Drei Sterne: Hat Stärken, aber überzeugt nicht ganz.
The Bread Exchange ist weniger ein Kochbuch als der Ausdruck eines Lebensgefühls. Das ist sehr schön, das ist sehr Prenzlauer Berg, und das gefällt mir. Schwächen hat es genau da, wo es sich selbst zu ernst nimmt oder in den Anleitungen unsauber ist.
Malin Elmlid traf ich vor einigen Jahren, um mit ihr Brot zu tauschen. Zu diesem Zeitpunkt war ich längst nicht mehr eine der wenigen, die ihren Blog The Bread Exchange kannten, sondern man musste schnell sein, um noch ein Brot zu ergattern. Ich hatte mich früher nicht getraut, auch mal „hier“ zu rufen, aber dieses eine Mal ging meine Nachricht rechtzeitig raus. Malin wohnte direkt um die Ecke von mir und ich beschloss, ihr eine Marmelade aus unseren Gartenfrüchten und etwas Apfelsaft vom Apfelbaum meines Sohnes mitzubringen.
Tauschglückliche unter sich
Mit beiden Tauschobjekten und meinem Sohn im Schlepptau kam ich an und wurde freundlich empfangen. Natürlich waren noch andere Tauschwillige dort. Sie hatten koreanische Gewürze und Quitten dabei. Was für ein aufregendes Erlebnis. So ein typisches „Das gibt es nur in Berlin“-Gefühl, wobei ich im Realitätsabgleich zugeben musste: „Moment mal, sie ist doch Schwedin“. Egal. Wo gibt es das schon, dass jemand, der so leidenschaftlich gern Brot backt, daraus nicht nur viel Teig macht, sondern gleich eine ganze Philosophie? Das Brot wird gebacken und jeder der Lust hat, kann es sich ertauschen (natürlich nur, wenn man schnell genug ist). Nur eins geht nicht: mit Geld bezahlen.
Nach meiner Begegnung mit The Bread Exchange und ihrer Gründerin gingen wir um ein Brot, viele Erfahrungen, und ja sogar ein paar Quitten reicher wieder nach Hause. Wochenlang habe ich die Quitten in der bedruckten Tüte wie eine wohlriechende Trophäe in unserer Wohnung rumliegen lassen, um jedem, der nicht fragte, meine Geschichte aufzutischen. Wenig später kursierte auf ihrem Blog die Frage, wer sich am Korrekturlesen für das entstehende Kochbuch beteiligen wollte, wer Rezepte beitragen möchte. Nicht von ungefähr habe ich also hier und da nach den Neuerscheinungen geguckt.
In ihrem Buch verdichtet Malin Elmlid (links) alles auf Kapitel über das Brot und Stationen ihrer eigenen Reise, nach denen die Rezepte gegliedert sind – Sinai, Berlin, Stockholm, Bayern, Warschau, NY, Kabul, Antwerpen und die USA. Auftakt ist natürlich das Sauerteigbrot, aber dann wirkt die Auswahl zufällig und persönlich: Käseteigtaschen stehen für den Sinai, Flusskrebse aus Småland für Schweden und Birchermüsli für Süddeutschland. Außerdem finden sich Saure Brotsuppe, Hibiskus-Ingwer-Cocktail, Belgische Waffeln aus Lüttich und veganes Bananenbrot. 225 Seiten umfasst das Buch und schließt mit einem Dank an alle, die mitgemacht haben.
Erst die Unterhaltung, dann der Genuss
Mit dem Kochbuch in der Hand verhielt es sich dann so, dass ich es erst einmal von vorne bis hinten durchgelesen habe. Die Geschichten sind wunderbar unterhaltsam und gedankenvoll zugleich. Den Rezepten habe ich mich erst im zweiten Schritt genähert.
