Zwei Sterne: Begeisterung sieht anders aus.
Polnische Küche! Diese Worte entführen mich sofort in meine Kindheit, als meine Oma mir mit Quark gefüllte Piroggen zubereitete, in Butter briet und mit Zucker bestreute. Und an meine zahlreichen Aufenthalte in Osteuropa, wo ich mich mit viel Vergnügen durch die Vielfalt der dortigen Küchen gefuttert habe. Als mein Blick daher auf dieses Buch fiel, dachte ich: Ja, dich will ich.
Meine erste Enttäuschung war, dass ich „Babka“ mit dem Buch „Polska“ von Zuza Zak verwechselt habe, denn Einband und Aufmachung sind diesem sehr ähnlich. Vermutlich ist das kein Zufall, ist „Polska“ doch zu einem echten Bestseller geworden. Ganz fair finde ich das allerdings nicht, da mich das als Käuferin auf die falsche Fährte gelockt hat … Aber egal, polnische Kochbücher kann es nicht genug geben, also weiter.
Zum Weiterlesen
Leseprobe beim Verlag
Website & Instagram des Autors
Mehr Kochbücher zur osteuropäischen Küche bei Valentinas
Es folgt der Blick ins Buch. Das Versprechen des Autors ist, dass er uns „in die großen und kleinen Geheimnisse und Rezepte seiner Heimatküche einweiht“, mit dem Anspruch, weniger fleischlastig und frischer zu sein als die traditionelle Küche. Die Rezepte sind unterteilt in Suppen, Snacks & Salate, Hauptgerichte, Süßes und Getränke. Insgesamt enthält das Buch knapp 60 Rezepte und viele schöne Fotos von den Gerichten und polnischen Landschaften. Man muss nämlich wissen, dass sich Autor Marcin Jucha als Foodfotograf einen Namen gemacht hat. Ein Koch ist er auf jeden Fall nicht, das wird schnell ersichtlich.
Mozzarella, Salsa & Tomatensuppe
Aber jetzt erst mal zum Thema „moderne polnische Küche“, das ist ja schließlich das Verkaufsargument des Buches. Das erste Durchblättern hinterlässt mich diesbezüglich ratlos. Ich finde, um einige Beispiele zu nennen, Süßkartoffelpommes, Tomatensuppe mit Mozzarella, Rucola mit Birne und Käse, Seelachs mit Pfirsich-Salsa und belegte Baguettes, die mich an die Fertigprodukte aus der Tiefkühltheke erinnern (reichlich mit Ketchup bedeckt). Hmm …

Noch mal durchblättern, das kann ja nicht sein. Es gibt drei Varianten und Rezepte für Piroggen, das beruhigt mich dann doch, zwei Rezepte für Borschtsch (kalt und warm), eines für kaschubischen Hering; andere Rezepte interpretiere ich wohlwollend als „fusion“ (z. B. Sauerkraut-Pfannkuchen, Käsekuchen mit Mascarpone, Essiggurkensuppe).
Das Versprechen, dass die Rezepte nicht fleischlastig seien, wird eingelöst. Es gibt nur wenige Fleischrezepte, wie etwa das polnische Nationalgericht Bigos, Kroketten mit Fleischfüllung und Hackbällchen mit Kohl in Tomatensoße. Bei Letzterem hat der Autor die gute alte Kohlroulade variiert und den Kohl kurzerhand klein geschnitten unter das Hackfleisch gemischt. Da lief es mir doch ein wenig kalt den Rücken herunter – will ich das wirklich nachkochen?
Kochen kommt eigentlich von Können, oder?
Und das bringt mich zum Kernproblem: Es ist die Qualität der Rezepte, die mich nicht überzeugte. Ich hatte selten ein Kochbuch in der Hand, bei dem ich so wenig Lust aufs Ausprobieren hatte. Ich koche gerne, ja, der Kochprozess hat in den besten Fällen etwas von Magie. Hier aber werden oft nur ein paar Zutaten vermischt, mit Kochen hat das nicht sehr viel zu tun.
