Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Die Klassiker zuerst
Französischer Charme trifft australische Lässigkeit zum Foxtrott mit der Addams Family. Bitte bewundert hier unseren Kochbuchautor, der 2011 die Tanzshow Dancing with the Stars souverän gewonnen hat. Bien sûr. Der Mann hat eindeutig Humor. Und kochen kann er auch. Wenn ich das Kochbuch zurückgebe, krieg ich dann bitte, bitte das Ganze auf DVD?! Fast schon schade, dass Bon Appetit! als Buch konzipiert ist. Bei den Entertainerqualitäten muss man auf eine baldige Kochshow des sympathischen Franzosen hoffen.
Manu Feildel stammt aus einer Familie von Köchen, wollte aber ursprünglich eigene Wege gehen: zum Zirkus. So besuchte er als Jugendlicher einige Jahre eine Zirkusschule, entschied sich dann aber doch für die solidere Ausbildung zum Koch. Sein Arbeitsweg führte ihn über London, wo er u.a. im berühmten Fischrestaurant Livebait gearbeitet hat, ins australische Sydney. Dort betreibt er seit 2009 sein eigenes Restaurant Manu at L’Etoile. Doch das Showbusiness hat er nicht völlig aufegegeben (wie auch die Vorstellung seines Kochbuches beweist – siehe Video unten), neben dem Tanzwettbewerb tritt auch gerne als Fernsehkoch in verschiedenen Programmen auf.
Bon Appetit!, Feildels Kochbucherstling, ist eine Sammlung klassischer französischer Rezepte aus der Küche seiner Mutter. Er selber beschreibt sie als traditionell, herzhaft und voller Aromen. Ein erstes Schmökern birgt für einen frankophilen Hobbykoch zwar keine neuen, unbekannten Gerichte, aber bei Himbeertartlets, Kartoffelgratin, Muschelpie und Boeuf Bourguignon läuft mir durchaus das Wasser im Munde zusammen. Ja, das will ich ausprobieren – und wer weiß, ob Monsieur Feildel nicht etwas Neues zum Thema beizutragen hat.
Das Layout des Bandes spielt mit traditionellen Themen, vom Bucheinband, der altem Küchenleinen nachempfunden ist, bis zu Menüvorschlägen, die schwarz auf weiß wie eine mit Kreide auf Schiefer geschriebene Speisekarte erscheinen. Die meisten Rezepte sind mit schlichten Fotos bebildert, für meinen Geschmack einen Tick zu dunkel und weichgezeichnet. Davon nicht ablenken lassen, die Gerichte sind nicht ein bißchen melancholisch!
Unser erstes Essen aus diesem Buch sind eine Quiche Lorraine mit Chicoréesalat. Ein kleines, feines, perfektes Mittagessen, das uns auch in einem Restaurant erfreut hätte. Auch die nächsten Rezepte, die ich ausprobiere, können punkten. Mit der Birne Helene werde ich zur “liebsten, besten, schönsten Mama” (aha, das soll es wohl wiedergeben). Der Kartoffelsalat kann zwar nicht unser Familienrezept ersetzen, das verlange ich aber auch gar nicht. Hauptsache, er gefällt. Feildel erinnert mich durch sein Rezept daran, wie unglaublich einfach selbstgemachte Mayonnaise ist, ganz zu schweigen davon, dass sie die Gläserware geschmacklich um Längen schlägt. Der Exilfranzose mischt etwas Dijon Senf unter sein Eigelb, bevor er vorsichtig das Öl hinzugibt. Mein Eindruck ist, dass die Mayonnaise dadurch besonders stabil wird. Auch im Gurkensalat heißt die Geheimwaffe Dijon Senf, das Dressing alleine scheint mir zuerst viel zu kräftig, doch im Salat harmoniert alles wunderbar.