Wie die Geschichten sind die Rezepte eingebettet in die jeweilige Reiseregion und sie präsentieren Typisches wie Varianten davon. So findet sich eine große Vielfalt, die natürlich weit über Brote und ihre Zubereitung hinausgeht. Die Auswahl ist so zufällig wie persönlich: afrikanische Käseteigtaschen, Flusskrebse aus Smaland, Birchermüsl, polnische Saure Brotsuppe, Hibiskus-Ingwer-Cocktail und Belgische Waffeln aus Lüttich. Wenn auch der Sauerteig wie ein Fetisch gehalten wird und immer wieder eine Rolle spielt.
Lebende Mimöschen
Gemeinsam mit meiner Mutter, die seit vielen Jahren ihr Brot selbst backt und gleich einen Sauerteig ansetzen wollte, nahm ich die ersten Hürden. Ingesamt vier Mal trafen wir uns für besagten Sauerteig – mal hat er nicht funktioniert, mal wurde er vergessen, dann war es schlichtweg zu warm oder der Teig ist in der Entstehungsphase gekippt. Es sind schon Mimosen, die Sauerteige. Aber mein großer Sohn hat erst heute daran erinnert, dass ich wieder einmal ein Brot backen solle, da es seiner Ansicht nach von Mal zu Mal besser geworden ist. Das Backen mit diesem Teig ist in der Tat besonders. Ich liebe den sauren Geruch und den intensiven Geschmack des frischen Brotes. Nostalgisch ist das nicht, wenn ich zugebe, dass er mich an den leicht sauren Geruch erinnert, den meine Kleidung zur Stillzeit ständig abgab … aber nun denn.
Brote aus Sauerteig sind wirklich köstlich. Wie Elmlid schreibt, gibt es wenig Wohlschmeckenderes als frisches Brot mit Butter. Bei uns sind sie am besten pur oder mit Kümmel und ein wenig Anis versetzt angekommen. Aber die Möglichkeiten sind ja wahrlich unbegrenzt. Überzeugt hat mich die Anleitung zur Herstellung von Sauerteig und vor allem das Rezept zum einfachen Brot allerdings nur wenig. Es gibt einen Querverweis auf die grundsätzliche Vorbereitung des Teiges, die, vorsichtig formuliert, sehr verwirrend ist. Wenn man sich nicht seines gesunden Menschenverstandes bedient, findet man sich nächtelang alle halbe Stunde den Teig faltend wieder. Dann hat man es offen gestanden zwar nicht besser verdient, aber gerade in Bezug auf die Brote habe ich ehrlich gesagt astreine Anleitungen erwartet. Sehr hilfreich ist aber der Hinweis, dass man den Teig beim ersten Mischen nicht völlig klumpenfrei kneten muss. Das passiert bei der ersten Emulsion quasi von selbst. Ich bin begeistert!
Nach dem Einstieg über die Brote bin ich mit auf Weltreise gegangen und habe mich durch die unterschiedlichen Kontinente und Spezialitäten gekocht. Verschiedene Gastautoren haben die Rezepte beigesteuert. Freunde der Autorin ebenso wie Bekannte aus dem Netzwerk oder gar ihr Vater. Es ist ein durch und durch persönliches Buch, was mittels reicher Bebilderung noch verstärkt wird. Ich hatte ja schon an anderer Stelle geschrieben, dass ich ein Problem mit den Selbstportraits der Köche und Autoren habe. Auch wenn ich diese Autorin und ihre wunderbare Idee sehr bewundere, erschließt sich mir nicht, wieso ich permanent Fotos von schönen Menschen ansehen muss. Aber vielleicht ist das auch der Zeitgeist.
