Ein Stern: Am besten umtauschen.
„Tajine vegetarisch, 100 internationale Rezepte aus dem Lehmtopf“ bietet ein Rezept-Potpourri, das sich über mehrere Kontinente und Gänge vom Salat bis zum Dessert verteilt. Die hier erfassten Rezepte eint, dass sie meist in der Tajine zubereitet werden und immer fleischlos sind, darüberhinaus erscheint die Sammlung etwas wahllos. Brote, Orient, Europa, Afrika, Südamerika und Asien heißen die Haltestellen an der Lehmtopfstraße, die besonders einfache, fettfreie und aromaschonende Gerichte versprechen.
Jochen Walter hat ein Themenkochbuch zur Zubereitung von Mahlzeiten in der Tajine verfasst, dem irdenen Topf, der u.a. in der Küche Marokkos verwendet wird. Natürlich ist nachvollziehbar, dass der Autor, der diese Töpfe in Deutschland vertreibt, von ihren Vorzügen ersatzlos überzeugt ist, dennoch hätte es nicht geschadet, für Interessierte, die keine Tajine besitzen, Alternativen anzubieten. Paula Wolfert ist es also, die mir „erlaubt“, die Rezepte stattdessen in einem schweren gusseisernen Schmortopf nachzukochen. Die nachfolgenden Kocherlebnisse klammern, da ohne Tajine erfolgt, ausdrücklich Kochzeiten aus, aber zu grundsätzlichen Geschmackserlebnissen können sie dennoch Aussagen treffen, auch wenn die Gerichte dem Autor zufolge in einer Tajine anders und besser schmecken sollen.
Der Band ist optisch ansprechend, mit wechselnden Rezept- und Fotoseiten fällt er in die Kategorie stark bebildert. Manuela Rüthers Fotos sind gefällig und zeigen einfache Gemüsegerichte, deren Abbildung z.T. mehr Raffinesse aufweist, als es das Rezept verspricht (Beispiel: geröstete Nüsse, S. 66-67). Ein erstes Blättern hinterlässt einen nüchternen Eindruck, ja, es gibt durchaus Rezept, die man ausprobieren kann, aber keine, die beim ersten Anblick oder Rezeptlesen verführen. Und was machen Salate (z.B. Tabouleh mit Couscous, S. 23), die in Schüsseln hergestellt werden, in diesem Themenkochbuch? Noch verlorener kommt mir eine Doppelseite zu „schnellen Dressings“ vor (S. 44-45), die ich auch nach mehrfachem Suchen in keinem Salatrezept wiedergefunden habe.
Der mehrseitigen Einführung zum Kochen mit der Tajine folgen Produkterläuterungen, deren Auswahl verwundert: müssen Zutaten wie Erdnüsse und Mais wirklich erklärt werden? Sinnvoller würde mir erscheinen, hier Zutaten wie Baobab (z.B. S. 96) und Maniok (z.B. S. 99) zu besprechen. Das erste Rezeptkapitel besteht aus vier Brotrezepten für die Tajine, es soll auf Holzkohle gekocht werden („zwischenzeitlich die Holzkohle zum Glühen bringen“, S. 14-17), aber wo? Ich tippe auf einen Grill, einige Worte hierzu hätten nicht geschadet. Es folgen Rezepte des Orients, beginnend mit Gewürzmischungen, Tajine-freien Rezepten wie Hummus, Tabboulehvariationen und weiteren Salaten, dann mehreren Gemüseeintöpfen aus der Tajine sowie zwei Desserts, die ebenfalls in der Tajine zubereitet werden.
Das Nachkochen gestaltet sich schwierig, nach mehrfachem Lesen konzentriert sich meine Aufmerksamkeit immer noch auf die Salatrezepte, die mir interessanter erscheinen als die Gemüseeintöpfe und zudem absehbar zu halbwegs essbaren Ergebnissen führen müssen. Vor dem Einsatz teurer Zutaten wie Spargel scheue ich zurück, denn die Idee eines Eintopfes mit Kartoffeln und Karotten (S. 56) kann diesem Gemüse nicht gerecht werden. Spätestens beim Anblick der darauf thronenden hellbraunen Eier-Brösel-Mischung auf dem Foto hat es mir auch den Appetit verschlagen – woran mich dies denken lässt, muss ich leider verschweigen, denn es gehört zu den Themen, die ich meinen Kindern bei Tisch verboten habe. Im Übrigen verdeutlichen Fertigprodukte wie Gnocchi und Tortellini aus dem Kühlregal oder Kräutersalz den kulinarischen Anspruch dieser Rezepte.
