Drei Sterne: Hat Stärken, aber überzeugt nicht ganz.
Hut ab vor dieser Diplomarbeit von Katharina Bretsch – aber als Kochbuch kann Kochen ohne Tiere mich nicht ganz überzeugen.
Am Anfang bin ich begeistert. Das Kochbuch Kochen ohne Tiere ist strukturiert in vier Kapitel: Suppen, Salate, Hauptspeisen und Desserts. Mal ehrlich, wann haben wir das zuletzt gesehen? Das sind wirklich alle Kapitel. Diese Einfachheit spricht mich an.
Das weitere Konzept des veganen Kochbuchs ist auch schnell verstanden. Jedes Rezept besteht aus vier Seiten, jeweils zwei Doppelseiten. Die ersten beiden Seiten bestehen immer aus einer großen Illustration, in die ein Foto des gekochten Gerichts eingebettet ist. Die Illustration nimmt immer Bezug auf das Gericht, in dem sie z.B. eine Zutat des Gerichts aufgreift.
Auf der dritten Seite steht dann der Titel des Rezeptes nebst einer kleinen Anekdote. Hier verstecken sich interessante und wissenswerte Informationen zu Zutaten, zur Geschichte des Rezeptes oder auch Hinweise zur Illustration. Auf Seite vier steht dann das eigentliche Rezept, also die Zutatenliste und Anleitung. So viel steht fest: Kochen ohne Tiere ist ein Genuss für alle, die eine Schwäche für witzige Illustrationen mit Comic-Anleihen haben.
Zeitangabe, Mengenangabe, Glossar – Fehlanzeige
Ich beginne, mich mit den Rezepten auseinanderzusetzen. Ich studiere Zutatenlisten und überlege, welche Rezepte ich als erstes nachkochen werde. Mir fällt auf, dass es keine Zeitangaben gibt. Immer muss man sich das Rezept komplett durchlesen, um abschätzen zu können, wie viel Zeit man wohl in der Küche wird verbringen müssen. Und das ist ganz unterschiedlich lang. Ruckzuck fertig sind die Süppchen und Salate, die ich mir ausgesucht habe und die es deswegen bevorzugt unter der Woche gibt. Deutlich aufwändiger dann schon Rezepte, für die bspw. der darin verwendete Seitan erst hergestellt werden muss.
Mir fällt auf, dass die Autorin granuliertes Soja nicht verwendet, Tofu und vor allem Sojasahne aber schon. Mir fällt auch auf, dass manche Zutatenmengen ungenau sind: „1/3 Pck. Agar-Agar“ – das ist je nach Hersteller ganz unterschiedlich viel, oder „1/3 Pck. Backpulver“ und „1/4 TL Backpulver“ – steht beides so im Käsekuchen-Rezept. Hier würde ich ein einheitliches Mengenmaß bevorzugen.
Mir gefällt, dass im Vorwort darauf hingewiesen wird, dass es in diesem Buch zunächst nicht seitenweise darum gehen wird, warum eine vegane Ernährungsweise die Welt, einen selbst und natürlich zahllose Tiere retten wird. Veganer wissen das und müssen es nicht jedes Mal wieder lesen. Alle anderen, die vielleicht, aus welchen Gründen auch immer, mit einer (mehr) veganen Ernährung flirten, müssen nicht bei jedem zaghaften Versuch sämtliche Argumente aufs Neue um die Ohren gehauen bekommen. Als wüssten die nicht auch schon längst, worum es geht.
Aber dennoch: ein Glossar einzusparen ist ein großer Fehler! Denn zahlreiche Rezepte in diesem Buch sind zwar für absolute Neulinge in der veganen Küche wegen der einfachen Zubereitung geeignet und es werden nur wenige Zutaten verwendet, von denen man vielleicht noch nicht gehört hat. Es sind aber natürlich unbekannte Zutaten dabei, mindestens wenn man Anfänger ist.
