Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
„Willkommen im Paradies“, ruft schon das Cover dem Leser entgegen und serviert wundervoll goldenen Reis. Ein Gruß aus einer Küche, in der Gastfreundschaft groß geschrieben wird – man sollte also ruhig üppige Portionen kochen.
Das erste Rezept des Buches ist gleich verbunden mit einer Kindheitserinnerung: Jeden Morgen tranken die Eltern von Manuela Darling-Gansser (Foto unten) ein Glas Sekanjebin: ein Gemisch aus Minztee, Honig und mildem Apfelessig – ihr Vater wurde über 100 Jahre alt. „Ich hatte gedacht, es wäre Mutters Erfindung, bis ich nach Persien zurückkehrte, wo ich erfuhr, dass man es dort als Erfrischung genießt“, schreibt die Autorin, die heute mit ihrer Familie in Sydney lebt.
Nostalgie

Manuela Darling-Gansser wuchs im Iran auf, ihre Eltern waren kurz vor ihrer Geburt aus der Schweiz dorthin gezogen, in ein Haus mit einem klassisch persischen Garten. Es war ihr Pardiz, schreibt sie und erklärt dessen Bedeutung illustriert mit vielen privaten Fotos aus dieser Zeit: „Die Vorstellung eines Paradiesgartens ist eine der Säulen der persischen Kultur. Der Begriff »Paradies« – pardiz im Altpersischen – bezeichnete einen von Mauern umgebenen Garten – ein grüner Ort des Überflusses.“
Auch wenn sie schon als junges Mädchen mit ihrer Familie zurück in die Schweiz zog, ist die Sehnsucht nach dem Paradies ihrer Kindheit immer geblieben. Und so reiste Manuela Darling-Gansser immer wieder in den Iran, traf dort auf wunderschöne Märkte, sehr viel Gastfreundlichkeit und die Geschmäcker und Gerüche ihrer Kindheit. Die Autorin schlägt dabei den Bogen zur Gegenwart und so erfährt der Leser einiges über die Entwicklung des Landes, wie die Tatsache, dass in den 50er-Jahren Teheran etwa eine Million Einwohner hatte, aber heute 12 Millionen. Zähle man die Außenbezirke mit, wären es sogar 15 Millionen.
Kräuterhäcksler
Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei der Tadschrisch-Platz mit dem nahe gelegenen Wochenmarkt in der iranischen Metropole ein, wo sich die Jugend zeigt und man eine Ahnung bekommt, wie das Leben im Iran aussehen würde, wenn die sozialen Verhaltensregeln gelockert würden. Aber auf dem Markt geht es natürlich auch ums Einkaufen fürs Kochen. Kräuter würden einen besonderen Stellenwert einnehmen, schreibt Darling-Gansser. Meterhoch und frisch würden sie angeboten. Vielleicht einzigartig: Die Kundin stellt eine Auswahl an Kräutersorten selber zusammen und die Händler häckseln sie direkt vor Ort mithilfe eines Mixers, der so scharf sei, dass sie kein bisschen matschig, sondern perfekt aromatisch gelängen.
Ausführungen wie diese rahmen die Hauptsache des Kochbuchs ein, die Rezepte. Sie stellen eine persönliche Auswahl dar, die die Vielfalt der persischen Küche zeigen und dabei nicht zu kompliziert sein sollen: Das ist der Anspruch der Autorin. Und wirklich duftet mir schon beim Blättern der Lammeintopf mit Auberginen, Erbsen und Bohnen entgegen, ich möchte mich mit auf die bunt gedeckten Picknickdecken setzen und von den eingelegten Oliven und Walnüssen naschen, mir etwas Spinat-Joghurt-Dip auf das noch warme Naan-Brot streichen.
Reis, Reis, Reis
Davor allerdings empfiehlt sich ein Gang zum arabischen Feinkosthändler: Ohne Granatapfelsirup, Kreuzkümmel, frische Minze oder Koriandergrün kommt fast keins der Rezepte aus. Die Autorin erläutert dabei ihren Einsatz verbunden mit Tipps: Walnusskerne sollten vorab abgebrüht und dann 2 Stunden im Ofen geröstet werden. Limou-Amani sind getrocknete schwarze Limetten, die mit der Gabel eingestochen werden und ein „unnachahmliches Aroma“ entfalten. Frischer Bockshornklee kann durch Estragon, Portulak oder getrockneten Bockshornklee ersetzt werden.

Aufgeteilt ist das Buch in verschiedene Kochgelegenheiten: Rezepte für Gäste etwa, für ein persisches Festmahl, aber auch Streetfood und Rezepte fürs Picknick. Jedem Rezept ist eine kleine persönliche Anekdote vorangestellt, die Zutatenlisten sind überschaubar, der Aufwand in den allermeisten Fällen ebenfalls.
Und immer wiederkehrend: Reis. Die Autorin erzählt in ihrer persischen Reisgeschichte, dass er vor 150 Jahren noch ein Luxusartikel gewesen sei. Sie listet die verschiedenen Zubereitungsarten auf: Chelow sei ein einfacher Reis, Polow würde mit Linsen, Bohnen oder Kräuter zubereitet, Kateh würde gekocht, bis er sämtliche Zutaten aufgesogen hat, Morasa-Polow sei Juwelenreis, Thai-Chin habe eine Goldkruste und Füllung und schließlich Tahdig, der den Leser mit seiner wunderbar goldenen Kruste schon vom Cover anlacht, aber in der Küche immer eine Herausforderung sei.
Mein erster Tahdig-Versuch misslingt optisch gründlich, schmeckt aber trotzdem unglaublich lecker: der buttrige Reis, immer wieder zersetzt mit knusprigen Krustenstückchen – einfach herrlich. Noch besser, wenn man dazu einen Löffel Maast-e chekideh isst: Der über Stunden abgetropfte und mit Knoblauch und Olivenöl versetzte griechische Joghurt ist ebenfalls ein Standardelement der persischen Küche, dessen Mengenangabe (2 Kilogramm schlägt die Autorin vor) ich zunächst für übertrieben halte, schnell aber verstehe – man sollte immer etwas davon im Kühlschrank haben, es ist praktisch die Grundlage von allem in der persischen Küche.
Manuela Darling-Gansser:
„In ihrer feinsten Form ist die persische Küche von einer Raffinesse, einer Vollkommenheit und einem Duft, die zugleich trügerisch simpel und sehr ausgeklügelt sind.“
So schlägt mich das Buch schnell in seinen Bann: Ich lege Oliven und Walnüsse ein, backe knusprige Naan-Brote, rühre allerlei Dips an und lerne zwischen den Rezepten immer mehr über ein faszinierendes Land, dessen Kultur viel zu häufig hinter der Politik zu verschwinden droht.
„Pardiz“ ist ein durch und durch nostalgisches Kochbuch. Voller Kindheitserinnerungen, Reise-Eindrücken und kulinarischer Kulturgeschichte spannt es einen Bogen zwischen Vergangenheit und Gegenwart des Landes. Dank der vielen alltagstauglichen und leckeren Rezepte, Klassiker und einigen Überraschungen entpuppen sich die 300 Seiten als wunderbarer Botschafter der kulinarischen Tradition Persiens.
Veröffentlicht im August 2021