Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Als ich das erste Mal das Cover anschaute, war meine Neugierde sofort geweckt – ein Kochbuch über die westafrikanische, genauer nigerianische Küche? Länderküchen interessieren mich per se, aber in Hinblick auf Afrika, den Kontinent mit 55 Staaten und einer Bevölkerung von 1,3 Milliarden Menschen, sehe ich große Lücken bei mir. Aber was ist schöner, als solche kulinarisch zu füllen?
Lopè Ariyo (Foto unten) heißt die Autorin der Neuerscheinung. Sie ist als Tochter nigerianischer Eltern in London aufgewachsen. Zwei Jahre davon ging sie allerdings in einem Mädcheninternat in der größten Stadt des westafrikanischen Landes Lagos zur Schule. Aus dieser Zeit entspringt u. a. ihre Wertschätzung für die Küche. Heute schreibt sie für die britische Tageszeitung „The Guardian“ darüber und richtet Supper Clubs aus, zumindest war das vor der Pandemie so.

„Hibiskus – Einfach köstlich nigerianisch kochen“ ist ihr erstes Kochbuch. Die englische Originalausgabe erschien 2017 und wurde von Yotam Ottolenghi mit warmen Worten gefeatured: „I’m genuinely inspired.“ Der deutsche Dorling Kindersley Verlag sah die Zeit jetzt, vier Jahre später, reif für die Übersetzung.
In ihrem ersten Kochbuch bringt uns Lopè Ariyo zunächst die nigerianische Speisekammer nahe. Sie ist gefüllt mit einigen Zutaten, die ich nicht mit der Landesküche assoziiert hätte. So spielt die Paprikaschote eine zentrale Rolle sowie duftiger Lorbeer, aber auch Carob oder Moringa. Letztere genießen hierzulande den Ruf als Superfood, in Nigeria gehören sie zu den Grundnahrungsmitteln. Bis auf Garri, eine getrocknete und grob gemahlene Maniokwurzel, habe ich übrigens alle Zutaten für Lopè Ariyos Rezepte gut beziehen können.
Zum Weiterlesen
Leseprobe beim Verlag
Website & Instagram der Autorin
Mehr Kochbücher zur afrikanischen Küche bei Valentinas
Tradition, Moderne und ein roter Faden
Lopè Ariyo präsentiert die nigerianische Küche auf entspannte Art: Es finden sich in ihrem Buch einerseits klassisch nigeranische Gerichte, wie Moin Moin, würzige, gedämpfte Küchlein aus Bohnenmehl, oder Okele, gedämpfte Breikugeln auf der Basis von Reis, Yams oder Maniok, die als Beilage gegessen werden. Sie kombiniert aber auch typisch nigerianische Lebensmittel wie Bohnen, Kochbananen und Yams gerne mit Zutaten und Kochtechniken aus ihrer britischen Heimat. So gibt es nicht nur den klassischen Jollof-Reis, sondern auch eine Variante auf der Basis von zerkleinertem Blumenkohl.

Die getrockneten Hibiskusblüten ziehen sich allerdings wie ein roter Faden durch die Rezepte, womit wir bei der spannenden Frage sind: Warum nennt Lopè Ariyo ihr Kochbuch eigentlich „Hibiskus“? Denn traditionell wird das Malvengewächs in Nigeria – wie auch hier – nur als Getränk zubereitet. Lopè Ariyo geht einen Schritt weiter und setzt das säuerlich-blumige Aroma und die hübschen Blüten oft ein, um einem Gericht den letzten Schliff zu verleihen. So wie in dem Gericht mit gebratenen Garnelen – hier verleihen Hibiskus und Sumach einen säuerlichen Kick und heben das Gericht auf einen überraschenden Level.
Gelernt habe ich von Lopè Ariyo noch einiges mehr, zum Beispiel, wie sich Carob, der hierzulande eher als Kakao-Alternative verwendet wird, in herzhaften Gerichten verwenden lässt. Das hat mir neue Geschmackswelten eröffnet.
Spannende Aromen
Wie hat es aber geschmeckt? Bisher hatten mich Versuche mit afrikanischen Länderküchen meist eher enttäuscht – mir fehlten spannende Aromen. Manchmal schien es mir, dass die Rezepte etwas mutlos verwestlicht wurden. Das ist bei dem Kochbuch „Hibiskus – Einfach köstlich nigerianisch kochen“ nicht so. Die Rezepte weisen abwechslungsreiche Zutaten auf und die Würzung ist vielschichtig. Wir haben gut gegessen beim Ausprobieren der Rezepte, und auch das Nachkochen ging entspannt von der Hand. Einzig die Hasselback-Kochbananen ließen mich ratlos zurück (siehe unten).
Lopè Ariyo über Hibiskus:
„Es wundert mich immer wieder, dass in Nigeria Hibiskus meistens nur für Getränke und nicht zum Aromatisieren von Speisen verwendet wird. Für mich ist Hibiskus für Westafrika das, was die Kirschblüte für Japan oder Rosen für den Nahen Osten sind.“
Deutlich geworden ist auch: „Hibiskus – Einfach köstlich nigerianisch kochen“ präsentiert eine Melange aus afrikanischer Tradition und europäischen Einflüssen. Lopè Ariyo hat vor diesem Hintergrund eine eigene kulinarische Handschrift entwickelt und lässt den Leser daran teilhaben: Zu jedem Rezept erzählt sie etwas über die Hintergründe und gibt Tipps für alternative Zutaten oder Zubereitungen. So seien die nigerianischen Fleischbällchen an die bekannten schwedischen Köttbullar angelehnt, werden bei Ariyo aber mit Chili, Carob und Ingwer nigerianisch gewürzt und in einer mit Kokos angereicherten Sauce serviert. Und, Überraschung: getrocknete Hibiskusblüten sind das geschmackliche i-Tüpfelchen.
Die Aufmachung des Buches ergänzt das kulinarische Konzept: aufgeräumt, und farbintensiv wirbt es beim Durchblättern für gute Laune. Das Rezeptlayout knüpft mit seiner Übersichtlichkeit daran an.
Lopè Ariyo, eine Britin mit nigerianischen Wurzeln, legt mit ihrem Kochbuch „Hibiskus“ ihr erstes Werk vor. Mit seinen Rezepten, die hier durch Ariyos eigene, durch westliche Einflüsse geprägte Handschrift gekennzeichnet sind, bringt es die afrikanische Landesküche unaufgeregt, aber kreativ zum Ausdruck. Für Liebhaber von Länderküchen gibt es viel zu entdecken und auszuprobieren. Ihnen lege ich Lopè Ariyos Kochbuch ans Herz – es bietet köstliche, gut nachvollziehbare Rezepte für zu Hause und spannende Hintergrundinformationen.
Veröffentlicht im November 2021