Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Wahrhaftig! Und zwar für jeden!
Wie Juliette (Binoche) im Film „Chocolat“ möchte Julie (Andrieu) in ihrem Buch die Menschen mit den vielen verführerischen Varianten des Schokoladengenusses vertraut machen. Dabei baut die junge Fernsehköchin vor allem auf den reichen Erfahrungsschatz der französischen Küche. Mir haben ihre leicht nachvollziehbaren einfachen Kreationen und zahlreichen praktischen Tipps gut gefallen.
Öffnet man das Buch, erinnert manches an ein mädchenhaftes Poesiealbum. Allein schon das Inhaltsverzeichnis: kleine Etiketten mit den Kapitelüberschriften sind kreuz und quer über die Seite verteilt und zeigen so, dass es auf die Reihenfolge der Kapitel im Buch nicht so genau ankommt. Dazu Blümchenmuster vor pinkem Hintergrund, immer wieder Handgeschriebenes in unterschiedlichen Farben und im Text verrät die Autorin Geheimnisse aus ihrer Jugendzeit. Etwa erste Pralinenversuche mit Margarine und Nesquik. Gut, dass sie auf dem Niveau nicht stehen geblieben ist. Ihre Matchatrüffel haben es sogar in meine Endauswahl geschafft.
Zwar ist die Reihenfolge nun wirklich nicht so wichtig, sinnvoll ist es aber schon, mit einigen Basics anzufangen. Hier schildert Julie Andrieu, worauf es bei der Auswahl der richtigen Schokolade ankommt und wie man beim Schmelzen am besten vorgeht. Einige Rezepte für Glasuren, Saucen und Ganaches (das sind Cremes aus Schokolade und Sahne) passen gut in diesen Zusammenhang, Einfachstrezepte wie Schlagsahne mit Schokoraspeln nicht so unbedingt, sollen aber wohl Anfängern signalisieren, hoppla das kannst du auch. Und auch was die Verweildauer in der Küche betrifft, muss sich niemand Sorgen machen. Die allermeisten der 150 Rezepte sind in weit weniger als einer Stunde zu bewältigen, auch wenn ich gelegentlich etwas länger gebraucht habe als angegeben. Die Zutatenlisten sind meist erfreulich kurz, so dass man, vorausgesetzt Butter, Sahne, Eier, Schokolade und Zucker sind vorrätig, nicht selten sofort starten kann. Eventuell Probleme bereiten, könnten exotische Zuckersorten wie Vergeoise, Melasse und Muskovado. Zur Not kann man hier auf einen anderen leichter erhältlichen braunen Zucker zurückgreifen.
Was die Auswahl der Rezepte betrifft, zeigt ein Blick ins Inhaltsverzeichnis, dass Trends aus der angloamerikanischen Küche eine große Rolle spielen: Muffins, Brownies, Cookies, Trifles. Ganz nett, aber eigentlich nichts Neues. Mich haben Julie Andrieus Interpretationen französischer Klassiker wie Financiers, Madeleines, Ile flottante (Schneeeier), Clafoutis, Pain d’épice (Honigkuchen), Moelleux (Mittelding zwischen Kuchen und Pudding), Crêpes und Mousse weitaus mehr interessiert und begeistert. Zum ersten und sicherlich nicht letzten Mal habe ich mich an ein Coulant gewagt, eines jener Küchlein, die kurz gebacken und noch warm aufgetragen einen flüssigen Kern offenbaren. Fasziniert war ich auch von einem simplen, aber auch durchdachten Familienrezept, einem warmen Baguette mit kalter gesalzener Kakaobutter, wobei die vorher entfernte Brotkrume separat ganz am Schluss im Toaster geröstet wird. Neben den bereits angesprochenen süßen Sünden finden sich auch Trinkschokoladen, Eiscremes und Pralinen.
Zu fast jedem Rezept gesellt sich ein großformatiges, ansprechendes, nicht übermäßig gestyltes Foto (links die Autorin in leidenschaftlicher Pose). Die Beschreibungen fallen angemessen ausführlich aus. Erfreulich: Julie Andrieu legt viel Wert auf persönliche Tipps, manche davon können selbst fortgeschrittenen Homecooks hilfreich sein. So etwa der Hinweis, bei Mousses möglichst die Butter nicht zusammen mit der Schokolade zu schmelzen, sondern sie separat mit einer Gabel zu zerdrücken, um den sahnigen Geschmack zu bewahren (hier ist es natürlich wie auch bei der Auswahl der Schokolade wichtig, auf beste Qualität zu achten). Verblüfft war ich von dem Tipp, die Brownieform direkt nach dem Backen in Eiswasser abzuschrecken, so bleibt der Kuchen außen knusprig und innen weich. Beachtenswert ist auch die Anregung, Zartbitter- und Vollmilchschokolade zu mischen – ganz nach persönlichem Geschmack. Mir ist oft die eine Sorte zu bitter und Vollmilch viel zu süß.Natürlich haben sich auch einige kleinere Fehler eingeschlichen. Bei einem Rezept haben mich die exakt 407 Gramm Paniermehl etwas verwirrt, an anderer Stelle wird der Begriff Konditorcreme nicht erläutert, bei den Matchatrüffeln zeigt das Foto eine Füllung aus weißer Schokolade, während bei den Zutaten Vollmilchschoko verzeichnet ist. Streiten kann man über die Buchgestaltung, die wegen der unterschiedlichen Schriften und Farben sowie den verspielten Elementen mitunter etwas unruhig daherkommt. Aber das ist sicherlich Ansichtssache.
Schokomagie hat mir gut gefallen, die vielen Tipps, die leicht nachkochbaren, aber durchaus raffinierten Rezepte ebenso wie der sympathische persönliche Touch. Nicht zuletzt auch wegen des köstlichen Rezepts „Die etwas andere Glasur“. Da wird geschmolzene Schokolade mit Butter verrührt und in einen Teller gegossen. Dann werden die Hände hineingetaucht und genüsslich abgeschleckt!
Veröffentlicht im Februar 2011