Drei Sterne: Hat Stärken, aber überzeugt nicht ganz.
Maria Elia gehört zu der jungen Garde von Kochbuch-Autorinnen, die es verstehen, Kochen als kreativen Moment mit einer weiblichen Handschrift zu versehen. Verspieltheit und Sinnlichkeit schubsen Autorität und Ernst vom Weg – das macht von der ersten Seite an Spaß. In diesem Buch stecken ganz viel eigene Ideen, sowohl in den 111 Rezepten als auch in der Message Create!. Letztere dürfte noch weiter gehen, erstere sind manchmal zu durchdacht. Trotzdem: Full of flavour hat meine ganze Sympathie.
Würden wir die Kochkunst als Malerei betrachten, dann wäre offensichtlich, dass wir Köchinnen aus dem Vollem schöpfen. Nicht nur eine Farbpalette steht uns zur Verfügung, sondern gleich drei: die der Aromen, Texturen und Präsentation. Nun macht die Vielfalt den Moment vor der weißen Leinwand nicht unbedingt einfacher, denn wo anfangen? Wie sieht der erste Strich aus? Schon manchem Künstler wurde schwach ums Herz. Lust und Last zugleich. Aber Rettung naht. Maria Elias Kochbuch Full of Flavour ist die Fingerübung vor dem ersten Strich, sprich der Beginn eines selbst entwickelten Rezepts nicht per Zufall, sondern konzeptioneller Überlegung. Sie will ihre Leser dazu inspirieren. Die Brücke sind ihre 111 Rezepte, begleitet von Ideen, wie der kreative Prozess beginnt.
Laaange Zutatenliste
Springen wir ins Buch: Die Kapitel folgen keiner zwangsläufigen Logik, sondern dem Favoriten-Status bei der Autorin wie u. a. Beef, Oily Fish, Roots, Dairy, Stone Fruits und mehr. Eingeleitet werden die Kapitel mit einem illustrierten Pinboard, das die Gedankenschnipsel der Autorin zu ihren Favoriten sammelt. Bei Fasan & Co. liest sich das so: „they have little fat so careful you don‘t dry them out, add some wine or sherry, ideal to slow braise or etc.“ Das ist ziemlich hübsch anzuschauen und bringt eine erste Verspieltheit in die Gedanken und in die optische Starre von Rezepten.
Wer dieses Buch sein eigen nennen will, darf keine Angst vor längeren Zutatenlisten haben. Auch wenn diese sich als easy-peasy entlarven für alle, die über einen gut sortierten Gewürz- und Kräuterschrank herrschen. Belohnung ist da. Denn Maria Elias Rezepte bieten das gewisse Etwas an Neuem mit einem eleganten, aber geerdeten Touch: Clementine and Chilli griddled Squid, Pomegranate marinated Quail + griddled Radicchio and bitter Leaf Salad, Rhubarb + Rosewater and Ginger Trifle. Die sind inspirierend und machen neugierig. So manches Mal verlor sich meine kulinarische Phantasie beim Rezeptlesen im Nowhere und die Neugierde war hellwach.
Konzept-Rezepte
Die Subline Create … how to think like a chef lässt sich auch aus den Rezepten herauslesen und zwar an ihrem konzeptionellem Gerüst. Ein Beispiel: spiced Pork Belly with Fennel Purée and Fennel and Tomato Salad. Auf den Geschmacksknospen trifft sich der Fenchel gleich dreimal: Die Marinade ist mit Fenchelsamen gewürzt, der Salat besteht u.a. aus rohem Fenchel und das Püree aus gekochtem Fenchel. Hier treffen sich Stärke und Schwäche der Rezept von Maria Elia: Die Rezeptideen lesen sich schlüssig. Mein Gaumen war dann aber nicht immer gleicher Meinung. Manchmal war das Gericht auf dem Teller zu konzeptionell im Sinne von zu einseitig, denn ein Motiv durchzog in vielen Varianten das Gericht. Ein Kontrast wäre häufig wohltuend gewesen. Aber wer weiß? Vielleicht wollte Maria Elia das so, uns einen Schubser geben, das Rezept noch besser zu gestalten …
Etwas groß geraten ist vielleicht die Subline How to think like a chef für das, was sich in dem Kochbuch dazu wiederfindet neben den Rezepten, die die klaren Protagonisten sind. Bitte die Hoffnungen nicht zu sehr füttern. Aber es ist ein Beginn. Wer vergessen hat, wie man konzeptionell eine Idee das Licht der Welt erblicken lässt, der wird sowieso fündig. Spätestens wenn man sich zum Abschluss den Get-creative-Seiten hingibt. Hier warten Kurz-Beispiele und leere Seiten für die eigenen Übungen. Take it further: adapt, create, taste!
Veröffentlicht im September 2012