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Katharina Höhnk

Kochbuch von Lindy Wildsmith & Valentina Sforza: Cicchetti ★★★★★

Cicchetti und andere
italienische Kleinigkeiten
Lindy Wildsmith & Valentina Sforza
Fotos Colin Dutton
Foto Cover: Ian Gerlick
Jacoby & Stuart (2015)
Mehr über den Verlag

Fünf Sterne: Valentinas Liebling – zum Schwärmen gut.

Dietmar Adam

Von

Cicchetti – was ist das denn? Eine neue Pastasorte? Mini-Kichererbsen? Falsch geraten. Cicchetti werden die kleinen Köstlichkeiten genannt, die in venezianischen Bars und Restaurants in großer Auswahl angeboten werden. Wem jetzt als Äquivalent Tapas einfallen, liegt genau richtig.

Die kulinarische Reise geht jedoch weit über Venedig hinaus, denn auch andere italienische Regionen haben ihre speziellen Kleinigkeiten, die es noch zu entdecken gilt. Schon nach dem ersten neugierigen Durchblättern und Querlesen war mir klar, dass Lindy Wildsmith und Valentina Sforza Kochbuchautorinnen sind, die über ein profundes Wissen verfügen, was sie schon allein durch viele praktische Tipps beweisen. Beeindruckt war ich aber zunächst von den vielen wunderschönen Fotos, dem ruhigen, auf das Wesentliche konzentrierten Layout, der seriösen Fadenheftung (Lesebändchen fehlen leider) und dem soliden Hardcover.

Ein kulinarischer Stadtrundgang durch Venedig

Das erste Drittel des Buches ist besagten Cicchetti gewidmet. Die Einteilung richtet sich nach den Lokalitäten, wo man in Venedig die jeweiligen Zutaten kaufen und genießen kann. In der Pescheria gibt es natürlich eine gewaltige Auswahl an Meeresgetier, in der Drogheria nicht etwa berauschende Kräuter, sondern Eier, Käse, Schinken und Wurst, in der Erbaria frisches Gemüse, in der Beccheria Fleisch und in den kleinen Bars, den Bàcaros, verführerische Aperitifs.

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Der Rezeptteil beginnt mit Fischgerichten, die Venedig als Stadt am Meer und altehrwürdige Handelsmetropole zuhauf zu bieten hat. Da wird mir immer schwermütig ums Herz, weil in meiner Heimatstadt, fernab aller Ozeane, derlei Getier nur reichlich überteuert und in begrenzter Auswahl angeboten wird. Auch bei den folgenden Kapiteln wird man gelegentlich Schwierigkeiten haben, die eine oder andere Zutat zu besorgen, im Großen und Ganzen aber in gut sortierten Lebensmittelläden fündig werden. Bedauerlich jedoch, dass die Autorinnen (Foto links: Valentina Sforza) bei hierzulande wenig bekannten Wurstsorten keine Alternativen anbieten.

Auf Entdeckungsreise in italienischen Provinzen

Beim zweiten Teil, der nach Regionen unterteilt ist (deren Reihenfolge im Buch mir recht willkürlich erscheint), hatte ich den Eindruck, dass die Rezepte einen Tick einfacher zu realisieren sind, jedenfalls häuften sich dort meine Einmerker erheblich. Was grundsätzlich auffällt, ist, dass hier sehr viele Rezepte präsentiert werden jenseits des Mainstreams, fern jeder Italo-Folklore, die man sonst aus entsprechenden Kochbüchern kennt. Eine kleine Auswahl gefällig? Mit Kakao bestäubte Perlzwiebeln, mit Ricotta und Minze gefüllte Teigtaschen, Fischpasteten, Kartoffelfocaccia, Ziegenkäseklößchen mit Walnüssen, süße Teigtaschen mit Pecorino. Sprachlich sensiblen Lesern wird die Schmucklosigkeit der Rezeptnamen auffallen, das ist jedoch nicht der Übersetzerin geschuldet, denn die italienischen Bezeichnungen sind mitnichten poetischer, profitieren aber vom Wohlklang der italienischen Sprache. Panini alle cipolle hört sich doch viel schöner an als Zwiebelbrötchen.

Nicht nur Ravioli

Natürlich habe ich mich gleich auf einige meiner Lieblingsspeisen gestürzt. Begeistert war ich von den kleinen Seppioline auf Polenta. Dank des sanften und langen Schmorens wurden die Tintenfischchen wunderbar zart. Schon lange wollte ich mal die berühmten Sarde in Saòr probieren, süß-sauer eingelegte Sardinen, feinere Verwandte unserer rustikalen Bratheringe. Wieder einmal zeigt sich, wie vorteilhaft es ist, wenn man die Qualität der Zutaten, etwa beim Essig, selbst bestimmen kann. Eine neue Leidenschaft von mir sind Teigtaschen. Nachdem ich inzwischen gelernt habe, wie man Teig ohne Stress herstellen und ausrollen kann, haben mich die entsprechenden Rezepte im Buch magisch angezogen. Eigentlich nicht verwunderlich, dass es im Land der Ravioli noch weit mehr Gerichte dieser Art gibt, die mir jedoch bisher allesamt unbekannt waren. Mal wurden sie mit Fisch gefüllt, dann mit Käse oder mit Ricotta und Minze. Sogar eine Variante mit süßem Teig und mildem Pecorino kommt vor und sorgt für erstaunte Gesichter.

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Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt

Insgesamt fällt auf, dass die allermeisten Speisen alltagstauglich sind. Die Zutatenlisten bestehen oft aus nur wenigen Positionen, entsprechend sind die Zubereitungsschritte übersichtlich und das Essen bald auf dem Tisch. Wie bei den spanischen Tapas oder den orientalischen Meze bietet sich vieles an, zu einer festlichen Tafel kombiniert zu werden. Der Phantasie sind da kaum Grenzen gesetzt. Und selbst das muss nicht in Arbeit ausarten, wenn man etwa Parmesanstücke anbietet, die lediglich in Balsamico getaucht werden müssen, um ein feines minimalistisches Amuse gueule abzugeben. Oder wenn man Mozzarellaklößchen mit Minze und Peperoncino bestreut und mit gutem Olivenöl begießt.

Dass mir ein paar Kleinigkeiten negativ aufgefallen sind (Unstimmigkeiten zwischen Zutaten und Zubereitung), möchte ich nicht verschweigen. Der Gesamteindruck wird dadurch jedenfalls nicht geschmälert.

Denn dieses Buch hat mich positiv überrascht und wird viele überraschen, die meinen, die italienische Küche sei sattsam bekannt. Es ist nicht nur die bloße Zahl der Rezepte, die begeistert, sondern auch dass man die diversen Häppchen und Kleinigkeiten so wunderbar miteinander kombinieren kann.

Veröffentlicht im Oktober 2015

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