Fangen wir beim Borschtsch an: Das ist normalerweise eine gehaltvolle, stundenlang gekochte Fleischbrühe mit Roter Bete und anderem Gemüse, die sehr variantenreich sein kann. „Babka“ erhitzt fertige Gemüse- oder Fleischbrühe, gibt eingelegte Rote Bete aus dem Glas dazu, etwas Knoblauch, Salz, Pfeffer, Majoran und fertig ist die Suppe.
Die von mir getestete grüne Erbsencreme-Suppe wird nach demselben Prinzip zubereitet. Der Chicoréesalat mit Orangen: Orangen, Chicorée, eine Handvoll Rosinen, Fertigmayonnaise … – wofür genau benötige ich da überhaupt ein Rezept? Andere Rezepte, die von der Zubereitung her etwas anspruchsvoller sind, sprachen mich leider größtenteils nicht an: Lachscreme-Törtchen, ein süßer Rührkuchen mit Fertigmayonnaise (Mayo-Babka) oder die oben erwähnten Hackbällchen/Inside-Out-Kohlrouladen, für die mir dann doch einfach der Mut fehlte.
Und auch noch eine Anmerkung zum Thema „frisch“. Es ist leider so, dass in vielen Rezepten verarbeitete Produkte statt frische benutzt werden: Fertigsuppe/-brühe, Fertigmayonnaise, TK-Fischfilets und so weiter. Es werden auch keine Basisrezepte zum Selbermachen angeboten. Wie schade – die polnischen Felder, Gärten und Gewässer hätten sicherlich jede Menge frischer Zutaten zu bieten.
Ein paar Glücksgriffe gelangen mir dann aber doch noch. Der als Ersatz für Schweineschmalz entwickelte Bohnenaufstrich war in Windeseile zubereitet und sehr lecker. Und das Piroggenrezept hat Gott sei Dank auch funktioniert.
Dennoch wird es die Leser*innen nach all dem nicht überraschen, dass ich dieses Buch nicht wirklich empfehlen kann. Mit wenigen Ausnahmen wurde ich weder in die Geheimnisse und Rezepte der polnischen Küche eingeweiht noch waren die Rezepte innovativ oder gar frisch. Der Gesamteindruck ist etwas lieblos. Schade, das hat die polnische Küche nicht verdient. Darauf einen „Mad Dog“ Wodka mit Himbeersirup und Tabasco (letztes Rezept im Buch)! Aber eigentlich – nein, lieber doch nicht.
Veröffentlicht im Oktober 2021
Ich werde mir das Buch mal anschauen und finde die Rezension auch ziemlich hart. Es spricht ja nichts dagegen, dass man seine Tomaten erst selbst anbaut und dann verwendet, wenn es einem so wichtig ist oder Gemüsebrühe selbst herstellt. Im übrigen ist Essiggurkensuppe typisch polnisch, warum also so überkritisch..
Liebe Vanessa, ja, schaue es dir einmal an und lass uns wissen, was du denkst.
Überkritisch, hm, nein. Ulrike ist enthusiastisch gestartet und war dann zunehmend ernüchtert. Ich schaue mir die Bücher auch an und weiss, was sie meint.
Aber wir freuen uns über eine andere Meinung. Wir verreißen nie aus Spass, sondern versuchen jedem Buch gerecht zu werden. Aber hier ist es einfach schade ums Thema und das darf und muss auch gesagt werden. Guck aber selber erstmal hinein. Herzlichst Katharina
Sehe ich genau so. Bestünde die Welt nur aus Lobhudelei, fände ich sie langweilig. Und ja, „schade um das Thema“ habe ich genau so verstanden.
Danke. Sehr streng und eigentlich vernichtend. Aber so etwas muss auch sein. Gut finde ich auch den Hinweis auf die Verwirrung stiftende Ähnlichkeit mit „Polska“, das wohl ein ganz anderes Kaliber und richtig gut ist.
Schade um die polnische Küche.