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Katharina Höhnk

Kochbuch von Kit Schulte: Schöne Heimat ★★★

Schöne Heimat – Traditionelle Küche wiederentdeckt und neu interpretiert, Kit Schulte, Fotos: Nora Novak, Illustrationen: Claire Cook, Callwey Verlag (2022)

Drei Sterne: Hat Stärken, aber überzeugt nicht ganz.

Ming Cao

Von

„Wir sitzen auf einer Schatztruhe“, sagt Kit Schulte über die deutsche Esskultur. Die Berliner Kunstberaterin und gebürtige Westfälin verbrachte einen Großteil ihres Lebens in Kalifornien und wandte sich nach der Rückkehr nach Deutschland ihren kulinarischen Wurzeln zu.

Kochbuchautorin Kit Schulte
Kochbuchautorin Kit Schulte

Der weiß geprägte Buchdeckel ist der Auftakt zu einem opulenten wie edlen Kochbuch: großformatig, voller Licht und Natürlichkeit. Um Heimat soll darin es gehen. Ein großes Wort. Aber nach den ersten Seiten wird deutlich, dass es vielmehr um Schultes (Foto links) persönlichen Blick auf das Thema geht. Die Autorin teilt darin ihre Entdeckungsreise der deutschen Küche, sie will sie zudem kulturell greifbarer machen, insbesondere für ein englischsprachiges Publikum. Verfasst hat sie das Kochbuch während der Coronapandemie.

Subjektiver Heimatblick

Schulte erzählt daher zunächst von ihrem Zuhause. Aufgewachsen in Arnsberg, einer „westfälischen Provinzstadt“, spielten Kochen und Essen früh eine Rolle, schreibt sie. Familienfotos zeigen sie mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern an einer gedeckten Tafel, die Großmutter im eigenen Gemüsegarten, frische Karpfen habe es aus dem eigenen Teich gegeben. Aus dieser Idylle geht Schulte als Austauschschülerin in die USA, arbeitet lange in San Francisco und zieht irgendwann zurück nach Deutschland – nach Berlin.

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Auf die kulinarische Vielfalt, die sie dann in der Hauptstadt vorfand, war sie zunächst nicht gefasst. Sie machte sich ans Erforschen der deutschen Kulinarik und entwickelte 2016 daraus das touristische Konzept „Schöne Heimat – a Culinary Exploration of Berlin & Beyond“. Dieses richtet sich an Berlin-Touristen. Im Rahmen einer Guide Tour mit Marktbesuch, Kochkurs und Lunch vermittelt sie deutsche Kochkultur. Das Kochbuch Schöne Heimat ist insofern die Ergänzung zu dieser Unternehmung.

Das ist etwas anderes, als ich vom Titel her erwartet hatte. Vielmehr hatte ich gehofft, die deutsche Küche und Regionen besser kennenzulernen sowie Rezepte meiner Lieblingsgerichte moderner interpretiert zu kochen. Ich hatte eher einen repräsentativeren Überblick erwartet über den Stand der deutschen Küche von einer ausgebildeten Köchin, weniger einen so persönlichen Blick. Aber alles hat seine Stärken.

Kochbuch von Kit Schulte: Schöne Heimat
Kochbuch von Kit Schulte: Schöne Heimat

Kit Schulte führt zunächst in die deutsche Kulinarik und die verschiedenen Regionen ein, aber auch Einflüsse aus Nachbarländern finden Erwähnung. Interessant fand ich, dass der Ursprung von Spanisch Frikko, einem typisch westfälischen Gericht, zwar nicht ganz geklärt sei, eine Geschichte jedoch besage, dass sich spanische Einflüsse am niederländischen Hof von Jérôme Bonaparte ausbreiteten, als dieser von 1807 bis 1813 in Westfalen regierte. Auch war mir neu, dass die allseits beliebten Kohlrouladen ihren Ursprung in Byzanz haben. Sie kamen im Mittelalter nach Mittel- und Osteuropa.

