Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Auch wenn peruanische Restaurants nicht gerade wie Pilze aus dem Boden sprießen – eines ist klar: Ceviche und Co. sind angesagt vor dem Hintergrund der pazifischen Küche. Da mein Kenntnisstand diesbezüglich so ziemlich bei Null zu orten ist, nähere ich mich unvoreingenommen und neugierig dem Thema.
Obwohl – so ganz unbekannt ist mir das Land nicht, wenn auch nur durch die Romane des Literaturnobelpreisträgers Mario Vargas Llosa, die ich nahezu komplett mit großem Interesse gelesen habe. Man erfährt in ihnen zwar viel über Land und Leute, aber Kulinarisches ist mir von der Lektüre eher nicht in Erinnerung geblieben.
Martin Morales (Foto links), Sohn eines britischen Vaters und einer peruanischen Mutter, ist schon im jugendlichen Alter nach England gezogen, wo seine Kochleidenschaft erst nach einem Abstecher ins Musikgeschäft sein Leben änderte. Inzwischen besitzt er mehrere Restaurants in London. Sein erstes Kochbuch „Ceviche“ ist bei Valentina insgesamt positiv aufgefallen.
Viel Folklore und exotische Zutaten
Sein neues Buch orientiert sich optisch mit seinem folkloristischen Kachel-Einband am Erstling. Die Fotos von Speisen und Straßenszenen haben mir gut gefallen, wie das gesamte Layout. Eine Besonderheit sind am Ende des Buches Geschichten aus den Anden, die Impressionen aus Peru mit kulinarischen Hinweisen verbinden.
Thematisch geht es speziell um die Küche in den Anden, die ein wenig anders ist als die in der Küstenregion, obwohl auch hierher neben den alten Traditionen, die zum Beispiel auf der Kenntnis von zweitausend Kartoffelsorten und solch uralten Techniken wie den Erdöfen fußen, die Einflüsse der Zuwanderer aus neueren Zeiten vorgedrungen sind.
Aber kommen wir nun zu den Rezepten, die relativ klassisch sortiert daherkommen: Frühstück, Snacks, Salate, Ceviches, Gebraten & Gedämpft, Gegrillt, Gebacken & Geschmort, Eintöpfe, Suppen, Desserts, Getränke. Hilfreich sind noch ein Glossar und der Verweis auf Bezugsquellen, denn das Besorgen landestypischer Zutaten dürfte beim Nachkochen noch die größten Schwierigkeiten bereiten. Hier geht es nicht nur um spezielle Chili- oder Kartoffelsorten, auch eine besondere Tagetesart namens Huacatay wird häufiger verwendet. Ganz zu schweigen von Stier- oder Hammelhoden und Meerschweinchen, die in Peru nicht gerade selten auf dem Speisezettel stehen.
Farbenfrohe Kreationen
Diesen Schwierigkeiten begegnet der Autor mit allerlei Alternativvorschlägen, die mir sehr geholfen haben. Aber einige typisch südamerikanische Produkte sind ja inzwischen auch bei uns eingebürgert, etwa Mais, Quinoa und Avocados.
Besonders interessiert haben mich die diversen Ceviche-Rezepte, jedoch hatte ich mir hier ein paar mehr erwartet. Neu war für mich, dass nicht nur Fisch in der „Tigermilch“ mariniert wird, sondern auch Gemüse wie Artischocken, Avocados und Bohnen. Entschieden habe ich mich dann für ein Ceviche mit Jakobsmuscheln, dessen Farbenspiel an ein modernes Gemälde erinnert.
Relativ häufig wird frittiert, aber auch gedämpfte Speisen weckten mein Interesse. Für das ebenso farbenfrohe „Puca Picante Vegetariano“ werden allerdings Olluco- und Oca-Knollen verwendet, die ich durch Pastinaken und Möhren ersetzen durfte. Daraus entstand dann ein wärmender Eintopf, gerade recht für die ersten kalten Herbsttage.
Angetan war ich auch von den mit Waldpilzen und Feta gefüllten Paprikaschoten in Sahnesauce. Schade, dass es die ursprünglich vorgesehenen scharfen Rocoto-Paprika-Schoten hier nicht gibt und man deshalb auf eher geschmacksneutrale hiesige Schoten ausweichen muss. Eine weitere feine vegetarische Spezialität war dann der Quinoa-Käse-Pudding, der aber eher ein Risotto auf Quinoa-Basis ist und dank reichlich Käse und Sahne ungemein cremig daherkommt.
Manchmal ufert die Zutatenliste aus
Zum Weiterlesen
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Insgesamt wechseln relativ einfach nachzukochende Rezepte mit solchen, denen man anmerkt, dass sie aus der Restaurantküche mit ihren diversen Möglichkeiten stammen. Da wird man dann oft auf andere Rezepte verwiesen und die Zutatenliste wird länger und länger. Auch wenn es sich dabei meist nur um diese oder jene Sauce oder Paste handelt, ist das doch aufwendig. Ansonsten bereitet die Zubereitung keine größeren Probleme, die Beschreibungen sind routiniert, sodass kaum etwas schiefgehen kann. Gefallen haben mir auch die kurzen Einleitungen, in denen auf Besonderheiten des jeweiligen Rezepts eingegangen wird. Und wer Näheres über die eine oder andere einheimische Zutat wissen möchte, findet im Glossar eine knappe Erklärung.
Letztlich konnte ich zufrieden mein Kochrepertoire um einige ausgefallene Kombinationen erweitern. Wobei natürlich immer die Ungewissheit bleibt, inwieweit man einer fremden Küche gerecht wird, wenn man exotische Zutaten, die man überhaupt nicht oder nur mit Schwierigkeiten bekommen kann, durch einheimische ersetzt. Aber ich denke, dass das Buch und das, was beim Nachkochen herauskommt, doch dem Wesen der Andenküche gerecht werden.
Veröffentlicht im Mai 2020