Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Ein veganes Kochbuch, das in den USA mit Auszeichnungen überhäuft wurde. Eine Autorin, die mit ihrem Blog und ihren Seiten in den sozialen Medien Millionen Fans erreicht. Da konnte ich nicht widerstehen, die deutsche Ausgabe ihres Kochbuchs mal genauer unter die Lupe zu nehmen.
„Die Zusammenkünfte unserer Familie am Ende jedes Tages hatten etwas Vorhersehbares. So wie die Stille, die die Geräusche der Nahrungsaufnahme begleitete. Der Mangel und Hunger, den sie als Kinder während des Krieges erleiden mussten, hatte meine Eltern geprägt, lange bevor ich mich über den Mangel an Fast Food auf unserem Esstisch zu beschweren begann. Reden war daher während der Mahlzeiten unerwünscht. Essen war eine ernste Angelegenheit, die uneingeschränkte Aufmerksamkeit erforderte. Ich kann mich an keine Floskeln wie ‚Was war heute in der Schule los?‘ oder ‚Wie war es in der Arbeit, Schatz?‘ erinnern. Beim Abendessen kehrten wir unser Innerstes nicht nach außen, wir füllten es.“

Schon in obigem Zitat deutet sich an, dass es sich hier um kein ganz gewöhnliches Kochbuch handelt. Joanne Lee Molinaros Lebensgeschichte, beziehungsweise die ihrer Familie, füllt – über das Buch verteilt – viele Seiten. Alles beginnt in Korea, genauer in Nordkorea, und der blutige Krieg, der ihre Heimat in zwei Hälften teilen sollte, bildet den Hintergrund einer Familiengeschichte, die viele Schicksalsschläge, Entbehrungen und überraschende Wendungen enthält (links ein Foto der Autorin).
Später dann die Auswanderung in die USA, wo Joanne geboren wird, eine Karriere als Rechtsanwältin beginnt, dann eher zufällig das Kochen zu ihrem Hobby macht und ihre Liebe zur koreanischen Küche wiederentdeckt. Als ihr Mann sich entschließt, fortan vegan zu essen, stellt sie das auf eine harte Probe. Sie denkt, dass sich das mit koreanischer Küche nicht vereinbaren lässt. Aber bald findet sie heraus, dass das nicht stimmt.
Aus diesem Erkenntnisprozess heraus entsteht ihr erfolgreicher Auftritt bei TikTok und ihr Buch. Sie verbindet dabei virtuos persönliche Erlebnisse und Erinnerungen mit Kommentaren zu gesellschaftlichen Vorkommnissen und das alles am liebsten, während sie kocht. Zudem ist das alles noch hervorragend optisch in Szene gesetzt.
Gute Tipps für die koreanische Vorratskammer
Auch wenn es reizt, auf die gekonnt geschilderten Familienschicksale einzugehen, möchte ich diesen Teil ausblenden und allein die kulinarischen Seiten betrachten. Gegliedert ist das Buch in die Kapitel Grundlagen, Brot, Banchan (Beilagen), Kimchi und Salate, Suppen und Eintöpfe, Nudeln und Pasta, Bar- und Streetfood, Hauptgerichte sowie Süßes.

Zur Einleitung gehört ein nützliches Kapitel „Die Vorratskammer“, worin persönliche Tipps zu typischen koreanischen Zutaten gegeben werden, bis hin zu Lieblingsmarken, ja es wird sogar auf eine glutenfreie Option hingewiesen und erläutert, was man bei der Aufbewahrung beachten sollte. Bei den Rezepten ist außerdem vermerkt, was nussfrei ist, was von Natur aus glutenfrei und ob es eine glutenfreie Variante gibt. In der Vorratskammer bin ich auf Tipps gestoßen, die mich überrascht haben, etwa, dass die Autorin getrocknete Pilze wegen des stärkeren Geschmacks den frischen vorzieht und behauptet, die hässlichen würden besser schmecken als die hübschen.
Schnell und köstlich
Nun aber endlich zu den Rezepten. Schon beim Grundlagenkapitel bin ich hängen geblieben. Begeistert haben mich hier die Saucen und Dips, die teilweise nur aus ein paar zusammengerührten Zutaten bestehen und jetzt einen festen Platz in meinem Kühlschrank einnehmen.