Redaktionell holperig

Danach geht es los mit dem Nachkochen. Denn wie schmeckt Schultes deutsche Küche nun, neu interpretiert? Die Auswahl ist breit. In dem Kochbuch werden Blüten (Flieder, Rosen, Holunder, Linden), Zapfen (Fichten, Tannen) oder Beeren zu Sirups und Gelees verarbeitet. In dem Kapitel „Vergessener Geschmack“ zeigt Schulte, wie Walnüsse eingekocht werden für Schwarze Walnüsse. Möhrengrün wird mit Sonnenblumenkernen und Zitronensaft zu einem Pesto vermischt, Bratwürste werden selbst gemacht oder eine Prinzregententorte, die ohne Alkohol noch viel Sahne leicht daherkommen soll. Vegetarisch modifiziert wird dort, wo Schulte Fleisch durch Gemüse ersetzt, wie beim Ungarischen Sauerkraut mit Schwarzwurzeln statt Szegediner Gulasch.

Ich probiere ein Fischgericht angelehnt an einen traditionellen Fischeintopf, Königsberger Klopse, Kartoffelsalat-Variationen und mehr aus. Ja, die Gerichte schmecken leicht und frisch. Einige, aber nicht alle meiner fünf probierten, haben mich überzeugt.

Mitdenken war dabei gefragt, ich traf immer wieder auf redaktionelle Unklarheiten. In dem Buchweizenrisotto mit jungen Erbsen fehlen in der Zutatenliste die Erbsen. In einer anderen Zutatenliste heißt es „Frühlingszwiebel“, in der Zubereitung werden nicht sie, sondern Schalotten aufgeführt (siehe unten). Oder es finden sich in einem Rezept Zutaten, die nicht verwendet werden bzw. mit dem Verweisrezept doppelt aufgeführt werden (Kabeljau mit Saisongemüse). Beim Frikko werden süße Sahne oder saure doppelt aufgeführt: in der Zutatenliste mit 150 ml und als optionale Beigabe. Nur Letzteres wäre richtig gewesen.

Kit Schulte:

„In diesem Buch konzentriere ich mich auf die Vielfalt saisonaler Gemüsesorten und verwandle einige traditionelle Fleischgerichte in herzhafte vegetarische oder vegane Alternativen. Gemeinsam gehen wir auf eine Reise, um die frischen, köstlichen und gesunden Wurzeln der traditionellen deutschen Küche zu finden.“

Was außerdem nicht praktikabel ist: Die Reihenfolge der Zutaten folgt nicht der Logik der Zubereitung, wie es eigentlich State of the Art ist in Rezepten. Hier wird dann doch deutlich, dass keine routinierte Rezeptautorin schreibt. In der Summe sind die Ungenauigkeiten mehr als typische Fehler, wie sie immer in Kochbüchern passieren, sondern eher als ein struktureller Schwachpunkt des Kochbuchs Schöne Heimat zu bewerten. Das ist schade. So habe ich wenig gelernt anhand der Rezeptzubereitungen, aber dafür Historisches über die Gerichte. Angesprochen hat mich an den Rezepten die kreative Freiheit, die Schulte ihren Leser:innen mitgibt. Das macht die Planung flexibel und den Zugang zu den Rezepten verspielter.

Das Kochbuch schließt mit einem 48-Seiten-Kapitel über heimische Gemüse-, Obst- und Wildpflanzenarten. Hier zeigt sich die Kunstkuratorin, die Schulte hauptberuflich ist, denn illustriert wurden sie von der Künstlerin Claire Cook.

Das Kochbuch Schöne Heimat ist eine sehr persönliche Entdeckungstour der deutschen Küche der in Berlin lebenden Kunstexpertin Kit Schulte, die diese in eine moderne Version gebracht hat – leichter, vegetarischer. Mir hat das Kochbuch Freude gemacht und ich habe einiges Neues erfahren. Viele, aber nicht alle Rezepte haben bei mir geklappt und überzeugt.

Veröffentlicht im Juni 2023

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