Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Sous Vide-Garen in der heimischen Küche – das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Was vor Kurzem noch undenkbar schien, ist heute jedoch durchaus möglich. Und vielleicht hat Heston Blumenthal ja doch recht, wenn er sagt, dass das Sous Vide-Garen die nächste große Revolution wird, die Einzug in unsere Küchen hält.
Ich musste nicht lange überlegen, als ich gefragt wurde, ob ich eine Sous-Vide-Rezension schreiben möchte, für die ich noch dazu die Geräte leihweise zur Verfügung gestellt bekäme! Ja, ja, ich will! Frisch noch sind die Erinnerungen an mein niedliches Sous-Vide-Kochexperiment im Rahmen meiner Heston Blumenthal-Rezension. Den Lachs haben wir damals mit einem schnöden Vakuumierer vom Kaffee-Discounter verpackt und das Wasserbad in einem großen Topf mit Thermometer überwacht, damit die Temperatur in etwa konstant bleibt. Irgendwie hat das auch gar nicht so schlecht geklappt, aber es war natürlich ganz klar, was man auf diese Art alles nicht machen kann. Jetzt also mal so richtig, hurra!
Ein ausführlicher theoretischer Teil erklärt zu Beginn des Buches die Grundprinzipien des Sous Vide-Garens. Mir gefällt, dass hierbei nicht bloß die prinzipiellen Arbeitsschritte erklärt, sondern auch die biochemischen und physikalischen Grundlagen erläutert werden, wofür übrigens Dr. Thomas Vilgis verantwortlich zeichnet. Hubertus Tzschirner schließt an und liefert auf den folgenden ca. 200 Seiten einen ausführlichen Rezeptteil nebst Glossar und Gartabellen. Ich möchte hier nicht unerwähnt lassen, dass sämtliche im Buch abgebildeten Vakuumierer und Thermalisierer Geräte der Hersteller Komet bzw. Domnick sind und die Erläuterungen im Text auch auf diese Geräte Bezug nehmen (linkes Foto: die Ariane der Firma Komet). An solchen Autoren-Firmen-Kooperationen finde ich grundsätzlich nichts Verwerfliches und sie sind bspw. auf dem französischen Kochbuchmarkt schon längst üblich geworden. Vielleicht sollte man das jedoch deutlicher z.B. auf dem Titelbild oder im Vorwort zum Ausdruck bringen, um sich an anderen Stellen böse Kritiken zu ersparen. Den Rezepten hat das in jedem Fall ganz und gar nicht geschadet.
Aber wie kocht es sich denn nun „sous vide“? Ich sage mal: anders. Die Vorteile liegen auf der Hand. Das Gargut wird in dafür vorgesehen Plastikbeuteln vakuumiert und kann so sauerstofffrei in einem Wasserbad gegart werden, dessen Temperatur nicht höher eingestellt wird als die ideale Gartemperatur des jeweiligen Garguts beträgt, wodurch ein Übergaren unmöglich wird. Da die Temperatur also entsprechend niedrig ist, wird hier bspw. Lamm nicht bei 200°C, sondern bei lediglich 65°C gegart, was dann aber auch 14 Stunden dauert. Die ganze Methode ist schon seit etwa 40 Jahren bekannt und wird in der gehobenen Gastronomie standardmäßig eingesetzt. Nur beste, frische Ware sollte zum Einsatz kommen und penible Hygiene ist beim Sous Vide-Garen unerlässlich, da die Temperaturen und Garzeiten oft nicht ausreichen, um bestimmte Keimtypen abzutöten, die evtl. vorhanden sind. Ein weiterer Grund neben den gewünschten Röstaromen, warum viele Gerichte oft noch nach dem Garen im Wasserbad in einer Pfanne angeröstet werden.
Das Buch ist im Handling leider etwas sperrig, hier wäre ein etwas kleineres Format küchentauglicher gewesen. Ich bin froh, dass die Gerichte in echt etwas weniger grell als auf den Fotos daher kommen. Manches Mal sehen die Fotos, die eingeschweißte Lebensmittel zeigen, aus, als hätten sie Druckfehler. So z.B. die Himbeeren auf Seite 201, aber es handelt sich dabei um den Aufdruck der verwendeten Vakuumierbeutel. Ästhetisch finde ich das nicht so gelungen. (Ein kleiner Fehler, den ich nebenbei bemerkt habe: auf Seite 171 wiederholt sich im Foto der Text, der eigentlich zu einem anderen Rezept auf Seite 164 gehört.)
Beim Nachkochen stelle ich zunächst eine steile Lernkurve fest. Schon beim zweiten Rezept agieren wir beinahe routiniert. Der Vakuumierer und das Thermalisiergerät, beide jeweils etwa 20 kg schwer, haben ihre festen Plätze bekommen und die Bedienung fällt nicht schwer. Nicht immer klappt alles und es wird deutlich, dass das Sous Vide-Garen keineswegs idiotensicher ist. Die Fehlersuche gestaltet sich für uns natürlich dann aber auf Grund der mangelnden Erfahrung doch ein wenig schwierig. Das macht aber nichts, denn wir haben auch jene Rezepte, bei denen es mal nicht so funktioniert hat, in einen essbaren Zustand bekommen und überaus lecker waren sie allesamt. Das ist auch der Hauptgrund, warum mich dieses Buch durchaus zufrieden stimmt. Die Rezepte sind sehr fein, stimmig und kreativ. Und Dank Hubertus Tzschirner haben auch Zimtblüten und tasmanischer Bergpfeffer Einzug in unser Gewürzregal gehalten, zwei seiner Lieblingszutaten, die auch uns begeistert haben.
So sehr mich die Sous Vide-Ergebnisse überzeugen konnten, tue ich mich dennoch schwer damit, der Technik den notwendigen Platz in meiner durchaus großen Küche einzuräumen. Auch würde mir dafür momentan schlichtweg das nötige „Kleingeld“ fehlen. Hier warte ich gespannt, was die nähere Zukunft an weiteren Entwicklungen für den gewöhnlichen Haushalt bringen wird. „Übung macht den Meister“, sagt man so schön – an Ehrgeiz würde es mir nicht fehlen.
Veröffentlicht im Juni 2013
Großartige Rezension. Habe Lust bekommen, meine geringen Erfahrungen mit Sous Vide zu vertiefen. Leider gab es bisher keine Bücher, die beim Konsumenten gut ankamen.
Einen Einhängethermostat habe ich deutlich günstiger bekommen können, beim Kammervakuumierer hört es leider auf, nicht finanzierbar.
Dennoch möchte ich die Garmethode nicht missen. Besonders Fisch wird sensationell: Lachs bei 47°C war eine Offenbarung.
Danke, Andree. Ja, Sabine hat mich auch schwer beeindruckt. Übrigens habe ich gerade auf Deine Site geschaut und den tollen Salamimann entdeckt. Wir lieben seine Hartwürste. Kaufe ich immer, wenn ich auf dem Winterfeldtmarkt bin.