Zwei Sterne: Begeisterung sieht anders aus.
Der Käse tut weh: 9,4 CO2-Äquivalente verursacht seine Herstellung pro Kilo. Mehr als Schwein (6,9) und Gewächshaustomaten (9,3). Noch schlimmer: Butter. Für ein Kilo Milchfett dampfen 12,1 CO2-Äquivalente in die Atmosphäre. Beide sind meine Achillesferse: Ich habe kein Problem, lange auf Fleisch zu verzichten oder viel pflanzlich und saisonal zu essen. Aber dauerhaft ohne Butter, Käse oder Eier? Schluck.
Zum Glück verlangt das niemand. Zwar gehen 21 bis 37 Prozent der Klimagasemissionen auf die Herstellung von Lebensmitteln zurück (= die Zahlen schwanken je nach Quelle), aber genau das ist auch eine echte Chance: Jede und jeder von uns hat so jeden Tag die Möglichkeit, sich mit jeder Mahlzeit für eine bessere Welt zu entscheiden, so pathetisch es klingt.
Das erklärt mir das Team um Jana Koltzau vom Verein NAHhaft e. V. in ihrer Neuerscheinung „Cooking for Future“. Die Spielregeln dürften niemanden überraschen: Je regionaler, saisonaler und pflanzlicher wir auftischen, desto weniger belasten wir das Klima. Und wenn es nicht nur mir, sondern uns allen gelänge, unsere Teller insgesamt etwas ressourcenschonender zu füllen, dürften es hin und wieder sogar Käse, Butter und sogar Fleisch sein. Yay!
Zahlen…
Alles, was es dazu braucht, sind ein bisschen Hintergrundwissen und gute Rezepte – etwas, dem die Verlage zunehmend Rechnung tragen. Die Aufmachung dieses Buches passt in die Gemengelage: Auf einen intensiven, aber gut verständlichen Theorieteil (Wie ermittelt man die Klimabilanz eines Lebensmittels? Was sind Alternativen zu Butter, Eiern & Co? Worauf ist bei Kauf und Lagerung zu achten?) folgen über hundert, größtenteils vegane Gerichte (= Honig ist an manchen Stellen gestattet, weil Bienen als wichtig für ein gesundes Ökosystem gelten). Der Titel, die Ansprache in der Einleitung und die „21-Tage-Challenge für 50 Prozent weniger Emissionen beim Kochen“ verraten die anvisierte, jüngere Zielgruppe: Angelehnt an die „Fridays for Future“-Bewegung wolle man „Impulse geben, wie du mit deiner Ernährung ganz einfach zur Klimaschützerin oder zum Klimaschützer werden kannst.“
Auch die Rezepte lassen eher Millenial-Publikum vermuten: Gerichte wie Pasta, Pizza und Burger werden durch die Jahreszeiten dekliniert, es gibt Porridges, Pancakes und Muffins und sogar Zeitgeistereien wie Sauerteigbäckerei und Fermentation haben Platz. Optisch und inhaltlich erinnerte mich auf Marcin Juchas Fotos manches an Rezepte aus Zeitschriften in Bioläden, was kein Nachteil sein muss. Zusätzlich zum Nährwert der Gerichte ist bei jedem Rezept dessen Klimabilanz notiert. Was mich interessiert hätte: Was sind die „Referenzgerichte“, auf die man sich bezieht? Bei Burger und Pizza ist das noch einigermaßen naheliegend – bei Kartoffelpuffern oder Ofengemüse nicht.
… und Fakten
Aber viel wichtiger als alle Zahlenspielerei ist: Wie schmeckt diese „Zukunftsküche“? Habe ich mit diesem Buch wirklich eine verlässliche Quelle an der Hand, um regelmäßig köstlich und klimafreundlich zu kochen?
Zehn Mal habe ich es versucht. Ich buk „Pizza“ und kochte Pasta, pürierte Hafersahne, Aufstrich und Aioli. Vieles schnell und unaufwendig und in etwa der Hälfte der Fälle geschmacklich annehmbar bis gut – etwa die Scharfen Blumenkohlwings, ein Brotaufstrich auf Basis von Sonnenblumenkernen und ein ziemlich feiner, hell-dunkler Polentapudding mit heißen Himbeeren.
Jana Koltzau & KlimaTeller-Team:
„Mit diesem Buch möchten wir dir Impulse geben, wie du mit deiner Ernährung ganz einfach zur Klimaschützerin oder zum Klimaschützer werden kannst. Neben Rezepten, die du leicht zubereiten kannst, geben wir dir Tipps, wie du mit ein bisschen Experimentierfreude neue, leckere und gesunde Gerichte kreierst und gleichzeitig das Klima schützt. Du wirst also in erster Linie erfahren, wie du selbst die klimafreundliche Küche umsetzen kannst.“
Aber: Dass vor allem das Fazit meines Mannes schließlich wenig salomonisch ausfiel („Wenn das das Essen ist, mit dem man das Klima rettet, sehe ich schwarz.“), liegt an der anderen Hälfte der Testkandidaten – Versuchen, unvegane Klassiker zu veganisieren. Auch, wenn ich die Gründe dafür verstehe („pflanzliche Küche einer möglichst breiten Masse zugänglich machen“), bleibt derlei ein Vabanque-Spiel, wenn man nicht wirklich gute Ideen entwickelt, um Umami und Proteingehalt von Käse oder Fleisch zu ersetzen. Ohne die entstehen im Vergleich mit dem Original leicht aromatische und nährstoffliche Leerstellen, die am Ende mehr schaden als nützen. Und die hier in manchen Fällen nicht hätten sein müssen: Hätte man beispielsweise die Pizza „Gemüsekuchen“ o. Ä. getauft, wäre diese irreführende Assoziation gar nicht erst entstanden.
Eher unkomfortabel fand ich das doch arg knappe Register, das Rezepte mehr grob alphabetisch als sinnvoll inhaltlich listet, und das Hin- und Hergeblättere zwischen den Grundrezepten am Ende des Buchs und dem Ort, an dem sie verlangt werden. Da hätten sich leicht bessere Lösungen finden lassen.
Die Klimabilanz mag dank der Rezepte aus „Cooking For Future“ eine positive sein – für uns zu oft auf Kosten des Geschmacks. Hat mich leider nicht überzeugt. Sorry to say.
Veröffentlicht im November 2021
Das veganisieren von Fleischgerichten kann mich in der Regel auch nicht überzeugen. Eine Carbonara bspw. ist einfach unverkennbar eine Carbonara, diesen besonderen Geschmack erreiche ich einfach nicht vegan. Für mich persönlich bin ich deutlich zufriedener mit eigenständigen veganen Gerichte, die nicht irgendwas nachahmen. Da finde ich die Rezepte in den „Immer schon vegan“ Bücher von Katharina Seiser oder in den die Ella Woodward-MIlls Bücher sehr fein, da sie unverkrampft zeigen, wie lecker vegan sein kann. Apropos, Aufstrich aus Sonnenblumenkernen ist sehr lecker mit getrockneten Tomaten, Olivenöl, etwas Thymian, einen Hauch Knoblauch…der Renner hier im Hause.
Ganz meine Meinung, Jessica! Und: Der Aufstrich klingt toll, wird getestet!
Herzlich: Charlotte
Das Klima können wir nur mit Tieren retten, also wird es auch weiter Milchprodukte geben, aber eben weniger und … zu angemessenen Preisen. Rein pflanzliche Gerichte können so toll schmecken, wenn eben nicht versucht wird, etwas zu veganisieren.
So ist es, Ulrike! Danke für Deine Sicht der Dinge!
Herzlich: Charlotte