Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Mit ihrer Restaurantkette schreibt die Gattin des berühmten Pantomimen Samy Molcho eine grandiose Erfolgsgeschichte, die in Wien ihren Anfang nahm. Zusammen mit ihren Söhnen – die Anfangsbuchstaben ihrer Vornamen ergeben das Wort Neni – steht sie für eine unkomplizierte, kreative Küche mit mediterranen und levantinischen Wurzeln. Kein Wunder, dass sie sich für ihr Kochbuch das quirlige Tel Aviv als Hintergrund gewählt hat.
Geschickt verbinden die Molchos (Foto unten) Rezepte aus ihrem Fundus mit kulinarischen Impressionen aus Tel Aviv, sodass man das Buch auch als Reiseführer benutzen kann. Nun, für mich war dieser Teil, dem ziemlich viel Platz eingeräumt wird, eher verzichtbar. Mein Augenmerk galt vor allem den Speisen, die durchaus mit der Küche Yotam Ottolenghis vergleichbar sind, auch wenn Haya Molcho das wohl nicht so gerne hört. Aber hier wie dort wird eine moderne israelische Küche zelebriert, die sich nicht scheut, Einflüsse von hier und da und sogar von weither kreativ zu vereinnahmen. Aber das ist schließlich angesichts der weltweiten jüdischen Diaspora nicht weiter verwunderlich.
Mehr Klasse als Masse
Wegen der vielen kleinen Geschichten und Porträts von Menschen, die die gastronomische Szene Tel Avivs prägen, nehmen die Rezepte etwas weniger Raum ein als sich mancher – und ich schließe mich da ein – vielleicht gewünscht hätte. Aber letztlich kommt es ja nicht auf die Masse an. Mehr als sechzig Rezepte sind es allemal, von denen mich auf Anhieb viele zum Ausprobieren inspiriert haben. Auch wenn einige dabei sind, die mit einem gewissen zeitlichen Aufwand verbunden sind. So etwa beim traditionellen Gericht Maqluba, das einiges an Vorbereitung bedarf, bis Lammfleisch, Kohlkopf, Tomaten, Zwiebeln und Reis in einem Topf vereint werden, um am Schluss gestürzt zu werden. Oder beim Ananas-Carpaccio mit Kokoseis, für das aus der Fruchtschale ein Sirup gekocht wird, mit dem dann die ganze geschälte Ananas, die lange im Ofen gart, begossen wird.
Traditionelle Zutaten kreativ interpretiert
Das sind Speisen, die in der Restaurantküche leichter zu verwirklichen sind als daheim, aber nicht so aufwendig, dass ich sie von vornherein von meiner Liste gestrichen hätte. Dass ich dann doch zu anderen Rezepten weitergewandert bin, lag eher an persönlichen Vorlieben. Etwa für Tintenfisch, der hier trendig „am Stiel“ präsentiert wird, aber vor allem dank eines köstlichen Dips überzeugte. Oder an meiner Begeisterung für Kadaifi, also jenen dünnen Teigfäden, die auch in der türkischen Küche eine Rolle spielen. Da „Salzige Knafeh mit gerösteten Kirschtomaten“ schon anderswo angepriesen wurde, möchte ich nicht weiter darauf eingehen, außer zu erwähnen, dass das saisonal angepasst auch mit Roter Bete hervorragend schmeckt. Wer hingegen Süßes bevorzugt, bekommt mit einer Tarte Tatin mit Kadaifi und Pflaumen eine interessante Anregung jenseits der traditionellen Rezepte.
Aufregendes in der Süßigkeitenabteilung
Relativ häufig spielt Kohl eine wichtige Rolle, mal im Ganzen geschmort, mal als kleine vegetarische Kohlrouladen oder in der bereits genannten Maqluba. Erwähnen möchte ich noch die grüne Shakshuka, eine schöne Abwandlung des traditionellen Pfannengerichts, in der Lauch, Fenchel und Spinat den Ton angeben. Auf diese Weise kann man dieses feine und einfache Gericht auch guten Gewissens in der kalten Jahreszeit zubereiten.
Besonders angesprochen hat mich jedoch die Süßigkeitenabteilung, in der ich mich an zwei Rezepte gewagt habe, die ich vorher mit einiger Skepsis betrachtet habe. Denn in beiden wird Backpulver eingesetzt, ohne dass Mehl Verwendung findet – für mich absolutes Neuland. Aber es hat gut funktioniert und die Ergebnisse waren vortrefflich, sowohl bei den Dattelküchlein mit salzigem Karamell, als auch beim Orangen-Olivenöl-Kuchen, bei dem ich allerdings die üppigen Mengen an Zucker und Öl kräftig reduziert habe, der aber immer noch weit entfernt von einer Fastenspeise ist.
Gestört haben mich nur Kleinigkeiten. Bei den Zutatenlisten irritieren die kleinen Kreise vor den Mengenangaben, die zu sehr Nullen ähneln. Sivri musste ich erst im Glossar nachschlagen, um zu erfahren, dass damit grüne Peperoni gemeint sind. Und bei nicht so geläufigen Rezeptnamen wie Amba oder Zhug würden Umschreibungen unter dem Titel helfen.
Die Molchos haben mir etliche kulinarische Anregungen beschert, von denen einige ihren festen Platz in meinem Repertoire bekommen werden. Wer sich für mediterrane und nahöstliche Küche interessiert, findet hier reichlich Neuinterpretationen traditioneller Gerichte, die überzeugen und ohne übermäßigen Aufwand zu verwirklichen sind. Zudem kann das mit vielen stimmungsvollen Fotos geschmückte Buch gut als kulinarischer Reiseführer für die weltoffene und quirlige Metropole am Meer benutzt werden.
Veröffentlicht im August 2019
Liebe Katharina und Team,
ich liebe eure Seite und bin schon lange ein Fan. Was mich als Buchhändlerin aber ganz empfindlich stört, ist, dass ihr überall eine Verlinkung mit Amazon habt! Wie wäre es mit dem Hinweis: erhältlich im gut sortierten Buchhandel? Dann kann doch jeder frei entscheiden, wo er das Buch kaufen möchte…
Eure enttäuschte Steffie
Liebe Steffi,
Buchläden sind ein kleines Paradies für mich, in denen ich stundenlang stöbern kann.
Trotzdem schaue ich bei Amazon immer gerne nach („Blick ins Buch“) und rufe dann bei meiner Buchhandlung an, um das Buch zu bestellen. Am nächsten Morgen kann ich es abholen … und unterstütze so gerne den für mich so wichtigen Buchhandel.
Liebe Grüße, Karin
Weil ich von Amazon dafür honoriert werde, Steffi.
Ich werbe auch gerne für die Buchhändler, wenn das bezahlt werden würde. Du könntest das über den Börsenverein anstossen. Auf meine mehrmaligen Vorschlag habe ich keine Reaktion erhalten. Melde dich gerne.