An einer Baustelle könnte der Auto noch nachbessern, um auch in der Kochbuchdisziplin als Hauptgewinner hervorzugehen. Ich würde mir wünschen, dass der Blickwinkel des Kochbuchlesers stärker in den Vordergrund gerückt wird. Hierzu gehören keine unnötig komplizierten Zubereitungsarten (s. Birne Helene und Gurkensalat) und vor allem keine Rezepte, die kommentarlos kleine Mengen anderer Grundrezepte benutzen. Es ist einsehbar, dass Mürbeteig beispielsweise in einer Menge hergestellt wird, die exakt ein Eigelb zur Bindung verwendet. Aber was soll der unerfahrenere Leser – und der scheint mir hier die Zielgruppe zu sein – mit dem restlichen Teig oder der restlichen Mayonnaise anfangen? Ideen hierzu wären sicherlich willkommen, ebenfalls Hinweise zur Lagerung und Haltbarkeit. Doch dies sind Kleinigkeiten, die meinem Genuss an Feildels Kochbuch keinen Abbruch tun.
Wer bereits ein geliebtes Frankreichkochbuch hat, wird vermutlich die meisten der vorliegenden Rezepte bereits haben. Feildel erfindet das Rad nicht neu, aber seine Rezeptsammlung ist grundsolide und überzeugend. Ich freue mich auf weitere nette Mahlzeiten chez Manu. Sein Rillette vom Schwein, die Kaninchenterrine, Hacksteak, Schweinekoteletts in Senfsahne und Kalbsragout stehen noch auf meiner Liste. Und die Himbeertartlets. Mindestens. Wer eine Einführung in die klassische französische Küche sucht, ist mit Manu Feildels Familienrezepten gut bedient. Bon appetit!
Veröffentlicht im Februar 2012
Ich hab das Buch, aber noch nicht viel draus gekocht. Muss ich mir noch mal genauer vorknöpfen. Schön gemacht ist es allemal. Die Suppenrezepte sind inspirierend (ich ess‘ nun mal gern Suppe). Das Super-Sensatiönchen ist für mich aber der Eiskaffee „Café liégeois“ (ausprobiert!). Ein Kalorienbömbchen mit Mascarpone, Sahne, Spekulatius, Ei, Eis und als Highlight noch Kaffeegranita mit Rum. Wau!
Grüßle von Wolfgang
Oha, das klingt gut. Ein Weihnachtsdessert.
Mir gefällt Stéphane Reynauds „Vive la France“ sehr gut.
Empfehlenswert ist auch das wunderbare Buch „Meine liebsten Pariser Bistrogerichte“, handgeschrieben von Marianne Kaltenbach und liebevoll mit Zeichnungen illustriert von Fritz Kaltenbach, das jüngst wieder aufgelegt worden ist.
Charme, Lässigkeit, Entertainment das stimmt zwar alles, aber das Tollste an diesem Kochbuch und seinen Rezepten ist doch, dass immer alles funktioniert und wirklich am Ende so schmeckt, wie man es sich erträumt hat. Andere Promiköche schreiben (im besten Fall) “Achtung, hier müssen Sie sorgfältig zügig vorsichtig zu Werke gehen!”, oder sie ignorieren die Abgründe, in die man stürzen kann, gleich ganz. Feildel nimmt einen bei der Hand, erklärt vielleicht nicht jedes “Warum”, aber man macht und tut, was er sagt, und voilà hat man es geschafft! Bisher jedes Mal. Komischerweise finde ich es gerade schwierig, gute französische Kochbücher zu bekommen, und ein Lieblingsbuch in der Kategorie habe ich auch noch nicht. Feildel ist aber auf jeden Fall mit im Rennen. Die anderen auf eurer Seite habe ich (zufälligerweise) auch alle zuhause, aber DAS französische Kochbuch ist noch nicht dabei. Für einen Tipp bin ich dankbar…
Gruß, Wolfgang
Uiuiui, schwierige Frage. Hm. Ich habe keines, dem ich den Titel vergeben würde. Ich überlege gerade, wie es sein müsste: traditionelle Rezepte, aber mit kleinen modernen Raffinessen. Der Style auch irgendwie dazwischen.
Es gibt ein Buch, das hier nicht dabei sind, aber in meinem Regal steht und ich gerne daraus koche: Anne Willan – The Country Cooking of France http://goo.gl/jxPxM
Dem Titel würde ich ihm nicht geben, obwohl es 5 Sterne verdienen würde.
Hallo,
Manu Feildel hat tatsächlich auch schon an einer Kochshow mitgewirkt, in Australien läuft dieses Jahr glaube ich die 3. Staffel von “My Kitchen Rules”, mit ihm und Pete Evans als Juror!
Viele Grüße,
Henriette
Dank Dir für den Tipp. Da gucke ich gleich mal.