Fünf Sterne: Valentinas Liebling – zum Schwärmen gut.
Der Schwede Martin Johansson gilt als Geheimtipp unter bloggenden Hobbybäckern, und nun gibt es sein „Surdegsbröd“ endlich auch auf deutsch! Mit Spannung habe ich diesen Band erwartet. Der erste Eindruck war allerdings nicht überwältigend, ein kleines Büchlein von bescheidenem Umfang lag vor mir, gerade mal 23 Rezepte. Ist das alles?
Erst einmal weiter blättern. Ein kurzes Vorwort, neben dem Martin den Leser angrinst, dann geht es sofort in die Vollen. Was ist Sauerteig, wie setzt man ihn an, wie will er gelagert und gefüttert werden? Untermalt wird der theoretische Teil mit Fotos, die meine anfängliche Zurückhaltung bereits aufweichen. Der Blick in den Kühlschrank des Autors lässt ihn mir gleich sympathisch werden, die mit allerlei Hausgemachtem gefüllten Bon-Maman-Gläser, das hätte auch meine Küche sein können. Gut gefällt mir auch, wie die verwendeten Gerätschaften – nein, viel braucht man zum Brotbacken nicht, „eigentlich reichen die beiden Hände vollkommen aus“ (S. 20) –, auf einer Doppelseite als Stilleben illustriert sind.
Auch die den Rezepten vorausgestellten Tipps sind vernünftig, man soll auf den Teig achten, Wassermenge und Gärzeiten ggfs. anpassen, sich also nicht in sklavische Rezepthörigkeit begeben. Infos zum Teigformen finden sich im Anhang, anschaulich illustriert mit kleinen Zeichnungen. Auch die Frage & Antwort-Seiten widmen sich interessanten Themen, hier wird in aller Kürze noch mal das ein oder andere erklärt. Die Rezepte decken eine beglückend nördliche Bandbreite ab, v.a. dunkle Brote, mit Saaten, Körnern, Nüssen und Trockenobst, auch ein Knäckebrot mit Sauerteig, für die Experimentierfreudigen unter uns sogar Brote mit wilder Hefe, die man sich in unter einer Woche selber züchten kann. Das verführt zum Nachbacken.
Bevor ich von den Rezepten erzähle, noch ein paar Worte zum Autor. Ich war sehr neugierig, wer sich hinter diesem Namen, den ich schon öfter gelesen hatte, versteckt, allein der Band verrät es nicht. Martin Johansson, Hobbybäcker, das kann doch noch nicht alles gewesen sein? Martin bloggt hier auf schwedisch, arbeitet hauptberuflich als Art Director und schreibt nebenbei Brotbackbücher, auf schwedisch sind bereits drei erschienen. Die Person des Autors bleibt jedoch auch im allwissenden Internet vornehm im Hintergrund, dass es wirklich rein ums Brot geht, zeigen u.a. seine Brotpornos auf Instagram. Und: die Qualität seiner Brote gibt ihm recht – genau darum geht’s. Vorteig, Hauptteig, nachgebacken.
Etliche Brote später besteht kein Zweifel, dies sind gute, nein, sehr gute Rezepte. Allerdings mit zwei Schwachstellen, angefangen bei den Backtemperaturen, die im normalen Haushaltsofen nicht zu schaffen sind (285 °C kann mein Ofen nicht), und einer Übersetzungsschwäche, die mich etwas ärgert. Was bedeuten wohl Kombinationen wie z.B. 300 g Roggenmehl + 200 g Weizenmehl + 200 g Roggenmehl (S. 54)? Man ahnt, dass hier wohl unterschiedliche Mehltypen verwendet wurden, nur welche? Zugegeben, Mehltypen sind länderspezifisch, aber darf ich als Leserin nicht gerade deshalb erwarten, dass Übersetzung und Lektorat sich diesem Problem widmen?
Hieraus resultiert, dass dieses Backbuch auf mehr Freude durch gutes Gelingen treffen wird, wenn man bereits etwas Erfahrung mitbringt. Ich bin keine Novize und kenne meinen Ofen, weiß, welche Backzeiten und Temperaturen für Brote bestimmter Größe funktionieren, sodass ich durchweg sehr gute Resultate erzielt habe – allerdings Backzeit und Temperatur der Rezepte auch gänzlich ignoriert habe (ein Vergleich mit meinen Notizen zeigt, dass die Backzeiten eine ungefähre Orientierung bieten). Wäre dies mein Einstieg ins Brotbacken, hätte ich vielleicht häufiger gefrustet in die Bratröhre geschaut.
Aber zum Positiven: es schmeckt! Ich sage nur Sauerteigpizza: deutlich besser als mit reinem Hefeteig und extrem pflegeleicht. Und wenn selbst die Variante mit geröstetem Gemüse meine Salami-Pizza-Fraktion überzeugen kann, dann heißt das schon etwas. Auch die Roggenbaguettes sind bei der ganzen Familie so beliebt, dass sie mit schöner Regelmäßigkeit auf den Tisch kommen. Die Rezepte sind durchweg einfach umzusetzen, meist wird abends ein Vorteig angesetzt, morgens der Hauptteig, je nach Gärzeit kann dann ab mittags gebacken werden. Besonders gefällt mir, dass die auf den ersten Blick so kleine Rezeptauswahl sehr variiationsreich ist. Hier findet man Inspiration, für neue, einfache Brote, die sich nicht ständig wiederholen – aber ständig wieder gebacken werden wollen.
Der Band ist wärmstens zu empfehlen, allerdings sollte man darauf gefasst sein, bei Ofentemperatur und Backzeiten ein wenig zu experimentieren. Vielleicht nicht ideal für den Einstieg ins Sauerteigbacken, mit etwas Erfahrung aber eine genussvolle Bereicherung für den häuslichen Brotkasten.
Veröffentlicht im Juli 2014
Hallo Annick,
Du hast mich richtig neugierig auf die Rezepte und das Ausprobieren gemacht. Dazu kommt, dass mein Mann Brot und insbesondere Roggenbrot liebt. Nur…. ich habe wenig Erfahrung mit Brotbacken. Für genauere Angaben bezüglich Deiner Erfahrungen mit diesen Rezepten (Temperatur, Mehlsorten, -typen – ich nehme gerne Dinkelmehl – usw.) wäre ich Dir sehr dankbar, denn es wäre schon sehr traurig, wenn das ganze Haus nach leckerem Brot duftet, dasselbe aber nicht genießbar ist…
Herzliche Grüße
Birgitta
Liebe Birgitta,
ganz pauschal lässt sich das leider nicht beantworten, denn jeder Ofen ist anders, jedes Mehl bindet unterschiedlich viel Feuchtigkeit… Grundsätzlich würde ich dazu raten, erst einmal mit einem Brotrezept anzufangen und das mehrfach nachzubacken (unbedingt Notizen machen!). Dadurch bekommst Du ein Vorstellung, wie lange es in Deinem Ofen dauert und wann der Teig zu trocken/zu feucht/genau richtig ist. Zur Temperatur: probiere es soweit möglich nach Rezept, wenn 285 °C verlangt wird und mein Ofen nur 250°C kann, dann mache ich das und backe etwas länger – wie viel länger, hängt dann wieder von der Gesamtbackzeit und der Form des Brotes ab, da muss man ein wenig herumprobieren. Solange das Brot durchgebacken ist, ist es in jedem Fall essbar, auch wenn es vielleicht noch nicht perfekt ist 😉
Ich hoffe, das ermutigt Dich, es auszuprobieren!
Liebe Grüße, Annick.