Auch bei den Beilagen bin ich auf einige Rezepte gestoßen, die ohne großen Aufwand nach Feierabend realisierbar sind. Geröstete Zwiebeln mit Doenjang-Glasur überzeugen auch mit nur wenig Zutaten. Noch schneller geht der marinierte Grünkohl. Normalerweise wird das Gericht, das ebenfalls mit Doenjang aromatisiert wird, mit Spinat zubereitet. Joanne Lee Molinaro nimmt – weil sie Spinat nicht mag – Grünkohl. Ich nahm, da ich nicht auf die Grünkohlzeit warten wollte, Mangold aus meinem Hochbeet. Köstlich! An asiatische Fastfood-Buden erinnert ein weiteres Highlight: gebratene Mungo-Bohnensprossen mit Süßkartoffel-Vermicelli.
Die Klassiker Kimchi und Tofu
Sehr ausführlich geht die Autorin auf die Zubereitung des bekanntesten koreanischen Gemüsegerichts ein, dem Kimchi. Nun gibt es davon unendlich viele Varianten, von denen die meisten meiner Meinung nach gute Ergebnisse bringen. Ob es vorteilhaft ist, die Blätter eng zusammenzufalten, wie hier behauptet, soll jeder selbst herausfinden – ich bin da skeptisch. Aber trotzdem ist die detailreiche Schilderung des Herstellungsprozesses sicherlich besonders für Anfänger*innen nützlich. Neben dem klassischen Kimchi präsentiert Joanne Lee Molinaro noch ein Rezept für schnelles Kimchi, das ohne Fermentation auskommt.
Joanne Lee Molinaro:
Vegane Ernährung ist in der koreanischen Kultur noch immer sehr selten. Einigen fällt dieser Umstieg nicht schwer. Für mich war es eine große Sache. Viele der Gerichte, mit denen ich aufwuchs waren so wenig vegan, wie man sich nur vorstellen kann.Obwohl meine Ernährung nie besonders fleischlastig war, verband ich diese Gerichte damit, wer ich war, und ich fürchtete mich davor, dass durch einen veganen Lebensstil meine „koreanische Identität“ verlorengehen würde.
Natürlich spielen auch Rezepte mit Tofu eine große Rolle im Buch. Vom deftigen Eintopf bis zum knusprig gebratenen Tofu ist einiges geboten, was westliche Tofu-Ignoranten eines Besseren belehren könnte.
Allerdings habe ich auch einiges gefunden, was mir weniger gefallen hat. Etwa hier nicht erhältliche Zutaten wie Igel-Stachelbart-Pilze, Eichelmehl oder der vielleicht giftige Adlerfarn, für die keine Alternativen angeboten werden. Auch die Verwendung von Ei-Ersatz scheint mir fragwürdig. Ansonsten haben mich die ausprobierten Rezepte sehr zufrieden gemacht. Auch der Aspekt, dass vieles in relativ kurzer Zeit herzustellen ist, ist nicht zu verachten. Und hinweisen möchte ich noch einmal explizit auf die gekonnte Mischung aus Familiengeschichte und Rezepten sowie die wunderschönen Fotos der exotischen Speisen.
Veröffentlicht im September 2023
Hallo Katharina, Hallo Dietmar.
Ich habe die Rezension mit großem Interesse gelesen, was ich allerdings schade fand, ist, dass die darin erwähnten Rezepte dann nicht zur Verfügung gestellt wurden. Zum Beispiel die marinierte Grünkohl oder die gebratenen Bohnensprossen sowie der Nudeleintopf. Stattdessen sind Rezepte bereitgestellt, die eher Beilagencharakter haben. Ich weiß ja nicht wie weit ihr die Freigabe habt Rezepte zu veröffentlichen aber das fand ich in diesem Fall jetzt ein bisschen schade.
Ganz liebe Grüße und einen schönen Sonntag noch.
Susanne
Liebe Susanne, dank dir herzlichst für Deine Nachfrage. Generell: Die Freigaben sind bei jedem Kochbuch anders. Ich habe daher gerade für dieses nachgeschaut. Wir waren frei, daher hatte ich mich an Dietmars Empfehlungen gehandelt, der diese drei Rezepte für mich zur Veröffentlichung markiert hatte, weil sie besonders gut seien. Aber ich kann Deinen Punkt sehr gut verstehen: dass Ausführungen in der Rezension und Rezeptwahl korrespondieren. Man ist ja neugierig geworden. Aber dass sie auch mehr Hauptspeisen-Charakter haben. Ich werde das in das nächste Valentinen-Treffen mitnehmen und teilen. Wundere Dich nicht, wenn sich das erst in 2-3 Monaten auswirkt. Herzlichst Katharina