Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Malerische Landschaften, historische Städte, appetitanregende Wochenmärkte und die zahlreichen Bars und Restaurants, wo man so unglaublich gut essen und natürlich auch Köstliches trinken kann. Wer möchte da nicht sofort die Koffer packen – oder können Rezepte gegen Fernweh helfen?
Die Koffer sind längst wieder im Keller verstaut. Was bleibt, ist die Sehnsucht nach Sonne, Meer, Austern satt und die verführerischen kleinen Pintxos – bei uns eher geläufig als Tapas. Da kommt mir ‚Baskisch‘ von José Pizarro gerade recht.
Gebürtig zwar nicht aus dem Baskenland sondern aus der Extremadura, lebt der mehrfach ausgezeichnete Koch (links ein Foto von ihm) seit 18 Jahren in London und betreibt dort neben einer Tapas-Bar zwei Restaurants. Obendrein ist er im BBC Fernsehen mit Kochsendungen und einer Wein-Show aktiv. Für sein neues Buch hat er in San Sebastián und Umland den besten Köchen über die Schulter und in die Töpfe geschaut, typische Gerichte probiert und sowohl traditionelle Rezepte wie auch Neuinterpretationen zusammengestellt, die er gerne für Familie und Freunde kocht.
Studiengänge in den Kochkünsten
Die Basken verstehen es zu genießen. Die Basis bilden die guten Produkte vom Land und aus dem Meer, dank des milden Klimas. Kochclubs – früher den Männern vorbehalten – haben eine lange Tradition. Und das Basque Culinary Center der Uni Mondragon in San Sebastián bietet Studiengänge mit einem Hochschulabschluss in „Gastronomie und Kulinarischen Künsten“. Kein Wunder also, dass dort so viele Sterneköche den Kochlöffel schwingen.
Doch zurück zum Buch: Vor mir liegen – meerblau eingetaucht – 250 Seiten mit 85 Rezepten zu den Kapiteln: Fleisch, Fisch, Gemüse und Desserts. Und richtig, beim Blättern erkenne ich sie wieder, die geschichtsträchtigen Orte und Strände, das berühmte Guggenheim-Museum in Bilbao sowieso.
So sehr die Region gefeiert wird – leider gibt es zu den schönen Fotos keinerlei Informationen. Auch in welchem Zusammenhang die abgebildeten Menschen zu den Rezepten stehen, kann bestenfalls vermutet werden.
Als „Pintxo“ oder „Hauptgericht“ sind die Rezepte überschrieben, und die meisten Zutatenlisten und Zubereitungsschritte lesen sich angenehm übersichtlich. Bei genauerem Hinsehen finden sich ab und zu kleine Fallstricke. Mein erster Versuch scheitert, weil die Entenbrust für den geplanten Salat einige Tage mariniert werden muss. Merke: Allein die Zutatenliste lesen reicht nicht!
Dann wiederum ein ganz simpler Tomatensalat, ohne Kräuter oder raffinierte Zubereitung. Warum der überhaupt erwähnt wird? Das ist typisch baskisch, wird erklärt. Der Eigengeschmack der Zutaten soll betont werden, entsprechend hochwertig muss die Qualität der Produkte sein. Nun ja.
Die traditionelle Tortilla passt dagegen zu jeder Jahreszeit. Nicht gerade fettarm, da die Kartoffeln zunächst in Olivenöl gekocht und hinterher nochmals gebraten werden, aber dafür ein leckeres Pintxo. Überhaupt sind es maximal Kartoffeln die ein Gericht begleiten, gelegentlich auch püriertes Gemüse. In der Regel gehört aber nur Baguette dazu. Und aufgepasst: Pintxos sind nur Häppchen, nichts zum Sattwerden!
Die mundgerechten kleinen Croquetas, hier mit Spinat, sind gut vorzubereiten und verführerisch köstlich zum Aperitif – sogar kalt. Und der selbst gemachte Quark zum Paprika-Baguette wird durch Zugabe von Zitronensaft im Handumdrehen fest. Das entspricht Pizarros Anspruch, keine komplizierte Sterneküche, sondern leichte Rezepte für Daheim zu präsentieren.
Begeisterung für Lokalitäten und Gerichte
Zu jedem Rezept hat Pizarro eine Anekdote parat. Ob ihn pickende Hühner unter einem Apfelbaum dazu inspiriert haben oder welche Kindheitserinnerungen an einem Gericht hängen: kein Rezept ohne seine Begeisterung für Land, Leute und die Produkte. Manchmal etwas zu viel des Guten, aber es gibt auch Wissenswertes: So empfiehlt er, einen Oktopus vor der Verarbeitung zwei Tage einzufrieren. Dadurch soll das Fleisch zarter werden. Ich habe es nicht ausprobiert und lieber kleine, frische Oktopusse verwendet. Diese Krakenkinder waren dann auch bereits nach 10 Minuten weich.
Neugierig bin ich auf seine Lokal-Empfehlungen und die Gerichte, die man dort unbedingt bestellen soll. Ich hoffe, es handelt sich hier nicht nur um Freundschaftswerbung unter spanischen Köchen. Ich werde es testen. Die Adressen zu den empfohlenen Lokalen sind im Buch hinten aufgelistet. Und zum Schluss gibt es Vorschläge, wie man die einzelnen Rezepte zu einem Menü komplettiert. Sehr schön finde ich hierbei, dass die Arbeitsabfolgen für das gesamte Menü aufgelistet sind, zum Beispiel was schon am Vortag und in welcher Reihenfolge vorbereitet werden kann. Allerdings hätte ich mir insgesamt Zeitangaben zu jedem Gericht gewünscht. So ist man nur durch Lesen des kompletten Rezeptes vor Überraschungen sicher.
Lust auf die Region und ihre Menschen bereiten die eingestreuten Fotos, teilweise farbenprächtig, manchmal schwarz-weiß. Sie müssen allerdings für sich selbst sprechen. Dagegen sind die zumeist abgebildeten Speisen bestens erklärt, sehen auf dem heimischen Teller ebenso ansprechend aus und waren ein Genuss.
Baskisch von José Pizarro ist ein gutes Kochbuch, auch wenn der Autor kein Baske ist und in England lebt. Er hat sich beraten lassen. An manchen Stellen wirkt das Kochbuch wie eine Werbebroschüre, an anderen wird es sehr persönlich. Für mich wurde es dann interessant, wenn der Autor sein Kochwissen teilte. In der Küche waren die Gerichte unkompliziert nachzukochen, aber Achtung – manche benötigen einige Vorlaufzeit. Am Tisch waren wir dafür meist begeistert oder kamen zu neuen Einsichten. Mein Tipp ist übrigens, immer darauf achten, ob die Menge für ein Pintxo oder ein Hauptgericht gedacht ist.
Veröffentlicht im September 2017