Aber manchmal muss man mutig sein und sich auf Rezepte einlassen, bevor man ihr verborgenes Potential entdeckt, und so entscheide ich mich für Tajinerezepte aus Europa und Asien sowie Tabouleh dem Orient. Das Nachkochen bestätigt den ersten Eindruck, dass undifferenziert gekocht wird, bis alles gar ist, einfache Eingriffe würden die Rezepte bereits deutlich verbessern. Dies gilt übrigens auch für die Organisation des Bandes. Nachdem ich mich für „Grüne Bohnen mit Kartoffeln spanische Art“ als erstes Gericht entschieden hatte, tat ich mich schwer, das Rezept im Register wieder zu finden. Bohnen? Kartoffeln? Spanien? Selbst unter „Grüne Bohnen“ wurde ich nicht fündig. Vielleicht war das ein Wink mit dem Zaunpfahl, den ich auf eigene Gefahr ignoriert habe. Nun denn, es ist vollbracht. Meine kulinarische Schatzsuche war leider nicht von Erfolg gekrönt.
Veröffentlicht im September 2014
Hallo Katharina,
es lebe die Meinungsvielfalt 😉 Ich glaube und weiß, dass Tajine-Rezepte auch aus einem Bräter schmecken. Jedoch bleibe ich bei meiner Meinung, dass für eine Rezension eines Themenkochbuchs in dem dazu gehörigen Kochgeschirr gekocht werden sollte. Aber sei´s drum. Dass das Buch – Tajine hin oder her – diverse Mängel hat, sehe ich genau so. Keine Frage!
Nachtrag: Sorry, ich habe etwas verwirrend, da zu eilig geschrieben. Meine Meinung zur Tajine hat sich komplett geändert. Dass die Rezepte nicht die ganzgroßen, kulinarischen Offenbarungen sind, denke ich weiterhin.
Herzlichen Dank, Manuela.
Interessant finde ich diese Bemerkung: „In meinen Augen macht es daher gar keinen Sinn, dieses Buch ohne Tajine zu besprechen.“ In dieser Argumentation finde ich nicht meine Erfahrung wieder, dass ich a) schon wunderbare Tagine-Gerichte ohne Tagine gekocht habe und b) wir sogar Tagine-Bücher besprochen haben, die uns mehr als zufrieden machten. Siehe hier: https://valentinas-kochbuch.de/kochbuch-von-ghillie-baan-tajine/
Ich glaube und weiß sogar, es macht einen Unterschied, aber ich sehe es nicht als das Kriterium schlechthin. Und werde das auch in Zukunft nicht betrachten. Man würde ja einiges verpassen, nicht wahr? 🙂
Aber ich möchte auch den Fokus darauf richten, dass es nicht nur das Kulinarische war, was uns leider nicht überzeugte.
Hallo allerseits. Mit Freude sah ich, dass das Kochbuch „Tajine Vegetarisch“ besprochen wurde. Die Besprechung und den Kommentar von Stephan ist mehr als interessant. Ich möchte deshalb kurz auf den Punkt eingehen, ob eine Tajine benutzt werden muss/sollte und ob es einen Unterschied macht. Und unsere Erfahrung beim Fotokochen kundtun. Ja, aus einer Tajine schmeckt es anders ! Ich war Anfangs sehr kritisch, fand die Rezepte auf den ersten Blick sehr einfach gestrickt, hatte teilweise ähnliche Bedenken wie Annick. Teilweise hätte auch ich mich über etwas mehr Pfiff und Abwechslung in den Rezepten gefreut.
Beim Kochen haben sich meine Meinung und auch die der Foodstylistin komplett geändert. Benutzt man eine UNLASIERTE Tajine zum Kochen, bekommen die Gerichte einen komplett anderes Aroma. Ich kann es nicht ganz erklären, aber durch das offenporige Material nimmt die Tajine Aromen an und gibt sie auf eine sehr dezente Weise ab. In meinen Augen macht es daher gar keinen Sinn, dieses Buch ohne Tajine zu besprechen.
Sehr geehrte Frau Payne,
schade, dass Sie Ihre Rezension offensichtlich geschrieben haben, ohne eine Tajine je verwendet zu haben. So werden Sie dem von mir sehr geschätzten Projekt von Valentinas Kochbuch nicht gerecht.
Kochen mit einer Tajine ist für mich ein Abenteuer, ein archaisches Koch-Erlebnis in unserer ansonsten so perfekten „Induktions-Welt“. Jochen Walter versucht nicht, z.B. mit Ottolenghi zu konkurrieren, sondern unser Interesse für ein Jahrtausende altes Kochgeschirr zu wecken. Im Buch geht es nicht um raffinierte Sterne-Küche, es zeigt vielmehr auf, wie sich Kochen mit der Tajine in eine einfache Alltagsküche integrieren lässt.