Ein Beispiel: Der Leser wird in diesem Kochbuch bei jedem Seitan-Rezept angeleitet, diesen selbst herzustellen. Das mag zwar preiswert und leckerer sein, aber fertig gekaufter Seitan ist oft die schnellere Alternative. Zudem ist es nicht immer einfach, das dafür erforderliche Glutenpulver zu kaufen. Fertiger Seitan ist da eindeutig häufiger in den (Bio-)Supermarktregalen anzutreffen, zumindest in größeren Städten. Auch hätte man im Glossar die zahlreichen, ebenfalls veganen Alternativen zu Sojasahne nennen können, die so manches Mal besser geschmeckt hätten.
Hat es geschmeckt?
Tja, der Geschmack. Es war leider wirklich so, dass die einfachsten Rezepte auch am einfachsten geschmeckt haben. Bis auf ein, zwei Ausnahmen würde ich keines der Rezepte ohne eigene Verbesserungsmaßnahmen wiederholen wollen. Manchmal hatte man den Eindruck, dass einfach nur der letzte Schliff fehlt, ein paar frische Kräuter am Ende zum Beispiel. Ein anderes Mal war es vielleicht mehr, was fehlte, das Rezept irgendwie einfach noch gar nicht zu Ende entwickelt, vor allem beim Käsekuchen und der Tarte Tatin au Citron dachten wir das.
So hält meine Begeisterung nicht an. Eine tolle Diplomarbeit, fraglos, die Katharina Bretsch da im Rahmen ihres Kommunikationsdesignstudiums abgeliefert hat. Aber als Kochbuch ist das Konzept nicht ganz stimmig, sind die Rezepte nicht immer ausgereift genug und die Zutatenlisten nicht immer präzise. Vielleicht wäre es hier aber auch in der Verantwortung des Verlages gewesen, sich da ein bisschen mehr einzumischen, um die Rezepte auf Augenhöhe mit den Illustrationen zu bringen.
Veröffentlicht im Februar 2013
Zu den letzten zwei Sätzen Deiner Rezension:
Ein professionelles Kochbuch-Lektorat ermöglichen nur noch ganz, ganz wenige Verlage. Zeit ist Geld: Es ist inzwischen bei vielen Verlagen üblich, das Lektorat nach Normseiten (1.800 Zeichen inkl. Leerzeichen) zu honorieren – und zwar mit einem Betrag, der deutlich unter 10 € liegt!! Nehmen wir mal an, dass 1 Rezept einer Normseite entspricht (was realistisch ist) und man bei gründlicher (!) Bearbeitung je nach Komplexität bis zu 30 Minuten daran sitzt, dann entspricht das einem Stundensatz von weniger als 20 €… – wohlgemerkt: brutto!!
Abzüglich unbezahlter Zeit wg. Urlaub, Krankheit, Leerlauf, Verzögerungen beim AutorVerlag etc. und unbezahjlter Ausgaben für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung, Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Werbung, Bürokosten etc.
Eine seriöse Bearbeitung ist unter solchen Bedingungen kaum machbar: Die Devise heißt schnell-schnell und nimmt das Resultat in Kauf, dass z.B. in Koch- bzw. Backbüchern aus dem englischsprachigen Raum in der Zutatenliste selbsttreibendes Mehl auftaucht, das es so bei uns nicht gibt, oder für schwer erhältliche Zutaten keine Bezugsquellen angegeben werden, weil es Recherche(zeit) erfordern würde…
Danke für Deinen Einblick in die Branche, Tina. Und gut, dass das hier einmal so steht. Es ist einfach so schade und andererseits unglaublich ernüchternd.
Natürlich haben wir schon davon gehört. Wir wollten hier bei dieser Rezension zum Ausdruck bringen, dass wir nicht die junge Autorin und vor allem Illustratorin in der Pflicht sahen, sondern es als Bringschuld des Verlags sahen, wenn er so eine junge Autorin verpflichtet. Aber wenn die verlegerische Arbeit natürlich preiswert outgesourct wird, kommt es einem Drehen im Kreise gleich. Und wenn man dann noch an die Qulaifikationen der freiberuflichen Lektorinnen denkt – hach je. Das ist einfach ungerecht. In jeder Hinsicht. 🙁