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Katharina Höhnk

Kochbuch von Malakeh Jazmati: Malakeh ★★★

Malakeh – Sehnsuchtsrezepte aus meiner syrischen Heimat, Malakeh Jazmati, Fotos Maria Grossmann, Monika Schuerle, ZS Verlag (2017)

Drei Sterne: Hat Stärken, aber überzeugt nicht ganz.

Katharina Höhnk

Von

In diesem Kochbuch treffen zwei Sehnsüchte aufeinander: die nach der Heimat und die nach guten Nachrichten. Wenn die beiden in einem Mahl auf der Tafel verschmelzen, können daraus Empathie und Genuss sprießen. Und auch zutiefst praktische Fragen, wie ich feststellen durfte.

Malakeh heißt die Rezeptsammlung – übersetzt Königin – wie auch die Autorin Malakeh Jazmati. Diese stammt aus Damaskus, wo sie Arabische Literatur studierte, bevor sie 2011 nach Jordanien fliehen musste. Dort begann sie wiederum ein Studium (Politikwissenschaften). Sie nahm die Chance wahr, für einen Assad-kritischen Sender eine Kochsendung mit Prominenten zu moderieren und wurde in dieser Eigenschaft in der Arabisch sprechenden Welt sehr bekannt.

2015 folgte sie ihrem Mann nach Deutschland. Im Share-house Refugio in Berlin-Neukölln fand sie Aufnahme und Unterstützung, auch bei der Gründung ihrer Cateringfirma Levante Gourmet, die auch höchsten politischen Anklang fand (siehe Facebook). Ein Artikel der SZ über die Ankunft der Kochshow-Moderatorin öffnete Malakeh Jazmati (Foto links) die Tür zum Zabert Sandmann Verlag. Das zur Entstehungsgeschichte des Buches.

Malakeh ist ein persönliches Heimat-Buch. Syrien wird fast wie ein Land beschrieben, in dem Honig und Milch flossen, aber in jedem Fall als eines, in dem Menschen für ihre Tiere Lieder singen. So in Hama, einer Stadt, die besonders bekannt ist für ihre Produkte aus Milch, ist zu lesen. Die Zeilen klingen wie ein inniger Nachruf – und es ist ja irgendwie einer.

Malakehs persönliche Erinnerungen werden dabei getragen von der wesentlich größeren Geschichte: der der syrischen Rezepte und der kulinarischen Traditionen. Christine von Brühl hat die Texte und Rezepte für die Syrerin ins Deutsche gebracht und eine poetische Sprache gefunden, in der Weinblätter auch weich wie ein Tuch werden. Insgesamt 18 Erzählungen und etwa 60 Rezepte finden sich in dem Buch.

58 Zubereitungsarten für Kibbeh

Das kulinarische Zentrum der syrischen Küche ist Kibbeh, so ist zu lesen – das Spiegelbild zu unserer Wurst. Die Bulgur-Teilchen sind fester Bestandteil für die Kultur- und Sozialgeschichte des Landes. Es gibt für sie ein spezifisches Werkzeug, sogar eine Handbewegung und an die 58 Arten der Zubereitung. Dabei steht das Gericht für Solidarität und Freude, denn seine Zubereitung bedarf Nachbarn und Verwandter, so aufwendig war und ist es, nehme ich an.

Die Autorin unterstreicht die Bedeutung mit acht Kibbeh-Rezepten. Für die gefüllten Bulgurteigrollen wird ein Teig aus Bulgur, Zwiebel, Rinderhack und Gewürzen zubereitet. Der wird gefüllt, geformt und gerollt. Das schmeckt großartig, aber es ist zweifellos ein Projekt.

Die Rezepte bewegen sich in einem vertrauten Zirkel an Zutaten und Gewürzen: Aubergine, Tomate, Bulgur, Hackfleisch (17 Rezepte!), Kreuzkümmel und Paprikapulver. Tabouleh und Fattosh, Hummus und Baklawah sind bekannte Vertreter. Zunächst war ich angetan, sympathisierte vor allem mit der Autorin, aber meine Kochneugierde und auch der Überraschungsmoment beim Lesen (bis auf Kibbeh) blieben aus.

Äußerlich unspektakular, aber die inneren Werte …

Mir erging es dann wie einem der Freunde der Autorin, dem eine Kurzgeschichte anlässlich des Rezepts zu Battersh gewidmet ist: Er pries das Rezept aus Auberginenpüree mit Tomatenhackfleisch geradezu paradiesisch gegenüber den geladenen Gästen an. Die dann im Angesicht des Mahls enttäuscht waren, so unspektakulär seine Optik. Das änderte sich mit dem ersten Biss – man konnte nicht aufhören zu essen.

Mir scheint inzwischen, dass das typisch ist für die erste Begegnung mit der syrischen Küche, die abgesehen vom Faktor Zeit eine wunderbare, alltagstaugliche Sommerküche ist. Die Rezepte haben einen einfachen Zutatenkern, aber überzeugen im Geschmack. Malekeh selbst bezeichnet sie als herzhaft und intensiv.

Zum Weiterlesen

Leseprobe beim Verlag

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Handwerklich entspricht das Kochbuch nicht immer westlichem Anspruch. Das betrifft einerseits die Mengen. Ein Beispiel ist das Rezept für Kibbeh Alfaker mit 700 g Bulgur für vier Personen. Bei uns reichte die halbe Menge für sechs Gäste. Beim Fleisch in Joghurtsauce werden 2 kg Lammfleisch für 4 Personen gerechnet – 500 g pro Person. Mehr als großzügig. Kurz: Hier denkt man nicht in Menügängen. Das freut die großen Esser am Tisch und die Lunchbox am nächsten Tag.

Aber auch Details sind betroffen: 800 g gegarte Kichererbsen. Abtropfgewicht? Die Mengenangabe „1 Glas“ bei den Desserts ist besonders bedauerlich – hier habe ich beim Verlag nachgefragt: gemeint sind 200 ml Volumen. Schade für das Buch. Die Rezepte sind gerade in diesem Kapitel verlockend, wie z. B. das syrische Hochzeitsdessert aus Vanille, Milch, Rosenwasser, Schlagsahne, Pistazien, Mandeln und Kokos sowie Granatapfelkernen.

Malakeh Jazmatis Kochbuch ist ein Beispiel für die gelungene, tatkräftige Immigration einer Syrerin. Aber es auf diese Nachricht zu reduzieren, wird dem Buch nicht gerecht. Denn die Autorin weiß ihre Heimatküche in den kulturellen Kontext zu stellen – sehnsuchtsvoll, aber auch kenntnisreich. Kocht man über die partiellen handwerklichen Unstimmigkeiten der Rezepte dann hinweg, offenbart sich die syrische Küche raffiniert: scheinbar unspektakulär, aber total lecker.

Veröffentlicht im Mai 2018

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