Mal so, mal so
Zu den Rezepten, die nicht von Malin Elmlid stammen, fällt mir ein eher kursorisches Statement ein: Es sind unterschiedliche Autoren und mit ihnen steht und fällt auch die Qualität des Rezepts. Damit meine ich nicht nur den Geschmack, sondern auch die Zubereitung selbst bzw. ihre Beschreibung. So war beispielsweise die Västerbotten Quiche ganz ausgezeichnet und wird bei uns regelmäßig lediglich mit wechselnden Salaten gereicht. Anders verhielt es sich mit Borani Badenjan (Auberginen und Tomaten in Joghurt). Ein an sich köstliches Gericht, das auch in der persischen Küche vorkommt. Geschmacklich war es wunderbar, allerdings verwirren Kochangaben wie von 30-100 Minuten oder der Hinweis, wenn man Öl sparen wolle, solle man die Auberginen einfach mit Öl einstreichen und grillen. Jeder der regelmäßig mit Auberginen kocht, weiß, dass sie auf diese Weise nur zäh würden und nie ihren vollen Geschmack entfalten könnten.
Die Beispiele zeigen wie ambivalent mich Elmlids Buch gestimmt hat. Mal begeistern mich Details, weil sie etwa die Farbe des Seitentrenners in der Originalausgabe passend zum Seitenschnitt ausgewählt hat, mal habe ich den Eindruck bekommen, dass sie die Rezepte selbst gar nicht wirklich gut kennt und sich auf die Autoren verlassen hat.
Versteht man das Buch als Beispiel für eine Lebenseinstellung und dass Essen wie seine Zubereitung Menschen verbindet und annähert, so kann es ganz viel. Es zeigt wie eine Idee sozusagen die Welt erobert, dabei ist sie nur aus Wasser, Salz und Mehl gemacht. Versteht man das Buch als Kochbuch, so hat es leider seine Schwächen und kann sein Versprechen nicht halten. Das ist schade, macht The Bread Exchange aber noch lange nicht zu einem schlechten Kochbuch.
Veröffentlicht im Oktober 2016
Gut, dass ich das Buch nicht in die Finger bekommen habe, bei Brot (außerhalb des Brotautomaten) bekomme ich Angst und glaube alles – wäre auch ein Nachtfalter geworden 😉
Was, um Himmels Willen, ist denn Emmervollkornmehl???
Liebe Patricia
Auch ich habe zunächst genau nach Anweisung gefaltet und erst später bemerkt, dass das gar nicht nötig ist. Zu meinem grossen Erstauen hat allerdings das erste Ansätzen des Sauerteiges gleich funktioniert. Die Weiterverarbeitung zu einem Sauerteig auf Weizenmehlbasis, wie die Autorin es favorisiert, war dann allerdings nicht so befriedigend. Ich bin dann zu der Roggenmehlvariante zurückgekehrt und seither eine regelmässige Bäckerin von Sauerteigbrot. Was mir aber absolut nicht gelingen will, ist das Gehen des Sauerteiges im Kühlschrank. Falls mir also jemand hier einen Tipp hat, wäre ich sehr dankbar.
Herzlich Angela
Also, auch bei mir schläft er in Ruhe im Kühlschrank. Aber wenn ich ihn rausnehme, ist der Gute gleich wieder in bester Gehlaune… Also leider kein Tipp von mir.
Viele Grüße
Patricia
Liebe Patricia
Vielen Dank für die Antwort. Ja, mein Sauerteig ruht auch in Frieden und lässt sich immer wieder aktivieren. Ich meine das Gehenlassen der gesamten Brotteigmenge, wie es auch andere Bäckerinnen mit Hefeteig über Nacht im Kühlschrank machen. Absolut nicht erfolgreich bei mir.
Liebe Grüsse
Angela
Oh je, Patricia,
die ohne gesunden Menschenverstand bin ich 😊! Ich bin beim ersten Mal tatsächlich nächtens in die Küche gestolpert um zu falten! Und geholfen hat’s nix. Wie schreibst Du so schön: dann habe ich es nicht besser verdient! Aber beim zweiten Mal bin ich dann schon besser klargekommen, wenngleich ich nicht zur Dauer-Sauerteig-Bäckerin geworden bin. Aber das Feigenconfit ist der Hit!
LG Ingrid
Hallo Ingrid, schön, dass es nicht nur mir so ging. Gemeinsam faltet es sich einfach besser 🙂 Viele Grüße
Patricia