis vor… das werde ich beim nächsten Mal ausprobieren.
Verfeinerung statt Comeback
Mit dem Buch eröffnet sich somit ein bunter Strauß an Rezepten – das versprochene „Comeback der Vollwertküche“ erscheint aber etwas übertrieben. Hier geht es eher um die Verfeinerung der Vollwertküche. Ich merke, dass ich mir ein etwas leiseres Auftreten des Kochbuches gewünscht hätte.
Die Rezepte sind eingerahmt von Wissenswertem zu verschiedenen Elementen der hier vorgestellten Vollwertküche – am Anfang etwa zu Buchweizen, Berglinsen, Honig, Kräuterseitlingen, Macadamia-Nüssen, Pastinaken, Quinoa und Süßkartoffeln – warum diese allerdings „Vollwert-Superfoods“ genannt werden müssen, erschließt sich mir nicht. Am Ende gibt es auf 2 Seiten einige Hinweise zu den wertvollen Inhalten von Getreidesorten, zu den Arten von Ölen und Fetten und zu pflanzlichen Binde- und Geliermitteln. Dies kann schnell übersehen werden und hätte auch an den Anfang gepasst – die Überschrift „Zum Nachschlagen“ ist jedenfalls nicht so ganz passend.
Vollwert vom Feinsten ist ein klar geschriebenes, gut strukturiertes Buch mit vielen Spielarten einer hochwertigen Vollwertküche. Zu jedem Rezept gibt es ein Foto, welches Lust macht auf die vielen Kompositionen vegetarischer und fleisch- und fischhaltiger Küche. Manchmal versuchen die Fotos aber, das Rezept zu „verschönern“, was überhaupt nicht nötig ist und eher irritiert. Der Schwerpunkt des Buches liegt auf dem Feinen der Vollwertküche und verdient sehr gute 4 Sterne!
Veröffentlicht im Februar 2016