„Tajine vegetarisch“ ist der Nachfolger des Buches Tajine & Co, 2011, aus dem ich bereits viele Gerichte nachgekocht und variiert habe. Jochen Walter unternimmt mit seinem neuen Buch den Versuch, das Kochen mit der Tajine in verschiedene Kochwelten auch außerhalb Nordafrikas zu transportieren, beispielsweise Capuns aus Graubünden in vegetarischer Variante. Weil gerade Mangold üppig im Garten steht, werde ich das bald ausprobieren.
Ihre Rezension ist deutlich ablehnend:
„(“zwischenzeitlich die Holzkohle zum Glühen bringen”, S. 14-17), aber wo? Ich tippe auf einen Grill, einige Worte hierzu hätten nicht geschadet“
—> aber schon auf Seite 8 wird von Holz-Kohle-Stövchen berichtet. Also ist Kreativität gefragt, Holzkohle im Supermarkt kaufen, rein in denselben Grill, der sonst nur Steaks kennt, und dann Mut: einfach die Tajine in die Glut stellen. Oder Sie machen es wie ich: einfach ein Feuer im Garten, runterbrennen lassen, Tajine rein in die Glut, warten, essen. Das habe ich schon mit Gästen gemacht, glauben Sie mir, ein Erlebnis! Ein Kochbuch muss doch nicht alles erklären, mir genügt es, wenn ich Lust habe, etwas auszuprobieren.
Ihre Rezension ist zynisch:
„Vor dem Einsatz teurer Zutaten wie Spargel scheue ich zurück, denn die Idee eines Eintopfes mit Kartoffeln und Karotten (S. 56) kann diesem Gemüse nicht gerecht werden. Spätestens beim Anblick der darauf thronenden hellbraunen Eier-Brösel-Mischung auf dem Foto hat es mir auch den Appetit verschlagen – woran mich dies denken lässt, muss ich leider verschweigen, denn es gehört zu den Themen, die ich meinen Kindern bei Tisch verboten habe“
—> Spargel teuer? Was essen Sie sonst, nur Kartoffelstampf und Hirsebrei?
Missglückt ist hier eher das überstrahlte und heftig nachbearbeitete Foto, nicht die Rezept-Idee.
Ihre Rezension macht selbst Fehler:
„Dieser klassischen Tabouleh fehlt meiner Ansicht nach der Knoblauch. Oder sollte er, o Graus, als Pulver im Kräutersalz, zu dem ich mich neben frischen Kräutern und Gemüsebrühe nicht durchringen konnte, enthalten sein?“
Wie kommen Sie darauf, in einer klassischen Tabouleh sollte unbedingt Knoblauch vorkommen? Muss alles, was südlich der Alpen gekocht wird, mit Knoblauch versetzt sein? Jeder darf Rezepte aus Kochbüchern variieren und eigenen Bedürfnissen anpassen, schauen Sie doch – Entschuldigung, nochmal Ottolenghi – in Jerusalem, Seite 85: kein Knoblauch, auch kein Kräutersalz, dafür aber die schwer authentische Baharat-Gewürzmischung …
Selbstverständlich lässt sich einiges kritisieren, was mir allerdings auch bei hier mit 4 und 5 Sternen ausgezeichneten Büchern mühelos gelingt. Selbstverständlich darf eine Rezension immer subjektive Standards setzen. Es wäre schön gewesen, Sie hätten nicht nur Mängel gesucht und gefunden, sondern sich auch auf die Suche nach Highlights gemacht: Beispielsweise Kürbis-Spinat-Tajine mit Aprikosen und Safran, Seite 39
Ein „Themenkochbuch“ zu rezensieren, ohne sich aber auf das „Thema“ einzulassen, gerät leicht zur „Thema-Verfehlung“.
Allen unerschrockenen Lesern von Valentinas Kochbuch empfehle ich als Einstieg das erste Buch von Jochen Walter: Tajine & Co, 2011
Beste Grüße, Stephan Walter (meine Namensgleichheit ist Zufall, ich kenne Jochen Walter nicht persönlich)
Hallo Stephan, danke für Deine ausführliche und differenzierte Sicht. Es lebe die Meinungsvielfalt. 🙂
Einer erklärender Hinweis zu Deinem Bedauern, dass keine Tagine zum Einsatz kam. Das hatten wir als Frage iSv „Geht das trotzdem?“ vorab auch überlegt, aber meine Idee war, dass Leser des Buches das natürlich auch nicht immer haben. Man braucht für Tagine-Gerichte nicht zwangsläufig ein solches Teilchen, aber es macht natürlich ein Unterschied, der wiederum kein Beben ist. Aus diesem Grund hat das Annick auch gleich zu erkennen gegeben. 🙂